Die schlichten zweigeschossigen Gebäude der Arbeitersiedlung Distelsand 3-7 sowie Hallenstraße 3-5 sind mit rot-braunen Backsteinen gemauert. Die Aufstockung mit dem großen Zwerchgiebel erfolgte zur Erweiterung der Wohnfläche erst zwischen den beiden Weltkriegen. Die relativ flache Neigung der Satteldächer wird dadurch stark von den Dachaufbauten mit Walmdächern dominiert. Die seitlichen Haupteingänge im Distelsand werden durch Lisenen betont, während in der Hallenstraße die Mittelachse durch Vertikalgliederungen hervorgehoben ist. Eine gleichmäßige Reihung der Segmentbogenfenster kennzeichnet die Fassaden. Die Zugänge zu den Wohnungen sind jeweils separat an der Längs- oder Schmalseite angeordnet. Jedes Haus verfügte über vier, die fünf Häuser somit über 20 Wohnungen.
Wie in den anderen Arbeiterkolonien gehörte zu jedem Wohnanteil ein großer Garten zur Selbstversorgung mit Obst und Gemüse, denn das Industriegebiet Rheinau lag damals weit ab von städtischer Infrastruktur.
Im Gegensatz zu den Siedlungshäusern zeichnen sich die Wohngebäude der Chemischen Fabrik Rhenania in der Relaisstraße, die sich um den Distelsand und der Hallenstraße gruppieren, durch einen höheren architektonischen Anspruch und ein größeres Bauvolumen aus. Sowohl die Fassaden als auch die Gesamtkubatur sind hier sehr viel stärker durchgestaltet, wodurch zum einen die städtebauliche Relevanz der Häuser an der damaligen Hauptverkehrsstraße zwischen Mannheim und Schwetzingen deutlich wird, zum anderen aber auch die Hierarchie der Mitarbeiter in der Firma. Der größte Teil der Geschosswohnungen war den höheren Angestellten wie Chemikern und Ingenieuren vorbehalten. Charakteristisch sind die Verwendung von Sandstein für den Sockelbereich, gelben Backstein bzw. Verblendklinker für das Mauerwerk sowie Putzfelder, Lisenen, Gesimse, Fensterrahmungen als Gliederungselemente. Die starke Verschachtelung der Dächer, Materialwahl und architektonische Gliederung tragen zur optischen Minderung der Baumasse bei.
Ins Innere des 1902 erbauten Doppelhauses Relaisstraße 161-163 führen seitliche Eingänge mit hölzernen Vorbauten. Durch versetzt angeordnete Giebelaufbauten ändert sich die Firstrichtung des Hauptdaches mehrfach, wodurch der Bau weniger monumental wirkt.
In älterer historisierender Formensprache errichtet ist das zweigeschossige Gebäude mit Ladenvorbau Relaisstraße 167 aus dem Jahre 1890, das durch vier Giebel mit segmentbogigen Aufsätzen gekennzeichnet wird. Schon gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging das Anwesen an den Schuhmachermeister Lorenz Blass über.
Das zweistöckige ehemalige Schlafsaalgebäude Relaisstraße 171-173 aus dem Jahre 1900, in dem auch eine Hausmeisterwohnung eingerichtet war, weist einen hammergerechten Sandsteinsockel auf. Das gelbe Backsteinmauerwerk wird durch Zierglieder aus rotem Backstein gegliedert. Die Segmentbogenfenster sind paarweise angeordnet. In Kämpferhöhe des Obergeschosses läuft ein rotes Backsteinband. Der Drempel und der Trapezgiebel sind in Putzfelder aufgeteilt. Das abgewalmte Mansarddach wird durch Gauben belichtet. Während des Ersten Weltkriegs war hier ein Luftschiffer-Bataillon untergebracht.
