Der „Riesenspargel” – Wasserturm in Hockenheim
„Riesenspargel“ wird der Hockenheimer Wasserturm gerne genannt, ein bemerkenswertes Wahrzeichen der Spargelgemeinde Hockenheim. Weiß und golden, in dezenter Jugendstildekoration, ragt er mit einer grünen, kupfergedeckten Kuppel 46 Meter in der flachen Landschaft auf. Er ist zylindrisch in schwach verjüngter Form, an der Basis misst der Durchmesser 12,20 Meter, oben 11,20 Meter. Die Balustrade ist rundum begehbar, sie läuft wie ein Ring außen am Turm auf der Höhe des Wasserbehälters. Die Umgebung des Wasserturms ist durch eine Anlage mit Blumen und Bäumen parkartig gestaltet.
Der Turm ist weiß verputzt mit einer im Jugendstil gerne verwendeten Struktur, dem Kammputz. Fingerbreite waagrecht laufende Rillen lassen ihn gekämmt wirken. Über dem Eingang ist das bunte Stadtwappen montiert. Der Turm ist 40,70 Meter hoch, der Behälter fasst 500 Kubikmeter Wasser. Der untere Rand der Wasserschüssel beginnt in 26 Meter Höhe.
Der Turm wird gewöhnlich am Tag es offenen Denkmals geöffnet. Man kann dann die ganze Betonkonstruktion von innen begutachten, die Treppen besteigen und sogar einen Blick von oben in das leere Wasserbassin werfen und die Leitungs- und Anschluss-Systeme verfolgen – eine ganz seltene Möglichkeit in der gesamten Region. Die Aussicht von der Balustrade geht weit ins flache Land.
Wasserturm
teilweise als Veranstaltungsort
Als 1895 Großherzog Friedrich I. von Baden der Ortschaft Hockenheim mit ihren 7.000 Einwohnern die Stadtrechte verleiht, kommt auch alsbald der Wunsch nach einer stadtgemäßen leitungsgebundenen Trinkwasserversorgung auf. Bisher versorgen sich die Bewohner*innen über mehrere öffentliche Brunnen oder private Brunnen auf eigenem Grundstück.
Anlaufschwierigkeiten
1899 fasst der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss zur Einrichtung einer leitungsgebunden Wasserversorgung und versucht auch die Nachbargemeinden für dieses große kommunale Vorhaben zu gewinnen. Aber das Projekt ist teuer - ein Aufwand von insgesamt 220 000 Mark ist für Pumpwerk, Wasserturm und Leitungsnetz geplant. Zu teuer: die Nachbargemeinden springen ab.
Die Stadt Hockenheim kann 50.000 Mark beisteuern, der Rest muss als Kredit bei der Rheinischen Hypotheken-Bank Mannheim aufgenommen werden. Der Baubeginn verzögert sich um ein Jahrzehnt. Erst auf Drängen des Bezirksamts wird die städtische Wasserversorgung in Angriff genommen.
Zwei Jahre Bauzeit
1909 ist Baubeginn des Pumpwerks am Rand des Hardtwaldes, gut zwei Kilometer vom Wasserturm entfernt. 12 Km an Leitungen werden im Ort verlegt und der Wasserturm gebaut. Der allein kostet 61.398 Mark, er wird von der Mannheimer Dyckerhoff und Wittmann AG zu einem Festpreis in moderner Betonbauweise errichtet.
Andere Wassertürme sind bisher aus massiven Backsteinmauern. Da sticht der weiß verputzte, „gekämmte“ Spargel-Wasserturm deutlich heraus. Tatsächlich löst zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Anbau von Spargel den Hopfen als Hauptverdienstquelle ab. Das gesamte Projekt ist in zwei Jahren 1911 fertiggestellt. In den folgenden Jahren muss das Wassernetz ständig ausgebaut werden, heute umfasst es 90 Kilometer. 1960 wird der Wasserturm renoviert, und bleibt in Betrieb bis 1981. Inzwischen hat sich ein Wasserzweckverband „Südkreis Mannheim“ mit den Gemeinden Hockenheim, Altlußheim, Neulußheim, Reilingen gebildet, prinzipiell eine alte gute Idee.
Außer Betrieb
Seit 1981 kommt das Wasser aus dem Gemeinschaftswasserwerk Reilingen mit 7 Brunnen im Lußhardtwald. Die Hockenheimer Brunnenanlagen, das Pumpwerk (heute Kultur und Jugendzentrum) und der Wasserturm haben seither wassertechnisch keine Funktion mehr, sie sind aber erhalten. Der Wasserturm ist technisches Denkmal und Veranstaltungsort. 2009 – zur 100 Jahrfeier – noch einmal renoviert, dient er seit 2012 auch für standesamtliche Trauungen.