Die Futtermühle im Industriehafen
Acht massige gelbe Silos, in Reihe aufgestellt und ein hohes Gebäude, vollständig mit Trapezblech verkleidet, präsentieren die Marke CLUB. In der Kette von Mühlengebäuden am Westufer des Industriehafens ist es nicht falsch, den Betrieb ebenfalls dieser Branche zuzuordnen. Es ist eine „Futtermühle“, die Tiernahrung herstellt. Hinter der Fassade finden Zerkleinerungs-, Dosierungs- und Mischprozesse statt, die durchaus mit einem Mühlenbetrieb vergleichbar sind. Da Tiermischfutter vor allem in Form von Pellets hergestellt wird, kommen als Produktionsschritte noch Pressen, Extrudieren und Kühlen hinzu.
Beim landseitigen Eingang in der Franzosenstraße ist neben CLUB auch die Marke DEUKA auf die Fahnen geschrieben. Die Marke „Club“ geht auf den „Club der Legehennenhalter“ zurück, der mit seinem Hühnerfutter beste Erfolge erzielt haben soll. Seit 1927 lautet der Werbespruch „Clubkraft - Eier schafft“, der noch vielen älteren Hühnerhalter*innen ein Begriff ist. DEUKA war die Marke von „Deutsche Tiernahrung GmbH & Co. KG“. Seit 2007 gehört sie zur Cremer-Gruppe (siehe Geschichte). Das Verwaltungsgebäude ist ein schlichter Zweckbau. Das Mannheimer Werk wurde in den 1960er Jahren als Betonbau aufgebaut. Die Fassade war etwas in die Jahre gekommen und deshalb ca. 2009 rund herum mit Trapezblech in gelben und blau-grauen Tönen eingekleidet.
Man muss schon genau hinschauen, dann fallen kleine Relikte aus einer anderen Zeit auf. Direkt am Wasser - und von Land nicht einsehbar - duckt sich eine Gruppe ein- bis zweigeschossiger Bauten, die deutlich älter sind als hohe Gebäude aus den 1960er Jahren. Die Gebäude sind aus Klinkern gebaut, der hell getünchte Giebel ist schwungvoll abgerundet. Von hier aus führt ein Steg zur Entladeanlage auf das Wasser. Hier ist noch ein verwittertes Schild mit „Clubkraft - Kraftfutterwerk“ angebracht.
Hauptbestandteile der Produktion von Mischfutter sind:
- Heimisches Getreide wie Weizen, Gerste, Roggen, Mais, Triticale (= Kreuzung aus Weizen und Roggen), Hafer,
- Hülsenfrüchte wie Ackerbohnen, Erbsen, Wicken und Lupine,
- Neben- und Abfallprodukte von Lebensmittelbetrieben wie Ölmühlen (Soja-, Raps-Schrot), Brauereien (Biertreber, Malzkeime), Mühlen (Kleie), Zuckerfabriken (Melasseschnitzel), Safthersteller (Obsttreber), Bioethanol-Hersteller (Trockenschlempe). Molkereien (Magermilchpulver),
- Fette und Öle,
- „Exotische“ Zutaten wie Palmkern-Expeller (Reststoffe nach dem Abpressen von Öl), Maniok und Sorghum. Die Hauptanbaugebiete sind neben den USA, Südamerika, Nigeria und Indien. Mehr Informationen dazu unter: www.deuka.de/lexikon/?char=p,
- Mineralstoffe,
- „Innovative Futterkomponenten“ und Nahrungsergänzungsmitteln.
Als Folge eines Skandals um mit Dioxin belastetes Tierfutter aus den USA traten 2012 EU-weit strenge Regeln für Futtermittel in Kraft. Mehr Informationen dazu unter: www.aerzteblatt.de/nachrichten/51663/Nach-Dioxin-Skandal-EU-weit-strengere-Futtermittel-Kontrollen.
Futtermühle
Futtermühle
Warum Franzosenstraße?
