Nachdem Werner von Siemens 1867 den Dynamo erfunden hatte, begann der Siegeszug der Elektrizität. 1878 war die elektrische Beleuchtung die Hauptattraktion der Weltausstellung in Paris. 1885 wurde in Berlin das erste Elektrizitätswerk Deutschlands eingeweiht. Im Anschluss an die 1891 in Frankfurt veranstaltete Internationale Elektrotechnische Ausstellung wurden in nur wenigen Jahren in zahlreichen deutschen Städten Elektrizitätswerke errichtet. So entstanden im Südwesten des damaligen Deutschen Reiches Anlagen in Stuttgart (1895), Straßburg (1896) und Mannheim (1899). Im Jahre 1899 gab es in Deutschland bereits 489 öffentliche Elektrizitätswerke. Ein wichtiger Abnehmer des Stroms bildeten in den größeren Städten anfänglich die dortigen Straßenbahnen, die gewöhnlich kurz nach der Eröffnung eines E-Werks ihren Betrieb von Pferde- und Dampfantrieb auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge umstellten.
Nachdem der Heidelberger Bürgerausschuss am 4. Mai 1899 die Errichtung des Elektrizitätswerks beschlossen hatte, begannen am 24. Juli 1899 die Bauarbeiten. Die technischen Anlagen wurden von der „Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Berlin geliefert; der Entwurf des Gebäudes und dessen Ausführung lag in den Händen des städtischen Hochbauamts. Anfänglich verfügte die Anlage über einen von zwei Dampfmaschinen angetriebenen Dynamo mit einer Leistung von 260 kW. Am 1. Juli 1900 wurde erstmals Strom in das Heidelberger Netz eingespeist. Zum Ende des Jahres brannten bereits 5244 Glühbirnen und 94 Bogenlaternen in der Stadt. Die größte Nutzergruppe waren damals die privaten Haushalte (2435 Glühbirnen), gefolgt von den Hotels (1049 Glühbirnen). Zwei Jahre nach der Einweihung wurde ein zweiter Dynamo in Betrieb genommen und die Versorgung der Heidelberger Straßenbahn begonnen.
1931 wurde die Stromerzeugung in Heidelberg eingestellt, nach dem Zweiten Weltkrieg aber wieder aufgenommen. Ende der 1960er Jahre besaß das Werk fünf Turbinen mit einer Gesamtleistung von 1400 kW. Damals versorgte die Anlage rund 144.000 Einwohner Heidelbergs, Eppelheims und Ziegelhausens.
Nach seiner Stillegung wurde das Gebäude 1990 zum Verwaltungsgebäude der Heidelberger Stadtwerke umgebaut. Dabei wurde ein vom Architektenbüro Gerhard Hauss, Hans-Peter Walla und Partner entworfen Erweiterungsbau errichtet, der sich stilistisch an das Industriedenkmal anpasst.
Das Heidelberger Elektrizitätswerk bestand aus einer Maschinenhalle, einem Eingangsgebäude mit Schalterraum, Labor und Magazin sowie der sogenannten Akkumulatorenhalle. Zur Anlage gehörte auch ein 48 Meter hoher Schornstein, der aber nicht erhalten ist. Die einzelnen Gebäude des im Backsteinstil ausgeführten Komplexes wurden eingeständig gegliedert. Bei der Fassadengestaltung fanden sowohl romanische Stilformen wie Jugendstilelemente Verwendung.
- Chronik der Stadt Heidelberg für das Jahr 1900, Heidelberg 1901, S. 25-28.
- Staatliche Archivverwaltung Baden-Württemberg (Hrsg.), Die Stadt- und Landkreise Heidelberg und Mannheim – Amtliche Kreisbeschreibungen, Band 2 – Die Stadt Heidelberg und die Gemeinden des Landkreises Heidelberg, Karlsruhe 1968, S. 250.
- Bernd Müller, Architekturführer Heidelberg - Bauten um 1000 - 2000, Mannheim 1998, S. 136.
- Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.), Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, II.5.2. Stadtkreis Heidelberg – Teilband 2, Osfildern 2013, S. 55.
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