Der Mannheimer Hauptfriedhof lädt mit seinen vielzähligen historischen Grabmälern zu einem aufschlussreichen Rundgang durch die Mannheimer Heimatgeschichte und insbesondere auch durch die Mannheimer Industriegeschichte ein. Namhafte Industrielle ließen - teilweise noch zu Lebzeiten - ihre letzte Ruhestätte als antike Mausoleen mit hohem künstlerischem Anspruch gestalten. Aber nur die Familie des Geheimen Kommerzienrats Heinrich Lanz hat nach dessen Ableben 1905 eine Gruft unmittelbar im Eingangsgebäude des Friedhofs realisieren können. Das im neoklassizistischen Stil errichtete Mausoleum gehört zu den bedeutendsten Beispielen der Sepulkralkultur der Kaiserzeit im Südwesten Deutschlands.
Die Gruft der Familie Lanz befindet sich im südlichen Eckpavillon der von 1841-42 nach Plänen des aus Tirol stammenden Architekten Anton Mutschlechner im Rundbogenstil entstandenen Eingangsarkaden. Die architektonischen Zierglieder wie Gesimse, Lisenen, Gewände sind aus gelbem Sandstein, das eigentliche Mauerwerk aus gelbem Backstein. Im Jahre 1967 reinigte man die Eingangsfront mit dem Sandsteingebläse so gründlich, dass die von dem Architekten bewusst gewählte rötliche Farbe der Ziegelsteine verloren ging. Ein niedriges Zeltdach wird von romanisierende Rundbögen getragen. Es weist an der Spitze eine Lichtkuppel auf, die das natürliche Licht auf den Marmorsarkophag von Heinrich Lanz lenkt. Abseits der Straße führt der Zugang in die Gruft durch eine bronzene Eingangstür mit Flachreliefs. An der Tür verläuft ein Ornamentband mit Schmetterlingen (dem Zeichen des Werdens und Vergehens), mit Blumen und Früchten und zu Füßen eine Sanduhr. Die Ecken zieren kleine Putten. Gerahmt wird die Tür von einem dorisierenden Portal mit Pilastern und Dreieckgiebel aus Sandstein.
Im Innern ist das Mausoleum eine zweigeschossige Anlage, die ebenerdig zum Untergeschoss über einen Treppenvorraum betreten werden kann. Vom Hauptraum - dem Galeriegeschoss - blickt man von einem gräcisierenden Eisen- und Bronzegeländer hinunter auf den Marmorsarkophag der liegenden Figur von Heinrich Lanz im Leichentuch. Das Grabmal wird durch Kandelaber flankiert. Der Hauptraum hat ein kleines Gewölbe mit Laterne. Die Nischen und Wandflächen sind mit Marmorplatten verkleidet. An den beiden Längsseiten befinden sich halbrunde Nischen mit der Darstellung einer männlichen Figur (Symbol der Arbeit) und einer weiblichen Gestalt mit Kind (Symbol der Fruchtbarkeit). Den plastischen Schmuck der Räume schuf der bekannte Berliner Bildhauer August Kraus (1868-1934), von dem auch das Standbild des Firmengründers auf dem Werksgelände im Lindenhof stammt (siehe hierzu /objekte/heinrich-lanz-denkmal). Der Mannheimer Bildhauer Wilhelm Busam führte die Gruft aus.
Der Raum ist geschmückt mit kannelierten Pilastern, Kapitellen mit verschiedenartigen Ornamenten und einem Gesims im klassizistischen Stil. Reste von Bemalungen zeigen, dass das Gewölbe unter dem heutigen Anstrich eine dekorative Malschicht getragen hat.
Der Sarkophag wurde nach dem Vorbild der Charlottenburger Königssarkophage geschaffen. Links unter dem Marmorsarkophag wurde 1926 die Ehefrau von Heinrich Lanz, Julia geb. Faul bestattet. 17 Jahre später erhielt deren Tochter Emily Bumiller neben der verstorbenen Mutter ihre letzte Ruhestätte. Die weiteren Familienmitglieder wurden in Urnen beigesetzt. In einer Nische im Untergeschoss an der linken mit Marmor verkleideten Wand befinden sich die beiden Urnen des Sohnes und Firmennachfolgers Karl Lanz sowie seiner ihn um fast 60 Jahre überlebenden Ehefrau Gisella geb. Giulini. Die beiden weiteren Töchter des Ehepaares Heinrich und Julia Lanz sind außerhalb Mannheims beigesetzt worden: Helene Röchling 1945 im Goetheanum in Dornach (Schweiz) sowie Valentine von Seubert 1962 auf dem Murnauer Friedhof. Beide Grabstätten existieren nicht mehr.
