Das verzahnte Logo ist strategisch gut am Wendepunkt einer engen Kurve der Friesenheimer Straße auf dem freundlichen kleinen Backsteinhaus angebracht. Die Fabrikmauer zieht sich gut 100 Meter hin und gibt den Blick auf den mit Bäumen beschatteten Hof und ein langgestrecktes zweigeschossiges Fabrikgebäude frei. Es ist - an den Fensterformen und Lisenen erkennbar - gut hundert Jahre alt, aber jeder Bauschmuck ist ihm abhandengekommen. Modernere Gebäude und offene Lagerhallen ziehen sich im rechten Winkel dazu bis zu dem verspielten Backsteinhaus, das in der spitzen Ecke des dreieckigen Fabrikgeländes liegt. Dieses Haus gehörte ursprünglich der Hadernfabrik Reis.
Heute arbeiten nur noch wenige Beschäftigte in der Fabrik. Ihre heutige Bedeutung besteht in der Vielfalt der Produktionspalette: Mehr als 1.500 Pumpen-Varianten mit unterschiedlichen Fördermedien, Leistungsvermögen, Materialien und Druckbereichen werden hier gefertigt. Zahnradpumpen werden vor allem in der Autoindustrie gebraucht, ebenso in der chemischen Industrie, allgemein im Maschinenbau, Schiffsbau, Anlagenbau, bei Walzwerken und Pressen in der Farbindustrie und Lebensmittelindustrie.
Textilverwertung Reis und Zahnradpumpenfabrik
Zahnradpumpenfabrik
Beginn mit einer Werkstatt in der Waschküche
Friedrich August Neidig, ursprünglich kaufmännischer Vertreter für Messingwerke, hat diese spezielle Form der Pumpe nicht selbst erfunden, aber als erster in Serie produziert. Das war 1903, und er beginnt mit einer Werkstatt in der Waschküche in der Pestalozzistraße 25 (Neckarstadt) unter tatkräftiger Mithilfe seiner Ehefrau Elisabeth, und eines Drehers. Das Ehepaar fuhr selbst ein Auto, Elisabeth war sogar eine bekannte „Autlerin“, die 1903 ein Autorennen fuhr und den 3. Platz belegte. Als Automobilisten kannten sie die Probleme mit der Schmierung des Motors und Getriebes. Zahnradpumpen sind vor allem von der aufblühenden Automobilindustrie gebraucht worden, aber auch die Hersteller von Werkzeugmaschinen und Benzin- und Bootsmotoren waren seine Abnehmer.
1907, noch immer als Hinterhoffabrik, hat das Unternehmen 15 Arbeiter. Anarchisten sollen einen Streik entfacht haben, der mehrere Wochen anhält. (Neue Mannheimer Zeitung 31.1.1935). 1909 richtet Neidig eine eigene Modellschreinerei ein, der Guss wird noch vergeben.
Europaweiter Export vom Standort Industriehafen
1910 kauft Neidig im Industriehafen das Gelände der Friesenheimer Straße 5 und erstellt ein Fabrikgebäude. Er exportiert bereits nach Italien, Schweden, Holland, Belgien und Österreich. 1912 errichtet er eine eigene Kraftzentrale und baut gegenüber in der Friesenheimer Straße 8a eine eigene Gießerei auf. Die Beschäftigten und die fertigen Gussteile können durch einen Tunnel die andere Straßenseite gefahrlos erreichen.
Aufträge der Marine
Im Ersten Weltkrieg bekommt Neidig große Aufträge von der Kriegsmarine, insbesondere für den U-Bootbau. Das Unternehmen expandiert.
Der Sohn Adolf Neidig (geb. 1897) steigt nach dem Krieg als kaufmännischer Leiter in das Geschäft ein, seine drei Brüder arbeiten ebenfalls im Betrieb mit. Die Kontakte zur Marine bleiben, jetzt wird die Handelsmarine beliefert. Die Einführung von Dieselmotoren erhöht die Nachfrage. Die Angebotspalette wird um Ölkühler, Ölfilter und Filterkühler erweitert mit Exporten in die ganze Welt. Es gibt mehr als 15.000 verschiedene Ausführungen der Zahnradpumpen in allen Größen und Typen.
Da trifft es sich gut, dass der Nachbarbetrieb in der Friesenheimer Straße 3 nach dem Tod des Inhabers stillgelegt ist. 1927 kaufen die Brüder Neidig das Gelände und das ehemalige Textilverwertungswerk und richten dort einen neuen Maschinenpark ein. Einen Teil nutzen sie als Wohnhaus. Eine weitere repräsentative Unternehmervilla für die große Familie errichten sie auf dem Gelände zwischen den beiden Werken zur Friesenheimer Straße hin.
Die Politik
1932 kommt es offenbar zu schweren Turbulenzen: „Kommunisten unterminierten den Betrieb, so dass die Firma gezwungen war, den Betrieb stillzulegen. Die Aussperrung dauerte 4 Monate. Die nationalsozialistische Revolution war die Rettung aus diesem bolschewistischen Chaos.“ Das schreibt im Rückblick die bereits gleichgeschaltete Neue Mannheimer Zeitung 31.1.1935. Im Jahr 1937 setzt sich Friedrich August Neidig zur Ruhe, die zweite Generation übernimmt das Ruder.
Es ist bekannt, dass sich die Maschinenfabrik Neidig während des Dritten Reichs besonders linientreu zeigt: Neidig sieht schon darin einen Kündigungsgrund, dass ein Beschäftigter oder dessen Familienmitglieder mit Juden geschäftlichen oder privaten Kontakt haben oder wenn sie aus der NSDAP ausgeschlossen werden.
