Ein bisschen zurückgesetzt, unauffällig und selbst Ur-Mannheimern kaum bekannt – so liegt das Gebäude der ehemaligen Kinderklinik auf einem eigenwillig zugeschnittenen Grundstück, das von der Grenadierstraße, der Friedrich-Ebertstraße (früher Kronprinzenstraße) und der Windsor-Anlage, einer kleinen tiefergelegenen Grünfläche, begrenzt wird.
Und dabei hätte das Gebäude so viel mehr Aufmerksamkeit verdient, denn es ist ein prägnantes Beispiel jener Stilrichtung „Neue Sachlichkeit“, die ihre Bezeichnung einer wegweisenden Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle im Jahr 1925 zu verdanken hat.
Errichtet wird das Gebäude in den Jahren 1929/1930 vom städtischen Hochbauamt, nicht weit entfernt vom städtischen Krankenhaus. Beide Einrichtungen stehen unter einer Leitung. Im Frühjahr 1931 nimmt das Gebäude seinen Betrieb auf. Frauen, die kurz nach der Entbindung nicht familiär versorgt werden konnten, werden in der Mütterabteilung gepflegt. Im Säuglingsheim werden die Kinder aufgenommen, die zur Pflege oder zu Adoption freigegeben werden.
Architektonisch auffällig an diesem drei-, beziehungsweise viergeschossigen Flachdachgebäude in Klinkerbauweise sind vor allem die Laubengänge an der Westseite: in ihnen konnten die Kinderwagen an die frische Luft gestellt werden.
Diese Laubengänge haben ihre Wiederentdeckung den Architekten des Bauhauses verdanken. Sowohl Walter Gropius als auch Hannes Meyer haben die mittelalterliche Idee des Laubenganges in ihren Gebäuden immer wieder aufgegriffen. Beispiele hierfür sind unter anderem die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe und einige Gebäude in Dessau. Und auch das Mannheimer Mütter- und Säuglingsheim greift diese Formgebung auf.
Mütter- und Säuglingsheim
Klinisches Forschungsinstitut
Schon seit 1916 – mitten im Ersten Weltkrieg – geplant, wird das Gebäude in den Jahren 1929/30 endlich errichtet. Im März 1931 nimmt das Heim seinen Betrieb auf. Es ist bei seiner Eröffnungsfeier als „Krönung einer großen Sozialen Arbeit“ gefeiert worden. Der NSDAP war es von Anfang an ein Dorn im Auge. Im Lokalblatt der NSDAP, im Hakenkreuzbanner vom 29. 8. 1931, ist hierzu zu lesen, nach der Fertigstellung dieses und anderer Objekte sei dem städtischen Bauamt die Arbeit ausgegangen, nun warteten die „Bauamtsmänner sehnsüchtig auf die nächste Baublüte“. Die Beschäftigten des Bauamts werden als zu teuer und unnütz dargestellt.
Noch im ersten Jahr der NS-Herrschaft beschließt der neue Stadtrat, das Säuglings- und Mütterheim in ein Altenheim, das sogenannte Bürgerheim, umzuwandeln. Unter der Überschrift „Ein überflüssiger Zuschussbetrieb wird nutzbar gemacht“ berichtet der Hakenkreuzbanner am 13.12.1933. Der Bau sei unnötig, zu luxuriös für die unehelichen Mütter und ihre Kinder, für die der NS-Staat nur Hohn übrig hat. „Es kann nicht Aufgabe des Staates oder der Gemeinde sein, eine Bequemlichkeit vorzutäuschen, die der Mutter im Lebenskampfe allgemeinen nicht erfüllt werden kann.“ (Hakenkreubanner, 13.12.1933)
Den Umbau zum Altenheim, wie auch andere Baumaßnahmen feiert das NS-Blatt vom 7.12.1933 als „einen weiteren Schlag gegen die Erwerbslosigkeit“. Ehemals große Räume sind unterteilt worden, Glaswände durch massive Wände ersetzt. Am 1. April 1934 eröffnet das städtische Bürgerheim. Das Haus bietet „volle Verpflegung, Heizung, Beleuchtung, fließendes kaltes und warmes Wasser“. Auch herzu finden sich im Hakenkreuzbanner Artikel: Die Nachfrage sei groß, und das Haus erfordere anders als das Mütter- und Säuglingsheim nun keinen Zuschuss mehr. Es wird im Volksmund „Damenheim“ genannt.
Ab Sommer 1945 nennt man es „Junggesellenheim“, denn es ist von der amerikanischen Besatzungsmacht besetzt. Es wohnen jetzt ledige amerikanische Zivilangestellt dort. Die ehemaligen BewohernInnen waren evakuiert worden.
Seit 1950 bittet und fleht die Stadtverwaltung um die Rückgabe des Gebäudes für die Wiedererrichtung insbesondere eines Säuglingsheimes. Die Säuglingssterblichkeit in Mannheim ist die höchste unter den Großstädten Deutschlands. Am 30. 9. 1953 wird die Freigabeurkunde tatsächlich unterzeichnet. Die Gebäude werden nach wenigen Umbauten wieder in den Klinikbetrieb integriert und bis 2003 als Kinder- und Infektionsklinik genutzt.
Heute ist in dem Gebäude ein klinisches Forschungsinstitut untergebracht, das im Auftrag der pharmazeutischen Industrie Arzneimittelstudien durchführt.
Haltestelle Bonifatiuskirche
nicht öffentlich zugänglich