Man fragt sich schon, was an dem schmucklosen dreigeschossigen Gebäudeblock besonderes sein soll. Es ist das Logo der GEG im Oberlicht des schmalen Eingangs - immerhin in Bleiglasfassung. Es ist der spärliche Rest eines sehr repräsentativen Gebäudes der Großeinkaufgesellschaft deutscher Konsumvereine, das nach Kriegszerstörung ausgesprochen einfach wieder aufgebaut wurde. Die „Wasserseite“ dagegen sehr gut erhalten, aber schwer einsehbar, am besten von der Landzungenstraße her. Zu erkennen ist der gebogene Giebelschmuck und die mit roten und gelben Klinkern verzierte Fassade. Auch die fünf Fabrik-Fenster in den drei Stockwerken sind fast bauzeitlich erhalten. Direkt an der ehemaligen Wasserseite läuft auch noch heute eine Bahnlinie. Das Binnenhafenbecken ist jedoch vollständig verfüllt.
Das Gebäude war 1911 bei seiner Fertigstellung kein reiner Funktionsbau, sondern auch auf Wirkung ausgerichtet. Für Mannheim ist es das zweite eigene Gebäude der von der Arbeiterbewegung geprägten Konsumgenossenschaft (neben der 1906 errichteten Zentrale in der Industriestraße). Die Genossen geben sogar eine Postkarte heraus, die das Gebäude von der Wasserseite zeigt. Die architektonische Gestaltung nimmt es in Punkto Repräsentation und Gediegenheit mit Gebäuden von renommierten Lager- und Binnen-Schifffahrtsgesellschaften des beginnenden Jahrhunderts durchaus auf. Auf den geschwungenen Giebel prangte das GEG Logo und der voll ausgeschriebene Schriftzug. Jeder soll wissen, dass es sich hier um ein Gebäude der Genossenschaft handelt.
In der Umgebung des ehemaligen GEG-Lagers steht eine Reihe gleichförmiger niedriger Lagerhäuser aus den 1950er Jahren, mit Satteldächern und den frisch gestrichenen Giebeln zur Binnenhafenstraße. Geht man einige Häuser weiter, trifft man auf ein schönes Fliesenmosaik mit Hafenszene.
Lager
Produktion und Lager
Die GEG (Großeinkaufsgesellschaft) ist die zentrale Großhandelsgesellschaft der deutschen Konsumvereine mit Sitz in Hamburg. Sie verfügt bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts über mehrere regionale Großhandelslager, von denen das Mannheimer Lager für Süddeutschland zuständig ist. Erst um 1910 kommen eigene Produktionsstätten hinzu. Zu Beginn der 1930er Jahre hatte die GEG 57 eigene Produktionsbetriebe, drei davon im Mannheimer Industriehafen (Mehlmühle, Teigwaren, Malzkaffee).
Vorspiel im Jungbusch
Das GEG-Lager in der Binnenhafenstraße hatte eine kurze Vorgeschichte im Jungbusch. Nach der Neugründung des Mannheimer Konsumvereins im Jahr 1900 teilen sich der Konsumverein und das Großhandelsunternehmen vorübergehend Räumlichkeiten in der Jungbuschstraße 21. Doch bereits im Juli 1903 wird es dort zu eng. Die GEG kauft am Binnenhafen ein Lagerhaus in der der Binnenhafenstraße 10.
Dieses Lager wurde ebenfalls bald zu klein. In unmittelbarer Nachbarschaft, in der heutigen Nummer 7, konnte sich die GEG nach eigenen Bedürfnissen ein eigenes Gebäude errichten, das Gelände pachtete sie von der Großherzoglichen Badischen Eisenbahn, die in unmittelbarer Nähe bereits einige propere Wohnhäuser gebaut hatte, die heute noch stehen. Das erste Lager verkauft die GEG wieder – ohne Verluste.
Im zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt und in den 1950er Jahren vereinfacht wieder aufgebaut.
Das Lager dient bis zum bitteren Ende der Konsumgenossenschaften in den 1980er Jahren durchgehend als Lager der GEG. Hier werden Besprechungen und Einkaufstage des Konsumvereins abgehalten, bei denen die Einkaufsstrategien der kommenden Saison diskutiert wurden.
Heute ist das Gebäude der Sitz eines Dienstleistungs- und Entwicklungsunternehmens im Bereich Kosmetik, das in den großzügigen Gebäuden überwiegend für den kosmetischen Bereich Salze, Peelings und Puder entwickelt, produziert und abgefüllt.
