Verleihung «Mannheimer Stein» - 17. 3. 2019
Dankesrede bei der Verleihung des Mannheimer Steins an den Verein Rhein-Neckar-Industriekultur am 17. März 2019
Ein Stein – was fällt mir dazu ein? Meilenstein, Mühlstein - das geht schon eher in Richtung Industrie. Und jetzt „der Mannheimer Stein“! Herzlichen Dank ans Marchivum und an das MAB! Danke an Sie alle, dass Sie heute gekommen sind!
Unser Verein bekommt diesen Preis für die Dokumentation und Erforschung der Bau- und Architekturgeschichte unserer Stadt. Normalerweise denkt man da nicht zuerst an Industriebauten. Umso mehr freuen wir uns darüber, über eine Ehrung, die sonst vor allem Sponsoren galt. Die zum Ausdruck bringt, dass unsere Arbeit wertig ist.
Mit dem MAB und dem Stadtarchiv haben wir schon einiges zusammen erarbeitet. Vor 8 Jahren etwa holten wir aus dem alten Tresor im Keller der Genossenschaftlichen Burg zwei Arme voll Planrollen für dieses grandiose Gebäude. Herr Plachetka war selbst dabei als wir den Schatz gehoben haben.
Und dann die Einrichtung eines beschilderten Rundwegs um den Industriehafen vor 5 Jahren. Ein sehr intensives gemeinsames Projekt von Stadtarchiv und Industriekultur mit langem Vorlauf. Es sind mehr als 30 Tafeln. Immer wieder sieht man Leute im Hafen unterwegs, die sich die Tafeln durchlesen. Wir machen dort Radtouren zu den Mühlen, aber auch zum Thema Arisierung. Oder Besichtigungen in der GEG und im alten Klärwerk. Und erst recht die vielen Schiffstouren! Da halten wir uns etwa eine Stunde allein im Industriehafen auf!
All das trägt dazu bei, dass die Vielfalt an tollen Industrie-Gebäuden und Firmen-Geschichten überhaupt ins Bewusstsein der Mannheimer kommt. Wir haben sozusagen einen Stein ins Wasser geworfen. Und es wäre schön, wenn er noch mehr Wellen schlägt.
Allerdings müssen wir eingestehen, dass es auch Rückschläge gibt. Da sind Stadtbild prägende Gebäude abgerissen worden, wie z.B. das bei der Diffené-Brücke – ersetzt durch einen gesichtslosen Kasten. Oder der Schornstein am Beginn der Industriestraße – heute ein Parkplatz. Teile der Margarineunion sind zu Sandbergen geworden. All diese Gebäude standen ja nicht unter Denkmalschutz.
Als gefährdet schätzen wir die Situation des alten Rhenania-Lagerhauses bei der Kammerschleuse ein. Es steht nur teilweise unter Denkmalschutz. Auch die prächtige Pfälzer Mühle ist nicht mehr in Betrieb. Sie ist komplett unter Denkmalschutz, aber in der Tat ist es nicht leicht, für so große alte Industriegebäude eine passende Nach-Nutzung zu finden.
Das Thema Industriekultur ist in Mannheim ja noch kein Selbstläufer. Wir als kleiner, aber aktiver, ehrenamtlicher Verein ohne institutionelle Anbindung haben z.B. beim Stadtmarketing leider keinen Stein im Brett. Das müssen wir bedauernd feststellen. Da wird Mannheim vorrangig mit Schloss, Einkaufen und Parks beworben. Mit alter Industrie geht da nichts.
Ich springe jetzt mal gedanklich aus dem Industriehafen nach Käfertal.
Dass BBC zur sogenannten „Alten Industrie“ gehören werde, das hätte vor 20 Jahren noch niemand gedacht. Um was geht es konkret? Es geht um den Torbau, das große Klinkergebäude, das man stadtauswärts als erstes sieht. 80 Jahre alt, mit dem markante Torbogen und dem BBC-Logo. Sitz der Direktion und des Betriebsrats und seit 30 Jahren auch Schauplatz von existenziellen Auseinandersetzungen. Wir streben an, dass die obere Denkmalschutzbehörde eine Neubewertung vornimmt, und den Torbau doch noch unter Denkmalschutz stellt.
Der zähe Kampf der Belegschaft um den Erhalt der Arbeitsplätze hat den Torbau ja wirklich zu einem „heimatgeschichtlichen“ Symbol werden lassen – Das ist ein wichtiges Kriterium der Denkmalpflege. Noch ist er nicht vom Abriss bedroht, aber möglicherweise von Veränderungen. An seinem besonderen Schutz sollte ein „hohes öffentliches Interesse“ bestehen. Denn auch bei der Innenausstattung des Torbaus ist vieles im Original erhalten - vom stylischen Aufzug bis zum holzgetäfelten Sitzungszimmer. Das ist angesichts der langen Zeit von 80 Jahren und des dreimaligen Besitzerwechsels umso erstaunlicher.
Der Architekt des Torbaus, Karl-Wilhelm Ochs, wurde in der NS-Zeit von BBC-Mannheim fest angestellt, weil er als sog. Halbjude nicht mehr selbständig tätig sein durfte. Und weil er einfach überzeugend modern und funktional baute. Er wird in Berlin und Dresden als Architekt und Künstler geehrt. Da sollte Mannheim nicht hintanstehen!
Diesen Appell muss ich einfach loswerden, schon weil mir jetzt so viele kompetente Leute zuhören, die sich für Industrie-Architektur und Industrie-Geschichte interessieren und einsetzen.
Zum Schluss noch ein kleiner Werbeblock: Zum dritten Mal organisieren wir im August unsere Tage der Industriekultur, mit etwa 30 Veranstaltungen an 10 Tagen und zwar in der ganzen Rhein-Neckar-Region. Wer nicht so lange warten möchte: schon in der kommenden Woche gibt es einen Vortrag zum Thema Wasserfußabdruck und die Eröffnung der Wasserwege-Ausstellung in Heidelberg,
Zurück zum Stein, zum Mannheimer Stein: Er ist ziemlich eckig und kantig und wie gesagt kein Selbstläufer. Aber: gemeinsam kann man jeden Stein ins Rollen bringen. Ich danke Ihnen noch einmal ganz herzlich und freue mich auf weiterhin gute Zusammenarbeit mit dem Architektur- und Bauarchiv und mit dem Marchivum.
Barbara Ritter - Fotos: © Annette Schrimpf