Altes Volksbad Mannheim-Neckarstadt
Der dreigeschossige verputzte Eckbau trug ursprünglich ein Walmdach mit Einzelgauben. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde dieses durch ein durchlaufendes Fensterband als Vollgeschoss verändert wiederaufgebaut. Ein Gesimsband trennt das verklinkerte Sockelgeschoss von den darüber liegenden Putzflächen. Die Fenster des Untergeschosses haben ein quadratisches, die der beiden darüber liegenden Vollgeschosse ein hochrechteckiges Format. An der Mittelstraße befindet sich der Zugang zum Volksbad im Untergeschoss sowie die Tür zum Innenhof. An der Pflügersgrundstraße liegt der Eingang zum Verwaltungstrakt. Die beiden Publikumseingänge mit breitem Treppenaufgang weisen eine Portalrahmung über zwei Geschosse auf. Auch die Fenster sind mit einem Gewände aus Kunststein hervorgehoben und zeigen damit noch eine traditionelle Formengebung.
Der Sozial- und Verwaltungsbau ist mit seiner schlichten funktionalen Architektursprache und zurückhaltenden architektonischen Gliederung ein typisches Beispiel der Neuen Sachlichkeit. Er passte sich aber auch geschickt der architektonischen Gestaltung des in der Mittelstraße ursprünglich direkt angrenzenden und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Barockhauses der Bernhard-Kahn-Lesehalle an. Um die Bebauung in der unmittelbaren Nähe nicht allzu dominieren, wurde ein dreigeschossiger Entwurf zugunsten des zweigeschossigen aufgegeben.
Die Büros des Fürsorgeamtes wurden um eine geräumige helle Wartehalle, die mit einer Galerieebene über zwei Stockwerke reicht, angeordnet. Bodenbelag, Türrahmung, Treppengeländer sowie das Brüstungsgeländer des Galeriegeschosses stammen noch aus der Bauzeit. Zur Lenkung des zeitweise starken Publikumsverkehrs erhielt der Kassenraum im EG einen eigenen Ausgang. Die Büroräume wurden im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umgebaut und modernisiert.
Im Dachgeschoss lag ursprünglich die Wohnung des Bademeisters. Das Volksbad enthielt zunächst 40 Bäder und zwar 12 Wannenbäder und 28 Brausebäder. Schon 1934 wurde die Anlage mit 15 zusätzlichen Brausebädern erweitert. Dazu kommen die erforderlichen Warteräume, streng nach den Geschlechtern getrennt. Die großzügigen Räumlichkeiten wurden mit modernster Technik, zu der eine Dampfheizung und eine fortschrittliche Lüftungsanlage gehörten, ausgestattet.
Fürsorgeamt, Mütterberatungsstelle, Volksbad
zuletzt genutzt vom Sozialamt; Umbau für das Kreativzentrum Neckarstadt 2011-2012
Der Bürgerausschuss Mannheim beschloss im Jahre 1930 die Errichtung eines Fürsorgeamtes (Kreisstelle 3) als Zweigstelle für die Neckarstadt. Neben der dringend erforderlichen Modernisierung und Erweiterung des hier bereits bestehenden Volksbades war die Dezentralisierung des Fürsorgeamtes ein wesentlicher Anlass für den Neubau, da sich infolge der Weltwirtschaftskrise die räumliche und personelle Kapazität des zentralen städtischen Fürsorgeamtes als nicht mehr ausreichend erwiesen hat.
Bereits im Jahre 1890 - ein Jahr nach Einweihung des Wasserturms auf dem Friedrichsplatz und damit Inbetriebnahme der zentralen städtischen Wasserversorgung - war an der Stelle des heutigen Gebäudes das "Volksbrausebad Neckarstadt" mit 10 Brausezellen eröffnet worden. Über weitere innerstädtische Bademöglichkeiten verfügte später auch das 1920 eröffnete Herschelbad.
Das Volksbad Neckarstadt, das dem Städtischen Maschinenamt angeschlossen war, diente bis 1990 der städtischen Hygiene- und Gesundheitsvorsorge. Dann wurde es geschlossen.
Planung und Ausführung erfolgte durch das Städtische Hochbauamt unter Leitung von Stadtbaudirektor Josef Zizler (1881-1955). Am 15. März 1931 wurde das Verwaltungsgebäude zusammen mit dem Volksbad eröffnet. Nahezu 10000 Einwohner der Neckarstadt haben von der Möglichkeit einer Besichtigung Gebrauch gemacht. Das Gebäude dokumentiert die sozial- und gesundheitspolitische Fürsorgepflicht der Stadt Mannheim während der Weimarer Republik. Das Volksbad Neckarstadt ist mittlerweile ein selten gewordenes sozialgeschichtliches Zeugnis einer Epoche, in der private Bäder in den dicht belegten Mietswohnhäusern kaum verbreitet waren und zum teuren Luxus gehörten.
Besonders verdient gemacht um das Bauwerk hat sich in den letzten Jahren die Geschichtswerkstatt Neckarstadt, die die architektur-, sozial- und heimatgeschichtlichen Archivalien zum Bad erforscht und die Kulturdenkmaleigenschaft des Gebäudes angeregt hat.