Das Westufer des Industriehafens hatte früher den Namen „Franzosenufer“, das Ostufer wurde „Russenufer“ benannt und das Ufer im Kaiser-Wilhelm-Becken „Preußenufer“. Hintergrund ist der militaristische Zeitgeist des Kaiserreichs, das mit der Namensgebung an die Befreiungskriege von 1813-1815 gegen Napoleon erinnerte. Im heutigen Gebiet des Industriehafens spielten sich im Januar 1814 dramatische Szenen ab: preußische und russische Truppen trafen auf die napoleonischen Truppen. Sie überquerten den Rhein (der noch nicht begradigt war) und eroberten die französische Schanze am linken Rheinufer. Im Januar 1914 erstellte der Mannheimer Militärverein in Anwesenheit des Großherzogs einen Obelisk mit Kanonenkugeln auf (Friesenheimer Straße 3). Eine Franzosenstraße war inzwischen auch geschaffen worden, wenn auch nur eine kurze Sackgasse.
Die Geschichte des Geländes an der Franzosenstraße
Das Westufer des Industriehafens ist im Gegensatz zum Ostufer 1907 noch sehr dünn besiedelt, nur die Pfalzmühle und die Hildebrandmühle sind schon angesiedelt. Das Gelände des heutigen Futtermittelwerks ist noch völlig unbebaut. Es gibt auch keine Franzosenstaße.
Ein Stadtplan von 1913 weist auf dem Gelände drei Parzellen aus, eine bebaute von Leopold Kahn direkt am Wasser und an der Hombusch-Straße. Es ist bisher nicht bekannt, was dort produziert oder gehandelt wurde. Eine unbebaute Nachbar-Parzelle gehört L. Cahn und eine weitere der „Öllagergesellschaft mbH“. Jetzt gibt es auch die Franzosenstraße.
Der Hansa-Speicher
1922 macht die „Speditionsgesellschaft HANSA GmbH“ mit der Telegrammadresse „Hansaspeicher“ ganzseite Werbung in dem Buch „Deutsche Städte - Mannheim“. Und tatsächlich ist ein fünfgeschossiger Speicher auf Fotografien neben der Hildebrandmühle erkennbar, leider immer nur im Hintergrund.
Sie bietet „Verfrachtung und Lagerung in einem neuzeitlich eingerichteten Getreidespeicher“ an, mit Elevator, Silos, Schüttböden, großen luftigen Räumen zur Lagerung gesackter Ware; als Dienstleistung die Reinigung und Entstaubung von Getreide und Sämereien. Außerdem gibt es ein großes Gelände zur Lagerung von Gütern im Freien. Das Ganze liegt direkt am Hafenbecken, der Bahnanschluss hat mehrere Gleise. Das Schicksal dieses Speicherbaus ist bisher noch nicht erforscht. In den 1960er Jahren scheint er nicht mehr existiert zu haben.
Bis 2009 stand an der Hombuschstraße, ca. 50 Meter vom Ufer entfernt, noch ein älterer Klinkerbau. Seit dem Abriss des Hauses, das möglicherweise einmal zum Hansa-Areal gehört hatte, ist das Gelände unbebaut.
Geschichte der Futtermühle – Die Cremergruppe
Das „Clubkraft - Kraftfutterwerk“ ist seit den 1960er Jahren am Industriehafen in der Franzosenstraße 3-7 ansässig. Es gehört seit 2007 zum Futtermittelhersteller der Cremer Gruppe „Deutsche Tiernahrung Cremer GmbH & Co. KG“, die in Deutschland mehrere Mischfutterwerke betreibt. Die Peter-Cremer-Holding ist noch in vielen anderen Geschäftsbereichen weltweit tätig, z.B. als Reederei mit Niederlassungen in Asien und Südamerika, bei der Herstellung und Handel mit Grundstoffen für die Kosmetik-, Pharma- und Nahrungsmittelindustrie sowie im Biodiesel-Geschäft. Mehr Infos unter: www.cremer.de/de/unternehmen.html