Der ehemalige Binnenhafen
Der Binnenhafen war 1887 ausgehoben worden. Das lange Mühlau-Hafenbecken, das 1875 fertig gestellt wird, ist bereits zu klein. Die Zufahrt zum Binnenhafen läuft über die Neckarmündung. Die zwei Hafenbecken sind in die Mühlauinsel eingeschnitten. Es ist ein „Binnenhafen im Binnenhafen“. Der Handel – nicht zuletzt mit Kolonialgütern – entwickelt sich immer stärker und mit ihm der Transport per Schiff.
Doch seit 1974 ist der Binnenhafen wieder von der Stadtkarte verschwunden. Für die immer größer werdenden Schiffe ist er zu eng. Wo früher das Binnenhafenbecken war, sind heute Erdberge eines Recyclingunternehmens. Sichtbare Erinnerung an den Hafen gibt es nur noch in den Straßennamen Binnenhafenstraße und Landzungenstraße.
„fair trade“ 1914 – was wird bei der GEG gelagert
Als die GEG noch kaum eigene Produktionsanlagen hatte, kaufte sie überwiegend auf dem freien Markt. Ausdrücklich vermerkt ein Bericht „dass die Großeinkaufsgesellschaft im allgemein die Erzeugnisse solcher Fabriken bevorzugt, die ihren Arbeitern gute Löhne gewähren. Zuchthausarbeit wird aus hygienischen und sozialen Gründen von der Großeinkaufsgesellschaft prinzipiell nicht geführt.“ (aus: Die Großeinkaufsgesellschaft deutscher Consumvereine Hamburg und ihr Lager in Mannheim, Franz Goppel, Leipzig 1914).
Außerdem bezog die GEG Eigenerzeugnisse von Konsumvereinen und anderen Produktivgenossenschaften, z.B. Bürstenwaren von Konsum- und Produktivgenossenschaft Schönheide, Textilien von der Produktivgenossenschaft der Schneider in Dresden und den Genossenschaftswebereien in Grünwalde und Hof, Lebensmittel von landwirtschaftlichen Genossenschaften und Molkereien und Käsereien. Teilweise wurden diese Bezugsquellen später zu Eigenbetrieben der GEG. Als Kommissionsgeschäft vermittelt die GEG alle möglichen Artikel der Holzindustrie, Kinderspielzeuge, Grammophone, Nähmaschinen, Fahrräder bis hin zu Automobilen.
Internationaler Güteraustausch? – Kolonialwaren?!
Es gab auch internationalen Güteraustausch unter den Großeinkaufsgesellschaften der einzelnen Länder. Die Genossenschaftsbewegung war 1914 bereits weltweit aktiv. Genauerer Angaben werden nicht gemacht. Kritische Stellungnahmen der GEG zum Thema Kolonialismus sind bisher nicht wirklich bekannt. Die GEG belieferte ihre Konsumvereine auch mit den klassischen Kolonialwaren wie Reis, Kakao, Tee, Gewürze, Südfrüchten, Zitornat und Kaffee. In Mannheim wurden 1912 z.B. knapp 400 000 kg Reis und 8400 kg gemahlenen Pfeffer verkauft. Die GEG richtet 1903 sogar eine eigene Kaffeerösterei in Hamburg ein und wenig später baut sie dort eine eigene Schokoladenfabrik. Woher die Rohprodukte stammen, unter welchen Bedingungen sie angebaut, geerntet und vermarktet wurden, ist nicht zu entnehmen.
Die GEG und der Kolonialismus
In den Publikationen der GEG findet man 1914 einen schwärmerischen Bericht über die Situation in England, wo schon seit 1870 die Konsumgenossenschaften wirkten: es gäbe eine eigene Schokoladenfabrik, und die größte Teehandelsgesellschaft der Welt mit eigenen Plantagen v.a. in Ceylon!
Weiße Siedlergenossenschaft in Deutsch-Südwest?
Nicht von der GEG, aber von der befreundeten „Schulze Delitsch Genossenschaft“ stammt ein Vorschlag aus dem Jahr 1911 für die Gründung einer Dorfgemeinschaft in Deutsch Südwest Afrika auf genossenschaftlicher Grundlage: Mitglieder sollten unbescholtene Reichsdeutsche mit 500 Mk Einlage werden können. Eine weise Siedlergenossenschaft also, „wo der Siedler mit seinen Eingeborenen wirtschaftet. […] Die Eingeborenen werden sich auch viel leichter zu guten Arbeitern und pflichttreuen Menschen erziehen lassen, wenn sie bei einzelnen Familien untergebracht sind, als wenn sie in großer Zahl unter Aufsehern arbeiten müssen.“