Schon gleich nach Fertigstellung im Jahre 1906 wird die Doppelvilla in der zeitgenössischen Literatur beschrieben als ein Gebäude, das dem Straßenbild einen eigenartigen Stempel aufdrückt. Der Architekt Herrmann Billing (1867-1946) schuf ein Bauwerk im vollendeten Jugendstil. Der Bauherr August Grün (1847-1915) war Mitinhaber des späteren Weltunternehmens "Grün & Bilfinger" (heute "Bilfinger SE").
Wohngebäude
Büro- und Wohngebäude
Die heutige Baufirma Bilfinger hat sich in den 140 Jahren ihres Bestehens mehrfach umfirmiert. Begonnen hatte sie in Speyer 1880 als "Weis & Bernatz". Schon 1883 wurde der Sitz nach Mannheim verlegt. Drei Jahre später trat der Ingenieur August Grün in das Unternehmen ein, das fortan als "Bernatz & Grün" firmierte. Nach dem Ausscheiden von August Bernatz 1892 übernahm der Regierungsbaumeister Paul Bilfinger (1858-1928) zum 1. Juni desselben Jahres die Geschäftspartnerschaft. Die Firma hieß nun "Grün & Bilfinger". Das Unternehmen war um 1900 führend bei Bauarbeiten, die unter Wasser mit Verwendung von Preßluft erfolgten. Diese Arbeiten waren vom Vater des Paul Bilfinger in Pforzheim durch die Firma Gebr. Benckiser im Jahre 1859 eingeführt worden.
Der Hauptsitz von "Grün & Bilfinger" lag im Jungbusch in dem zunächst angemieteten, dann angekauften Gebäude Akademiestraße 4-6. Von da an entwickelte sich das Unternehmen mit der Ausführung zahlreicher Brückenkonstruktionen, Bahnanlagen, Tunnelbau und Hafenausbauten zu einem Weltunternehmen. Es war vorwiegend im Ingenieurbau tätig. 1904 und mit Erweiterungen 1916-1920 entstand die Zentralwerkstatt von Grün & Bilfinger auf der Friesenheimer Insel in der Diffenéstraße 14 (siehe hierzu /objekte/ehem-zentralwerkstatt-von-gruen-bilfinger-heute-implenia-in-ma). Nach starker Kriegszerstörung des Hauptsitzes in der Akademiestraße und Auslagerung der Mitarbeiter entstand 1958-59 an der Augustaanlage Ecke Karl-Reiss-Platz nach Plänen des Mannheimer Architekten Wilhelm Schmucker ein neues Verwaltungsgebäude. 1975 fusionierte die Firma mit der Berliner Baufirma "Julius Berger" zu "Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft", die sich wiederum 2001 in "Bilfinger Berger AG" umbenannte und seitdem als Industriedienstleister agiert. Seit 2012 firmiert das Unternehmen als "Bilfinger SE" mit weltweit ca. 35000 Mitarbeitern. Nach dem Bezug neuer Büroflächen in der Oskar-Meixner-Straße 1 auf dem ehemaligen Vögele-Gelände am Neckarauer Übergang wurde das zwölfgeschossige Hochhaus an der Augustaanlage abgebrochen.
August Grün hatte zusammen mit Paul Bilfinger und später mit dessen Bruder Bernhard Karl Bilfinger (1862-1924) die wirtschaftliche Expanision der Baufirma durch Aufträge im Deutschen Reich und im europäischen Ausland vorangetrieben. 1906 wurde das Unternehmen von einer Offenen Handelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandet. Grün wurde Aufsichtsratsvorsitzender. Zur selben Zeit ließ er sich von dem Karlsruher Architekten und Hochschulprofessor Hermann Billing in der Mollstraße eine Doppelvilla errichten. Er war seit 1876 mit der Pforzheimerin Elise Brehm (1854-1915) verheiratet. Mit ihr hatte er drei Kinder, die zur Zeit des Hausbaus schon erwachsen waren. Die Familie Grün belegte die etwas größere südliche Hälfte Mollstraße 40. Die nördliche Hälfte Mollstraße 42 mietete die Schwester von August Grün, Karoline und ihr Ehemann Ernst Geber, der in Mannheim-Rheinau ein Unternehmen für Schifffahrt, Spedition und Lagerung führte. Beide Gebäude haben im Zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer stark gelitten und wurden anschließend verändert wiederaufgebaut. Mollstraße 40 erhielt unter dem damaligen Eigentümer, dem Heidelberger Textilunternehmer Max Berk (1907-1993), ein höheres Dach. Mollstraße 42 wurde 1956 durch den damaligen Eigentümer, den Frankfurter Trifels-Verlag, um ein Geschoss aufgestockt. Der Abbruch der noch erhaltenen Vorhalle des Eingangsbereichs erfolgte im Jahre 1962. Damals verlegte man den Hauseingang um eine Fensterachse Richtung Grundstücksgrenze Mollstraße 40 und mauerte das große Treppenhausfenster über dem ehemaligen Eingang teilweise zu. Die prägnante Fassadenzier des Billing-Entwurfs und der Raumeindruck der großen Halle wurden damit empfindlich zerstört und das Erscheinungsbild unschön beeinträchtigt. Die Denkmaleigenschaft erhielt die Doppelvilla leider erst zehn Jahre später nach Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes. Von der historischen Innenausstattung ist nichts mehr erhalten.
1954 eröffnete die Fraunhofer-Gesellschaft in Mannheim in der Mollstraße 40-42 mit dem Institut für Angewandte Mikroskopie, Photographie und Kinematographie ihre erste eigene Forschungseinrichtung.
Erhebliche Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg führten zum veränderten Wiederaufbau.
- Mannheim und seine Bauten, Mannheim 1906, S. 326, 329
- Thomas Thalacker: Die private Bautätigkeit in Mannheim um 1900, in: Jugendstil - Architektur um 1900 in Mannheim, Mannheim 1986, S. 38, 53ff
- Die Friedhöfe in Mannheim, Mannheim 1992, S. 227
- Gerhard Kabierske: Der Architekt Hermann Billing (1867-1946). Leben und Werk, Karlsruhe 1996, S. 216ff
- Architekturführer Mannheim, Berlin 1999, S. 117
- Mannheim und seine Bauten, Bd. 5, Mannheim 2005, S. 15ff
- Bernhard Stier / Martin Krauß: Drei Wurzeln - ein Unternehmen. 125 Jahre Bilfinger Berger AG, Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel 2005, S. 17ff
- Karl-Heinz Schwarz-Pich: August Grün, in: Badische Biographien, N.F. 6, S. 156ff
- www.albert-gieseler.de (zu Geber & Mader, Schiffahrt, Spedition, Lagerung)
- Marchivum ZGS S 2/192 (Bilfinger)
- Mannheimer Morgen vom 23.01.2017 (Fraunhofer-Institut)
- Marchivum Zug. R 5/1975 Nr. 20604 (Abbruch des Eingangsvorbaus und Fassadenveränderung 1962)
ÖPNV Bus 60 (Haltestelle Maximilianstraße)
öffentlich nicht zugänglich