Sitz der Firma „Gebrüder Page, Schleppschiffahrt“

Jungbuschstraße 25
Mannheim

Die alten Bürgerhäuser im Jungbusch werden in Mannheim gerne Kapitänshäuser genannt, obwohl nur in wenigen tatsächlich Schiffsführer wohnten. Das Anwesen Jungbuschstraße 25 hat dagegen einen engen Bezug zur Binnenschifffahrt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte es der Firma „Gebrüder Page“, die in der Schleppschifffahrt tätig war. In dem Gebäude war nicht nur der Sitz der Reederei untergebracht, sondern es wurde auch von Teilhabern der Firma bewohnt.

Das Unternehmen wurde 1904 unter dem Namen „Schleppdienst Page GmbH“ von Franz Rott, Jakob Page, Karl Page und Sebastian Page gegründet. Dabei brachte jeder der Gründer ein Schleppschiff in die Firma ein. Drei Jahre später wurde das Unternehmen in die Offene Handelsgesellschaft „Gebrüder Page“ umgewandelt. Ihre Teilhaber waren die Brüder Jakob, Karl, Philipp und Sebastian Page. Mit ihren Schleppern bot die Gesellschaft Schleppdienste auf dem Mittel- und Oberrhein an. Nach ihrer Gründung entwickelte sich die Reederei rasch aufwärts. Bis 1909 stieg ihr Schiffsbestand auf neun Schlepper an. Nur wenige Jahre nach der Gründung wurde eine Filiale in Karlsruhe eröffnet.

Vor dem Ersten Weltkrieg befand sich im Erdgeschoss des Hauses Jungbuschstraße 25 die Wirtschaft „Zum Rheinstein“ sowie ein von der Witwe Catharine Düppenbecker betriebenes Kolonialwarengeschäft. Auch sie besaß einen Bezug zur Binnenschifffahrt. Denn ihr verstorbener Mann war Schiffsführer gewesen. Im ersten Obergeschoss wohnte der Kaufmann Sebastian Page. Ein Stock höher logierte der Kapitän Jakob Page. Das Dachgeschoss wurde von Kapitän Philipp Page und zwei Kaufmännern bewohnt. Im Hinterhaus war das Büro des Schifffahrtsunternehmens untergebracht. Dort befand sich auch die Wohnung des Kapitäns Jakob Augsburger, der wahrscheinlich für die Firma Page arbeitete. Außerdem lebten im Hinterhaus noch drei Küfer, ein Fuhrmann, ein Händler und ein Bahnarbeiter.

Da die Betätigung des Unternehmens auf dem Rhein nach dem Ersten Weltkrieg offenbar durch die französische Besetzung der Pfalz und des Rheinlandes litt, sah sich die Firma Page nach anderen Betätigungsfedern um. Ab 1922 wurden Schleppdienste auf dem Neckar angeboten, womit sich das Unternehmen in Konkurrenz zur der dort seit 1878 bestehenden Kettenschleppschifffahrt stellte.

In den 1920er Jahren wurde der Sitz der Gesellschaft an den Luisenring verlegt. Das Gebäude in der Jungbuschstraße wurde von dem Unternehmen „Jakob“ übernommen, das ebenfalls in der Binnenschifffahrt tätig war.

Der Dachbereich des Hauses wurde offensichtlich im Zweiten Weltkrieg zerstört. Unlängst wurde das Gebäude saniert und wird nun vor allem an Studenten vermietet. Im Erdgeschoß wurde ein – zu Zeit (2023) geschlossenes – Kulturcafé eingerichtet.

Aber nicht nur der erste Firmensitz der Firma Page hat sich erhalten. Im Technik Museum Speyer findet sich der Schlepper „Glarus“, der 1908 unter dem Namen „Gebrüder Page IX“ bei der „Schiffs- und Maschinenbau AG Mannheim“ vom Stapel lief. Er war 16 Jahre für das Mannheimer Schleppschiffunternehmen tätig. 1924 wurde er von der Schweizer Reederei übernommen und in „Glarus“ umbenannt. In den folgenden Jahrzehnten wechselte er ohne Namensänderung noch dreimal den Eigner. In den 1950er Jahren wurde sein Antrieb von Dampf auf Diesel umgestellt. Schließlich wurde das inzwischen mehr als 100 Jahre alte Schiff 2014 in Speyer auf Land gesetzt (im Technik Museum Speyer).

Am Nachbarhaus Jungbuschstraße 23 erinnert ein Werbeausleger mit einem Anker an die Bedeutung des Jungbuschs für die Binnenschifffahrt. Der Werbeausleger stammt vermutlich von Friedrich Heuß, dem das Gebäude Jungbuschstraße 23 zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte. Er war Mitgründer der Schiffswerft und Ankerfabrik „Gebrüder Heuß“ im Industriehafen gewesen. 1904 hatte er sich von seinem älteren Bruder getrennt und war anschließend in der Jungbuschstraße als Anker- und Kettenschmied tätig.

 

Nutzung (ursprünglich)

Firmensitz und Wohnhaus

Nutzung (derzeit)

Wohnhaus

Quellen:
  • Führer durch die Industrie- und Hafenanlagen von Mannheim, Rheinau und Ludwigshafen, Duisburg- Ruhrort 1909, S. 208.
  • Mannheimer Adressbuch 1912, S. 712.
  • Karlsruher Zeitung, 11. Juli 1904, 30. September 1909 (jeweils Auszug aus dem Handelsregister).
  • Mannheimer Morgen, 1. Mai 2014 und 10. März 2017.
Autor*in
Sebastian Parzer

Quelle: www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/sitz-der-firma-gebrueder-page-schleppschiffahrt