Fotoausstellung „Industriehafen im Focus” – 24. 9. 2014

Titel Katalog der FotoausstellungMit rund 300 Gästen war die Vernissage ein großer Erfolg. Sie zeigt das große Interesse an dem künstlerischen Blick von 14 Fotografen auf den Mannheimer Industriehafen. Die Eröffnungsrede hielt die Kulturredakteurin Annika Wind.

Einführung von Annika Wind

Rund 270.000 m² Wasserfläche, mehr als 800.000 m² Land, knapp 500 Unternehmen mit 20.000 Arbeitsplätzen – das ist der Mannheimer Hafen in Zahlen. Man könnte einen Teil von ihm, den Industriehafen an der Friesenheimer Insel, aber auch so umschreiben: Als einen Ort, an dem es eine Mühle im Jugendstil, ein neogotisches Klärwerk, ein historistisches Fachwerkhaus, eine Fabrikanlage der Konsumgenossenschaft im Stil der Neuen Sachlichkeit oder einen astronomischen Messpunkt aus der Zeit des Barock gibt. Denn das, was manchem Mannheimer als schmutzige, vor allem aber rein zweckmäßige Industriefläche erscheint, birgt auch ein wichtiges Stück Mannheimer Architektur- und Kunstgeschichte.

Ein Stück Stadt, das der Verein Rhein-Neckar-Industriekultur seit sieben Jahren erlebbar macht, mit Führungen, Veranstaltungen wie der Bootstour zur Langen Nacht der Museen 2011, Dokumentationen und, Sie haben es gerade gehört, nun auch den Wegen zur Industriekultur mit 31 Informationstafeln.

Ein Stück Stadt, das 14 Fotografen auf 52 Bildern dokumentiert, befragt, kommentiert und inszeniert haben. Die wenigsten erst auf Anregung des Vereins, denn der Hafen ist für sie seit langem ein schier unerschöpflicher Fundus an Motiven – das zeigt nicht zuletzt diese Ausstellung mit ihren unterschiedlichen Ansätzen, die bis in die 1960er Jahre zurückreichen.

Damals war einer der bedeutendsten deutschen Fotografen im Mannheimer Hafen unterwegs. Robert Häusser, der später mit dem Hasselblad-Award den sogenannten Nobelpreis für Fotografie gewann, fotografierte vor 50 Jahren Lastenkähne, die im Hafen ankern, um ihre Fracht zu löschen. Kräne, deren Silhouetten sich monumental, ja geradezu grafisch vor einem diffusen Himmel abzeichnen. Und wer seine Vintage-Abzüge aus dem Forum Internationale Photographie, die aus konservatorischen Gründen nur hinter einem Stück Stoff zu betrachten sind, genauer ansieht, erkennt: Häusser dokumentierte damals auch Arbeitsabläufe und -geräte, die heute längst überholt sind. Er konservierte in seiner eigenen Bildsprache eine Welt, die nicht verschwunden ist, aber einem ständigen Wandel unterliegt.

Der Fotograf als Dokumentarist - in gewisser Weise spielen alle 14 Ausstellungsteilnehmer mehr oder weniger bewusst diese Rolle. Ariane Coerper oder Annette Schrimpf etwa, die sich dabei für spannende Farbkompositionen und Stimmungen interessieren. Jahrzehntelang war Jo Goertz als Menschenfischerin, als Reporterin der Bildzeitung unterwegs – für diese Ausstellung hat sie nun ungewöhnliche Ansichten des Hafens ohne eine einzige Person gefunden: Details einer Backsteinarchitektur, ein Puppenbein, blühende Wiesen vor dem rauen Beton des Hafenbeckens. Der Mensch ist auf diesen Bildern abwesend – und dennoch ist er auf allen präsent. Denn der Hafen ist eine von ihm gestaltete, künstliche und sich ständig verändernde Landschaft.

Den Menschen hat dafür Elsa Hennseler-Etté bewusst in den Fokus gerückt. Denn zwischen 270.000 m² Wasserfläche und mehr als 800.000 m² Land leben heute noch Hafenarbeiter wie Hugo, den sie nicht ohne Witz beim Rapsabladen fotografierte, oder der letzte Wärter der Kammerschleuse, der heute noch direkt an seinem alten Arbeitsplatz lebt. Eine gewisse Ironie spricht auch aus den Fotos von Harald Priem: „Hafenliebe“ hat er seine Serie genannt, auf der rosarote Herzluftballons vor der Industriekulisse in den Himmel steigen.

Überhaupt ist es das Gegensätzliche, das viele Fotografen inspirierte: Bernd Seiler zeigt riesige Baulücken, die in altersschwachen Gebäuden klaffen, während die MVV daneben ungerührt immer höhere Schornsteine in den Himmel wachsen lässt. Barbara Straube lässt Farbschlieren auf der Wasseroberfläche des Klärbeckens wachsen – ein Stück Poesie in der stinkenden Wirklichkeit der Industriebrache. Mit dem uralten Verfahren einer Lochkamera hat Günther Wilhelm einen vorbeirauschenden LKW in einem Straßenspiegel eingefangen.

Lutz Walzel hat die Mühlen am Hafenbecken zu einem bunten Kaleidoskop verdichtet. Und Gerhard Vormwald Mo Edogas einstige Turminstallation „Vater Rhein und Mutter Neckar“ – die später leider abgerissen wurde – von Bäumen flankiert in den Himmel ragen lassen.

Sehr schöne Nachtaufnahmen haben Gerhard Heckmann und Konstantinos Simeonidis eingefangen. Zur blauen Stunde verströmt das diffuse Licht einer Bushaltestelle so etwas wie Heimeligkeit an einem eigentlich unwirtlichen Ort, während das Licht der Industrieanlagen den eigentlich nachtdunklen Himmel in ein Meer aus Farbschattierungen und Tonskalen taucht. Der Pressefotograf Thomas Rittelmann hat auf seinen stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Kompositionen all das eingesetzt, was schon immer die Faszination der Industriefotografie ausmachte. Allein mit dem gegebenen Licht inszeniert er scheinbar banale Architekturen und regelrechte Un-Orte wie Bahntrassen oder Zweckbauten in Zeichen und Sinnbilder.

Bildelemente aufladen mit neuen Deutungsebenen – das ist die große Leistung eines künstlerischen Blicks auf den Hafen. Man könnte auch vom Pathos der Sachlichkeit sprechen, den viele dem vermeintlich Banalem abgewinnen. Und sich damit einreihen in die Tradition der Industriefotografie seit den 1920er Jahren, die bis zur inzwischen weltberühmten Düsseldorfer Schule von Bernd und Hilla Becher reicht.

1928 hatte der Fotograf Albert Renger-Patzsch einen regelrechten Bildkatalog für den modernen Großstadtmenschen zusammengestellt. Der Band hieß damals „Die Welt ist schön“ und widmete der Industriefotografie – auch der Ansicht von Häfen – ein eigenes Kapitel. „Maschinen im Bilde gerecht zu werden, ist wohl nur in der Fotografie möglich“, schrieb Renger-Patzsch, „die absolut richtige Formwiedergabe gibt der technisch gekonnten fotografischen Aufnahme den Zauber des Erlebnisses.“

Dazwischen gibt es freilich in dieser Ausstellung noch viel mehr zu entdecken – ich wünsche Ihnen dabei viel Vergnügen!

Annika Wind bei der Vernissage im Technoseum am 24. 9. 2014

Ausstellungkatalog hier zu bestellen.