Etwas älter ist die zweigeschossige Direktorenvilla Relaisstraße 183 (früher Relaisstraße 187-189) aus dem Jahre 1890, die inmitten eines großflächigen Gartens liegt. Das Mauerwerk besteht aus gelben Backsteinen mit roten Backsteingliederungen. Erd- und Obergeschoss sind durch Rund- bzw. Segmentbogenfenster unterschieden. Giebelrisalite lockern die Fassade auf. Der Zugang befindet sich in einem seitlichen Anbau. Hier lebte zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Direktor der Chemischen Fabrik Rhenania, Dr. H. Köhler.
Auch die beiden im Jahre 1900 im malerischen mittelalterlichen Stil erbauten zweigeschossigen Wohnhäuser Relaisstraße 197 und 205 fallen durch ihre architektonische Qualität auf. Die Fassaden aus gelben Verblendklinkern haben rote Backsteinbänder und Ornamente. Das hohe Dach weist mannigfache Verschneidungen auf. Insgesamt ist die Wahl des Giebels mit Putzfeldern, des Krüppelwalmdachs, des Fachwerkaufbaus sowie der hölzernen Balkonanbauten an der Rückseite sehr von vaterländischer Romantik beeinflusst.
Werkswohnungen
Wohnungen
Die im Jahre 1855 in Aachen gegründete Chemische Fabrik Rhenania AG ließ sich nach Erwerb der Chemischen Fabrik Rheinau AG 1887 am rechten Rheinufer südlich von Mannheim in der heutigen Mülheimer Straße nieder. Das Firmenareal befand sich damals auf Seckenheimer Gemarkung. Der Schwerpunkt der Produktion lag in der Herstellung von Salzsäure.
Im Jahre 1897 erstellte die Baufirma F. & A. Ludwig nach Plänen der Architekten Klemm und Evertheim im Distelsand drei zweigeschossige Häuser für die Arbeiter des Unternehmens. Vier Jahre später wurde die kleine Siedlung um zwei weitere Gebäude nach gleichem Modell in der Hallenstraße erweitert. Die hier nur 25 Jahre ansässige Firma entfaltete um 1900 eine rege Bautätigkeit und ist das wichtigste Beispiel unternehmerischer Fürsorge zur Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse ihrer Mitarbeiter in Rheinau.
Da Ende des 19. Jahrhunderts die Hauptverbindungsstraße von Mannheim nach Schwetzingen nahezu unbebaut war und Wohnraum fehlte, entstanden in der heutigen Relaisstraße (früher Schwetzinger Straße) um 1900 noch weitere Wohnkomplexe für die Direktoren, Angestellten und Arbeiter der Chemischen Fabrik Rhenania. Hiervon sind erhalten die ehemaligen Werkswohnungen in der Relaisstraße 161-163, das Wohn- und Geschäftshaus Relaisstraße 167, das große Schlafsaalgebäude Relaisstraße 171-173, die freistehende Direktorenvilla Relaisstraße 183 sowie die beiden inmitten einer Gartenanlage liegenden Wohnhäuser Relaisstraße 197 und 205. Die Pläne hierzu lieferten ebenfalls die Architekten Klemm und Evertheim. Schon 1912 zog sich die Chemische Fabrik Rhenania aus Mannheim zurück und veräußerte ihren Besitz an die Theodor Goldschmidt AG mit Hauptsitz in Essen. Diese verkaufte um 1990 den gesamten Wohnbestand, so dass die Häuser mittlerweile in Wohnungseigentum aufgeteilt sind.
- Roland Eisenlohr: Das Arbeitersiedelungswesen der Stadt Mannheim, Karlsruhe 1921
- Monika Ryll: Das Arbeitersiedlungswesen in Mannheim, in: Mannheim und seine Bauten, Bd. 5, Mannheim 2005, S. 106-115
- www.albert-gieseler.de
ÖPNV Straßenbahnlinie 1, Haltestelle Mülheimer Straße
DB Haltestelle Mannheim-Rheinau
Die Gebäude sind nicht zugänglich.