Bernhardushof in Mannheim (Katholisches Vereinshaus mit Arbeiterschlafsälen)
Die Anlage erstreckt sich von K 1,5 in der Breiten Straße bis zur rückwärtigen Bauflucht K 1,15, K 1,16 sowie K 1,17 (bis 1985: K 1,17, K 1,17a und K 1,17b).
Als architektonischer Mittelpunkt wurde zwischen dem Trakt an der Breiten Straße und der rückwärtigen Kirchenstraße - gewissermaßen zwischen zwei Gebäuden - ein großer Versammlungsraum für 1500 Personen angeordnet. Der Hauptzugang des Bernhardushofs lag an der Breiten Straße in einem 38 m breiten neogotischen Bau mit Staffelgiebel und Erkertürmchen. Seitlich wird die Fassade mit Zwerchhäusern abgeschlossen. Die Balkon- und Erkerbrüstungen weisen neogotisches Maßwerk auf. Im Erdgeschoss zuseiten des Hauptzugangs waren ursprünglich fünf Läden untergebracht. Das Erdgeschoss wurde in den 1980er Jahren mit erheblichem architektonischen und handwerklichen Aufwand wieder rekonstruiert, nachdem die Fassade einige Jahrzehnte durch großformatige Schaufenster aufgerissen war. Ab 1997 beherbergte es das MVV-Kundenzentrum. Heute befindet sich hier das Job-Center.
Auch die Fassade des Bernhardushofs Richtung dem Quadrat K 2 weist einen hohen baukünstlerischen Anspruch auf. Die drei unterschiedlichen Besitzverhältnisse der Gebäude K 1,15, K 1,16 sowie K 1,17 werden durch leicht von einander abweichende Grün-Nuancen des Außenanstrichs deutlich. Der mittlere Teil, das viergeschossige Wohn- und Geschäfshaus K 1,16, ist ein stattlicher neugotischer Putzbau mit sehr reicher Gliederung aus rotem Sandstein. In der Mitte erhebt sich vor dem steilen Dach ein hoher Stufengiebel mit neogotischem Architekturschmuck. Ein schönes Inschriftenband weist auf das Jahr des Baubeginns "1899" hin. Ein niedriger Fachwerkrücksprung kennzeichnet die ehemalige Durchfahrt. Die Fensterformen wechseln zwischen Rund- und Segmentbogen sowie Rechteck. Vier reich verzierte Kielbögen ruhen auf ornamentierten Konsolen. Eine Inschrift verweist an der überlebensgroßen Fassadenfigur aus Kalkstein auf den Heiligen Joseph, der zu den wenigen in Mannheim erhaltenen Gebäudeplastiken gehört. Er steht auf einer Konsole und wird durch einen Baldachin geschützt. Der biblische Zimmermann und Bauhandwerker Joseph, Vater Jesus Christus, ist der Schutzpatron der Arbeiter. 1955 führte Papst Pius XII als kirchliches Pendant den 1. Mai sogar als Gedenktag "Joseph der Arbeiter" ein.
Im Innern des Hauses sind besonders die beiden straßenseitigen Säle im Erd- und ersten Obergeschoss sehenswert. Gusseiserne Säulen, Stuck, Lambrien und üppige Holzvertäfelungen in den Fensternischen geben den ehemaligen Versammlungs- und Essräumen ein repräsentatives Aussehen. Der obere war später Probebühne des Nationaltheaters, das nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in der Schauburg eine neue Heimstatt gefunden hatte. In dem Saal wurden die historischen Fenster originalgetreu erhalten und mit Isolierscheiben ergänzt. Zum Hof hin befindet sich im ersten Stockwerk ein weiterer Raum mit Stuckrahmen. An den Wänden der ehemaligen Schlafbereiche sind schöne Schablonenmalereien abgedeckt und geschützt unter den heutigen Tapeten erhalten geblieben. Es ist weitgehend gelungen, die historische Raumstruktur mit den Schlafräumen in eine moderne Wohnnutzung zu übernehmen.
