Ehem. Zigarrenfabrik „B. Hochherr & Co GmbH“
In der Endphase der Weimarer Republik ließ die Heidelberger Zigarrenfabrik „Hochherr & Co GmbH“ in der dortigen Weststadt an der Ringstraße einen damals modernen Fabrikbau im Bauhaustil erstellen, der sich – durch Aufstockungen und Umbauten im Laufe der Zeit verändert - erhalten hat.
Dabei handelt es sich um ein dreieckiges Stahlskelettgebäude mit Klinkerfassade und dreieckigem Innenhof. Die Klinkerfassade wurde durch sogenannte Rollschichten – Reihen mit senkrecht stehenden Klinkern – gegliedert. Ursprünglich geplante Scheddächer, die dem Dachbereich teilweise eine sägeförmige Silhouette verliehen hätten, kamen wegen des Widerstands der Stadt Heidelberg nicht zur Ausführung. Anfänglich enthielt die Fabrik auch Wohnungen für die Werkmeister. Das Bauwerk wurde später durch Aufstockungen und Umbauten verändert; insbesondere wurden die Fenster vergrößert, wodurch auch einige der Rollschichten verloren gingen. Die historischen Fenster sind nur im Erdgeschoß teilweise erhalten. Die ursprüngliche Bausubstanz ist an den dunkleren Klinkern erkennbar.
Zigarrenfabrik
Bürogebäude
Die Zigarrenfabrik wurde 1898 von Bernhard Hochherr (1870-1942) in Massenbachhausen im südöstlichen Kraichgau begründet. Schnell richtete das Unternehmen Filialbetriebe in anderen Kraichgau-Gemeinden ein. 1908 schied der Firmengründer Bernhard Hochherr aus dem Unternehmen aus und die Fabrik wurde von seinen jüngeren Brüdern Ferdinand Hochherr (geboren 1873) und Simon Hochherr (geboren 1883) weiterbetrieben. 1911 verlegte sie ihren Hauptsitz nach Walldorf und zog im Inflationsjahr 1923 schließlich nach Heidelberg um. 1925 beschäftigte das Unternehmen an verschiedenen Standorten 413 Arbeitnehmer. Zunächst im Stadtteil Neuenheim ansässig, ließ die Firma ab 1929 an der Ringstraße auf einem dreieckigen, von Hilda- und Kaiserstraße begrenzten Grundstück, nach Plänen des Frankfurter Architekten Fritz Nathan ein neues Fabrikgebäude im Bauhausstil erstellen.
Die im Herbst 1929 begonnene Weltwirtschaftskrise hatte spürbare Auswirkungen auf den Geschäftsgang der Fabrik. Im September 1931 musste die Produktion von Stumpen eingestellt werden.
Während des Dritten Reichs wurden die jüdischen Eigentümer aus der Firma gedrängt. Im Mai 1938 trat das Unternehmen „Kessing und Thiele“ aus Bünde bei Bielefeld als Teilhaber ein. Wenige Wochen später schieden Ferdinand und Simon Hochherr aus dem Unternehmen aus. 1939 wurde der Firmenname in „Thiele & Co“ geändert; das bisherige Firmenlogo aber beibehalten. Nach dem Ausstieg aus dem Unternehmen konnten Ferdinand und Simon Hochherr nach Holland emigrieren, wurden aber 1943 in Sobibor bzw. 1944 in Auschwitz Opfer des Rassenwahns. Ferdinand Hochherr hatte mit seiner Frau Eva und den Kindern in den 1930er Jahren unweit der Fabrik in der Kaiserstraße 29 gewohnt. Heute erinnern dort mehrere Stolpersteine an sie.
1956 verkauften die Erben von Ferdinand und Simon Hochherr das Fabrikgebäude an das Bekleidungsunternehmen „Betty Barclay“. Heute wird das Anwesen als Bürogebäude genutzt.
- Heinrich Hörtdörfer, Die Cigarren- und Stumpenfabrik B. Hochherr & Co GmbH in Heidelberg, in: Heidelberg – Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 26 (2022), S. 167-175.
- Andreas Schenk, Die Zigarrenfabrik und ihr Architekt Fritz Nathan, in: Heidelberg – Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 26 (2022), S. 177-181.