Städtische Gasanstalt in Speyer

Ein großer runder Gasbehälter, zwei stattliche Häuser und eine Reihe von Industriehallen, die sich um einen großen Platz gruppieren - diese Gebäude sind von der städtischen Gasanstalt erhalten. Sie werden z.T. noch heute zur Gasversorgung der Stadt genutzt.

Die freistehende Villa am südlichen Eck der Anlage ist das ehemalige Verwaltungs- und Direktorenwohnhaus. Es hat entsprechend seiner doppelten Nutzung zwei Eingänge und ist sehr repräsentativ. Die üppigen Baudekorationen erinnern an spätbarocke Vorlagen, die in Jugendstilart ausgeführt sind. Auffallend schön sind die Fenster und die Gitter der Kellerfenster. An der Südseite ist eine Sonnenuhr abgebracht. Als Baumaterialien sind rote Klinker und Sandstein sowie Putzfassaden verwendet. Das Haus wirdt komplett zu Wohnzwecken genutzt.

Die nach Norden folgenden hallenartigen Gebäude waren die Einrichterei mit dem Turbinenhaus. Die etwas schlichter dekorierten Backsteinbauten sind äußerlich weitgehend im Originalzustand erhalten und haben schöne Giebelfassaden. Am nördlichen Giebel ist die stilisierte Silhouette des Speyerer Doms in Klinkern und Putz zu erkennen. Leider sind die Fenster mit Glasbausteinen verstellt.

Die Hallen im hinteren Bereich des Hofes sind zwar ursprünglich zur gleichen Zeit errichtet worden, wurden jedoch 1995 zum Teil baulich stark verändert. Sie beherbergen noch immer eine der beiden Optimierungsanlagen mit einem Nutzungsvolumen von 7.500 Nm3 (8,5 bar). Der grau gestrichene Kugelgasbehälter auf dem Hof ist ebenfalls in Betrieb. Zur Gasanstalt gehörten früher auch Arbeiterwohnhäuser entlang des Armensünderwegs (Dieser Name geht auf den mittelalterlichen Weg zum Hochgericht mit Galgen zurück und hat nichts mit dem nahe gelegenen Friedhof zu tun).

Nutzung (ursprünglich)

Gaswerk

Nutzung (derzeit)

Wohnungen und Optimierungsanlage für die Gasversorgung durch die Stadtwerke Speyer, Gasbehälter

Geschichte

In Zeiten von Erdgas, das in Fernleitungen über Tausende Kilometer importiert wird, ist über die frühere Herstellung von Stadt- bzw. Leuchtgas aus Kohle und seine Speicherung in riesigen Gasbehältern nicht mehr viel bekannt. Schon etwa seit 1830 wurde Gas durch trockene Destillation von Steinkohle in meist privaten Gasanstalten produziert. Dabei wird die Kohle in Retortenöfen stark erhitzt, aber nicht verbrannt. Durch diesen Schwelvorgang entweichen die gasförmigen Bestandteile. Zurück bleibt Koks als geeignetes Heizmaterial. Das Gas wird zur weiteren Verwendung abgekühlt und gereinigt. Dabei fallen ebenfalls verwertbare Bestandteile wie Teer, Ammoniak, Benzol und Schlacke in größeren Mengen an.

Erst in den 1950er Jahren ging man von der Kohlevergasung auf Schweröl oder Leichtbenzin als Grundstoff für die Gasproduktion über. Seit den 1960er Jahren wurde Erdgas als Naturprodukt mit wesentlich höherem Brennwert eingesetzt.

In vielen Städten gab es noch bis in die 1960er Jahre Gaslaternen, obwohl Elektrizität für die Beleuchtung schon längst üblich war. In Speyer brannte bereits im Jahr 1864 die erste Gasbeleuchtung - nachdem am 04.04.1860 ein Vertrag mit P. Jeannenay, Civilingenieur in Straßburg, abgeschlossen und am 28.11.1860 das erste Gaswerk eröffnet worden war.

Noch heute spielt in Speyer die Gasversorgung durch die Stadtwerke eine große Rolle. Etwa die Hälfte der Speyerer Haushalte heizen mit Gas. Die Stadtwerke beziehen den gesamten Gasbedarf aus den Hochdruckleitungen der Saar-Ferngas AG. Etwa 62 % gehen an Haushaltungen und Gewerbekunden, 16% an Industriekunden, 9% an die Gemeinde Römerberg. Die restlichen 13% werden für das Heizkraftwerk und den Eigenbedarf benötigt.