Die ebenfalls zum historischen Bernhardushof gehörenden beiden Wohngebäude K 1,15 und K 1,17 sind durch Erker, Fenster- und Haustürrahmung mit neogotischen Schmuckelementen wie Maßwerk oder Kielbogen hervorgehoben. In K 1,15 wurden die Fenster im Erdgeschoss durch Entfernen der Mittelpfosten später verbreitert. Die drei Häuser K 1,15 bis K 1,17 boten mit 100 Schlafstellen zahlreichen ledigen wohnungslosen bzw. wandernden Arbeitern Unterkunft.
katholisches Vereinshaus mit Versammlungsstätte, Veranstaltungsräumen und Arbeiterschlafsälen
Wohn- und Geschäftsgebäude
Über das Quadrat K 1 verlief ehemals die barocke Stadtbefestigung. Die Bebauung der Parzellen setzte erst nach 1850 ein. Am 16.12.1900 wurde der nach Plänen des Mannheimer Architekten Rudolf Tillessen (1857-1926) errichtete Bernhardushof als Vereinshaus mit Schlafsälen eingeweiht. Hinter der Auftraggeberin, der Katholischen Vereinshaus GmbH, stand in erster Linie der 1890 als christliche Arbeiterbewegung gegründete Katholische Arbeiterverein Mannheim, der immerhin mehr als 1000 Mitglieder zählte.
Der Bezug zum 1769 selig gesprochenen Markgraf Bernhard II von Baden (1428/29 - 1458) soll die missionarischen, aber auch caritativen Ziele der Bauherrin in der Arbeiterstadt Mannheim unterstreichen. Schon Prälat Joseph Bauer beklagte 1898 nämlich, dass es keine andere Stadt gebe, wo so viel gearbeitet, aber so wenig gebetet wird wie in Mannheim. Um dem abzuhelfen wurde zehn Jahre später die christliche Gewerkschaftsbewegung ins Leben gerufen. Mehrere christliche Einzelgewerkschaften nahmen ihren Sitz im Bernhardushof. Wenige Jahre nach Eröffnung nahm der 1856 gegründete katholische Gesellenverein den rückwärtigen Gebäudekomplex in Besitz. Der Übernachtungs- und Verpflegungsbetrieb wurde von katholischen Ordensschwestern und einem Hausmeister betreut.
Ab 1918 beherbergte das Gebäude u.a. auch das Lichtspieltheater "Schauburg". Um 1935 ging der Trakt in der Breiten Straße in das Eigentum der Nederlandsche Bankinstelling Den Haag über, während der rückwärtige Teil von der Städtischen Sparkasse Mannheim übernommen wurde. Diese veräußerte die ihr gehörenden Gebäude schon bald weiter an drei Privateigentümer. Seitdem ist der ursprüngliche Komplex in vier Eigentumsanteile aufgelöst. Der große Saal in K 1,5 wurde ab 1945 zu einer Ersatzspielstätte des Nationaltheaters umfunktioniert. Das Hauptgebäude an der Breiten Straße hat heute weitgehend eine Büronutzung. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb der Mannheimer Spediteur Hans Danderski das Anwesen K 1,17a (heute K 1,16). Kurz danach zog die Jugendbetreuungsstelle der Arbeiterwohlfahrt hier ein. Es wurde später als Übergangs- und Durchgangsheim des Stadtjugendamts, als Arbeiterwohnheim und die letzten Jahrzehnte als Türkisches Volkshaus genutzt. Nach Auszug des Türkischen Volkshauses im Jahre 2004 erwarb die Firma DEUGE Immobilien GmbH das Anwesen Anfang 2007 und führte umfangreiche Sanierungs- und Rückbauarbeiten für die zukünftige Wohn- und gewerbliche Nutzung durch. Nach Fertigstellung 2011 wurde K 1,16 weiter veräußert.
- Mannheim und seine Bauten, (ersch. Mannheim 1906), S. 174-176
- Andrea Hoffend: Das katholische Vereinshaus Bernhardushof in K 1, in: Mannheim-Archiv (Loseblatt-Sammlung Stadtarchiv Mannheim)