Unscheinbares Kulturdenkmal

WOCHENBLATT Mannheim

Zwei Pegelhäuschen in der Region. Von Veith Lennartz

Über 100 Objekte beschreibt der Verein Rhein-Neckar Industriekultur (RNIK) auf seiner Homepage. Bauwerke, die für die Industriegeschichte des Rhein-Neckar-Raums stehen. Besonders auffällig sind natürlich solche Zeugen der Vergangenheit, die allein durch ihre schiere Größe auffallen, wie die Kauffmann-Mühle im Jungbusch oder die verschiedenen Wassertürme der Region.

Heute wollen wir uns ein eher unscheinbares Kulturdenkmal anschauen. Wer im Rheinauer Hafen von der Rhenaniastraße in die Graßmannstraße einbiegt, sieht erst mal riesige Schrottberge und einen wuchtigen Kran der Firma Hettinger Schrott. Daneben Gebäude des Staatlichen Hafenamts und der Wasserschutzpolizei. Dann eine Freifläche des GKM mit Sand- und Schuttbergen und am Ende der Straße die Treppen zum Graßmannsteg, der über das Hafenbecken 21 führt.

Da, fast vom Steg verschluckt, steht ein kleiner Turm: zehn Meter hoch und fünf Quadratmeter in der Fläche, mit zwei merkwürdigen Zifferblättern. Eher unspektakulär, mit Sandstein untermauert und einem Holzaufbau, das Dach mit einem spitzen Helm aus Kupfer. Und das soll ein geschütztes Denkmal sein? In der Tat, das Pegelhäuschen ist 110 Jahre alt, gebaut von der Mannheimer Firma F&A Ludwig. Für die Schiffe auf dem Rhein war die Wasserstandsanzeige wichtig wegen Untiefen und Strömungen. Nur, diese Pegeluhr stand einen Kilometer weit im Hafen und war für die Schiffe auf dem Rhein nicht zu sehen. Deshalb musste der so genannte Pegelspringer den Wasserstand ablesen, zur Hafenspitze rennen und die Zahl auf eine große Tafel schreiben. Das Pegeltürmchen war bis 1965 in Betrieb, natürlich mit modernisierter Technik. Den Pegelspringer gab es allerdings schon lange nicht mehr. Das Pegelhäuschen ist als einziges historisches Pegelhaus aller Mannheimer Häfen erhalten geblieben.

Nachdem es zu verfallen drohte, machte der Rheinauer Heimatverein Druck, und so wurde es 1985 renoviert. Allerdings erst, nachdem die Stadt eine Auflage erfüllt hatte. Auf dem Graßmannsteg der auf Betonpfeilern massiv direkt oberhalb des Häuschens vorbeiführt, musste eine Sichtblende angebracht werden, weil die Buben immer mit Steinen auf das Dach geworfen haben. Zwei Pegeluhren sind noch zu sehen, mit römischen Ziffern von null bis neun. Ein neuer Anstrich würde dem kleinen Kulturdenkmal sicher gut tun.

In Sachen Pegeluhr ist Ludwigshafen den Mannheimern eine Nasenlänge voraus. Offensichtlich gab es um 1900 auf der anderen Rheinseite mehr Geld. Da wurde nach den Plänen des königlichen Straßen- und Flussbauamtes Speyer auf der Parkinsel an der Kammerschleuse eine Pegeluhr errichtet, die ganz aus Sandstein gemauert ist. Reich verziert mit vier Zifferblättern, von weitem so ein bisschen wie Big Ben in London. Die Pegelmechanik ist noch funktionsfähig, allerdings nicht mehr geeicht und damit auch nicht mehr amtlich.