Über die Geschichte der Gasanstalt im Armesünderweg, die erst 1904 erbaut wurde, ist uns noch nichts Näheres bekannt. Das Luftbild zeigt, dass es sich um eine großes Werk gehandelt haben muss.

In den „Statistischen Mitteilungen über Gaswerke“ von 1885 wird viel über das erste Speyerer Gaswerk berichtet, was wir im folgenden dokumentieren. Anhand der Beschreibungen von Apparaten und Maschinen lässt sich Größe und Menge der Apparaturen und Geräte sowie Behälter erahnen. „Eigentümerin: die Stadt. Dirigent: Herr Stadtmauer. Nachdem die Stadtverwaltung längst das Bedürfnis und die Zweckmäßigkeit der Einführung einer Gasbeleuchtung erkannt hatte, verzögerten verschiedene überwiegend lokale Interessen die Ausführung dieses Projectes. Auch die politischen Konstellationen waren demselben nicht besonders günstig, da im Falle eines ausbrechenden Krieges die Pfalz zunächst bedroht erschien, und die etwaigen Kriegskosten nicht unbedeutend in die Waagschale fielen. Vor etwa 25 Jahren wurde endlich die Errichtung eines Gaswerkes definitiv beschlossen (d.h. 1860). Die Anstalt hat 3 Generatoröfen (System Tonnar) und einen Halbgasfeuerungsofen (System Guth) mit je 6 ovalen Retorten und Mortonmundstücken. Der Kondensator besteht aus 110 m langen und 220 mm weiten Gußröhren, außerdem ist ein Wasserkühler von 6,7 m Tiefe und 1,4 m Durchmesser und I Scrubber von 6,4 m Tiefe und 1,4 m Durchmesser vorhanden. Die Reinigung geschieht durch Eisenoxyd mit etwas Kalk in 6 runden Reinigern von je 2 m Durchmesser und 0,8 m Tiefe. 2 Gasbehälter von je 793 m³ Inhalt. Das Röhrennetz hat eine Länge von 16.200 m von 25 - 220 mm Lichtweite. Es sind 495 Gasmesser im Gebrauch, darunter 57 trockene. Die nassen Gasmesser sind von Elster und Faas, die trockenen von Elster, Haas, Kromschröder und Guilleaume & Co. Der Gaspreis ist für die Bahn 15 Pf. pro 1 m³, für die übrigen Konsumenten 18 Pf. auch für Leucht-, Maschinen- und Heizgas. Rabatt wird nicht gewährt. Die vertragsmäßige Leuchtkraft ist bei einem Konsum von 113 l (4 engl. k') pro Stunde und Flamme 4 Stearinkerzen, von denen 6 auf l Pfd. gehen. Die Jahresproduktion betrug 1884, 523.500 m³, die Maximal-Tagesproduktion war 2.770 m³ und die Minimal-Tagesproduktion 530 m³. Die Zahl der Straßenflammen ist 336 mit einem Stundenkonsum von 150 l pro Flamme. Die Brennstunden für eine ganznächtige Flamme waren 3370 und für eine halbnächtige 1340 Stunden. Die Gasabgabe für öffentliche Beleuchtung betrug 114.925 m³, für Private 386.681 m³, der Selbstverbrauch 4.700 m³ und der Verlust 17.198 m³ oder 3,28 %. Betrieb mit Saarkohlen von den Gruben Heinitz und Dechen und ein kleiner Teil von St. Ingbert. Als Zusatzkohlen werden imit. Boghead von Starck in Altsattel (Böhmen) verwendet, von denen in den Wintermonaten 5 - 10 % zugesetzt werden. Die erübrigten Nebenprodukte Koks, Teer und Ammoniakwasser werden verkauft. 13 Gasmotoren, 9 aus Deutz, 2 System Funk, l System Buss & Sombarth und l aus der Mannheimer Motorenfabrik mit zusammen 15,25 Pferdestärken. Das Anlagekapital beträgt 291.500 Mk. wirkliche Kosten."

Quellen:

 

Eigentümer
Stadtwerke Speyer
Bauzeit / Umbauten
1904
Autor*in
Barbara Ritter, Albert Gieseler
Objektnummer
123
Adresse
Armensünderweg 17
67346 Speyer
Geo
49.332296, 8.42634
Zufahrt

Nächste VRN-Haltestelle: Speyer, Alter Postweg
VRN-Fahrplanauskunft

Öffnungszeiten

Von außen zu betrachten

Denkmalschutz
Ja
Barrierefrei
Ja