Folgende Personen wurden in der Lanz-Gruft bestattet:
- Heinrich Lanz (1838-1905)
- Karolin Weidner - vermutlich Hausangestellte - (bestattet 1909)
- Anna Wendel - Hausfräulein - (bestattet 1918, nach auswärts überführt 1946)
- Dr. Karl Lanz - Sohn des Heinrich Lanz - (1873-1921)
- Julia Lanz - Ehefrau des Heinrich Lanz - (1843-1926)
- Radigonda Magrini - vermutlich Hausangestellte - (1856-1929)
- Karl August Röchling - Schwiegersohn des Heinrich Lanz - (1852-1937)
- Giulia Magrini - vermutlich Hausangestellte - (1866-1938)
- Dr. Paul Schillow - (1861-1938)
- Emily Bumiller - Tochter des Heinrich Lanz - (1867-1943)
- Dr. Edwin Wünsch - zweiter Ehemann der Witwe von Dr. Karl Lanz - (1881-1973)
- Gisella Wünsch, geb. Giulini, verw. Lanz - Schwiegertochter von Heinrich Lanz, Ehefrau von Dr. Karl Lanz - (1885-1980)
- Margot Jensen, geb. Lanz, - Enkelin von Heinrich Lanz - (1906-1995)
Mausoleum
Mausoleum
Die Lanz-Gruft gehört zu den eindrucksvollsten Grabanlagen des Mannheimer Hauptfriedhofs. Der Namensgeber war der Geheime Kommerzienrat Heinrich Lanz. Er gründete 1859 in Mannheim die Lanz-Werke, die aus einem kleinen Reparaturbetrieb für landwirtschaftliche Maschinen zu einem Unternehmen von Weltruf aufstiegen. Insbesondere die Produktion des "Lanz-Bulldogs" sowie von Dreschmaschinen und Lokomobilen führte zu einer weltweiten Bedeutung der Firma. Die Keimzelle lag in der Schwetzingerstadt nahe dem Hauptbahnhof. Nach dem Bau der neuen Fabrikanlagen im Lindenhof stiegen die Lanz-Werke zur größten kontinentalen Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen empor (siehe hierzu /objekte/alter-wasserturm-der-firma-lanz).
Heinrich Lanz erwarb erhebliche lokale Bedeutung als Wohltäter und Stifter öffentlicher Einrichtungen. Er lebte mit seiner Frau Julia geb. Faul (1843-1926) und den vier Kindern Helene (1866-1945), Emily (1867-1943), Valentine (1870-1962) und Karl (1873-1921) in dem neoklassizistischen Wohnhaus A 2,6 (siehe hierzu /objekte/wohnhaeuser-heinrich-und-julia-lanz-in-mannheim). Firmennachfolger wurde nach seinem Tode 1905 der Sohn Karl, dessen prächtiges Palais in der Oststadt weit über Mannheim hinaus bekannt ist (siehe hierzu /objekte/villa-karl-und-gisella-lanz-in-mannheim-oststadt).
Die Lanz-Gruft ist Teil des Eingangsgebäudes des Hauptfriedhofs. Die Eingangsfront an der Röntgenstraße entstand 1841-1842 und ist das älteste Gebäude auf dem Friedhof. Der Entwurf stammt von dem aus Österreich stammenden Architekten Anton Mutschlechner (1795-1846). Es ist eines der wenigen Gebäude in Mannheim, das aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben ist. Der linke nordwestliche Teil des Mittelsgebäudes enthielt ursprünglich die Wohnung des Aufsehers, der rechte einen Betsaal. Unter den Arkaden wurden die Grüfte für neue Begräbnisse angelegt. Sie dienten aber auch zur Aufnahme der aus den Innenstadtfriedhöfen transferierten Gebeine und zur Lagerung der durch Umgrabungen anfallenden Knochen. Die beiden Eckpavillons verwendete man zur Aufbahrung Verstorbener, bis um 1900 die neue Leichenhalle erbaut wurde. Der rechte Pavillon nahm nach dem Tode von Heinrich Lanz die Familiengruft auf. Der linke wurde danach als Leichenwagenremise benutzt, heute enthält er eine Transformatorenstation.
Den Auftrag zur Ausführung der Lanz-Gruft erhielt der Berliner Bildhauer August Kraus (1868-1934). Die Bauleitung lag in der Verantwortung der Mannheimer Baufirma F. & A. Ludwig. Die Einweihungsfeierlichkeiten fanden fünf Jahre nach dem Tode von Heinrich Lanz am 8. März 1910 um 11 Uhr in Anwesenheit des späteren Prälaten Joseph Bauer sowie zahlreicher Honoratioren anlässlich des 50jährigen Firmenjubiläums statt. Einen Tag später wurde das ebenfalls von August Kraus geschaffene Bronzedenkmal von Heinrich Lanz auf dem Firmengelände enthüllt.
In den Jahren 1990-91 erfolgte eine umfassende Sanierung. Die finanziellen Mittel stellten je zu einem Drittel die Firma John Deere als Nachfolgerin der Firma Lanz, die Denkmalstiftung Baden-Württemberg sowie das Landesdenkmalamt zur Verfügung.
- Die goldene Jubelfeier der Firma Heinrich Lanz. Die Weihe des Mausoleums der Familie Heinrich Lanz, in: Generalanzeiger Mannheim 08.03.1910.
- August Kraus und das Lanz-Mausoleum, in: Neue Mannheimer Zeitung 09.08.1933
- Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914. Ausstellungskatalog Berlin 1990, S. 158ff
- Die Friedhöfe in Mannheim. Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Mannheimer Persönlichkeiten, hrsg. vom Förderkreis historischer Grabstätten in Mannheim e.V., Mannheim 1992, S. 60ff
- Andreas Schenk: Architekturführer Mannheim, Berlin 1999, S. 93
- Tobias Möllmer: Berliner Neoklassizismus in Baden. Die Mausoleen von August Kraus (1868-1934) auf dem Mannheimer Hauptfriedhof, in: Badische Heimat 3/2008, S. 389ff
Friedhöfe Mannheim
Am Jüdischen Friedhof 1
68167 Mannheim
Tel. 0621-3377100
E-Mail: kontakt@friedhof-mannheim.de
ÖPNV:
Straßenbahnlinien Linien 2 und 7 – Haltestelle Hauptfriedhof
Die Gruft ist öffentlich nicht zugänglich.