Um 1939 gibt es 800 Beschäftigte, darunter auch Zwangsarbeiter.
Nach dem Krieg: Zurückgewinnung des Markts
Der Krieg bringt eine weitgehende Zerstörung des Betriebes und der Villen in der Friesenheimer Straße 3-5 nicht jedoch der Gießerei. Zerstört sind auch ein Großteil der Zeichnungen und Modelle seiner inzwischen mehr als 15.000 verschiedenen Pumpen und Produkte. An dem Ausweichstandort in Wiesloch produziert Neidig mit ca. 100 Leuten eher notdürftig weiter. 1948 sind es bereits wieder 200 Beschäftigte in Mannheim. 1950 läuft auch der Export wieder an, der Markt kann zurück gewonnen werden. 1955 Werner Neidig (geb. 1924) und sein Vetter Herbert Neidig (geb. 1928) arbeiten ebenfalls in der Firma.
Um 1960 sind 400 Leute beschäftigt. Ölhydraulik wird ein neues Gebiet für die Firma mit bahnbrechenden Entwicklungen. Neidig ist der größte Betrieb für Zahnradpumpen in Deutschland und hat international einen guten Ruf.
Als großes Metallwerk spielt es auch für die Gewerkschaftsbewegung eine wichtige Rolle. Unter Führung der IG-Metall streiken 1967 die Beschäftigten wochenlang für die 40-Stunden-Woche.
Umfirmierung in ZPM
Die Erfolge der Gewerkschaft beim Kampf um kürzere Arbeitszeit und höhere Löhne waren definitiv nicht der Grund für den ruhmlosen Niedergang des Unternehmens. Streit innerhalb der Familie und Managementfehler führen dazu, dass die Firma Zahnradpumpenfabrik Neidig und Söhne 1979 Konkurs anmelden muss. Das Werk wird in eine GmbH umgewandelt und bekommt einen neuen Namen. In kleinerem Maßstab, doch kontinuierlich und weiterhin international erfolgreich arbeitet die „ZPM Zahnradpumpenfabrik Mannheim GmbH“ weiter.
- Firmenchronik ZPM auf der aktuellen Webseite
- Gespräche mit Angehörigen der ehemaligen Besitzer, mit Beschäftigten und dem Geschäftsführer von ZPM
- Zeitungberichte über Neidig
- Wikipedia
- Adressbücher der Stadt Mannheim
- Führer durch die Industrie- und Hafenanlagen Mannheims, 1909
RAGS AND GEAR PUMPS GEAR PUMP FACTORY - ZPM
At the beginning of the 20th century two firms that had developed out of small backyard workshops, moved into the hardly developed "second row" at the industrial harbour. The two firms expanded fast.
In 1908, Isidor Reis, the son of the rags dealer Lazarus Hirsch Reis, built a textile recycling plant. As raw material for paper, cotton waste was sorted, washed, bleached and crushed.
The impressive facade with the inscription "L.H. Reis" as well as the balcony was still intact when, in January 1914, a monument on the square in front of the building was unveiled. This monument commemorated the victory of Prussian and Russian troops over Napoleon. The obelisk with the cannonballs marks the spot where the Rhine was crossed during the so-called ‘war of liberation’ of 1814. The original name of the industrial harbour’s river bank – "Russian Prussian and French Quay" – refers to that event.
In 1910, the pumps inventor Friedrich August Neidig moved from his laundry in the Neckarstadt to the neighbouring property. His machine factory, founded in 1903, is considered to have been the first gear pump factory in Germany. Neidig built his factory, with warehouses and a villa, on the vacant plot.
Both companies profited from the First World War. Neidig won lucrative contracts from the Navy and the general shortage of raw materials made textile waste more valuable.
After Reis’s death, Neidig bought up his company. In 1928 he built production facilities for oil coolers and filters which were exported all over the world. The large metal company also played a role in the labour movement. In 1932 there was a four-month lockout and, in 1967, 400 workers went on strike for the 40-hour week. The strike lasted weeks.
Before the Second World War, part of the Neidig family lived in a villa on the site. During the Nazi era, the sons ran the business on strictly national lines. In 1939 Neidig employed 800 workers. At the end of the war the factory and the villa were largely destroyed.
The shapes of the windows and outlines of the facade of today’s ZPM workshop point to the construction period of 1910. The old decorative gables were destroyed in the war or through later modernization. A workshop in the 1950s. More than 1,500 pump types were manufactured in the gear pump factory. They were of varying capacity and were to be used in the media and printing sector. They were made of cast iron, bronze, stainless steel and cast steel, many of them based on customers’ drawings, often manufactured as a series or as an individual product. From 1915 to the 1980s the foundry was located on the opposite side of the road, connected to the main house by a tunnel. The photo from the 1950s shows a packaged timber pump being loaded for the journey to "Hindustan" – the India of today.
Neidig made great breakthroughs in the field of oil hydraulics and was the largest manufacturer of gear pumps in Germany. However, in 1979 the firm went bankrupt and today the ZPM Zahnradpumpenfabrik Mannheim GmbH (gear pump factory) manufactures gear pumps.
ZPM Zahnradpumpenfabrik Mannheim GmbH
Friesenheimer Str. 3-7
D-68169 Mannheim
Bus-Haltestelle Dürstelschlag direkt vor der Firma