Ehemalige Glockengießerei Heidelberg

Im Laufe seiner Geschichte wurden in Heidelberg nicht nur Bier gebraut, Farben hergestellt, Zigarren gedreht, Eisenbahnwagen gefertigt oder Zement gebrannt, sondern für rund drei Jahrzehnte durch die „Heidelberger Glockengießerei“ auch Kirchenglocken gegossen. An das Unternehmen erinnert heute ein an seinem ehemaligen Standort in Bergheim unweit der Stadtbücherei errichtetes Denkmal.

Nutzung (ursprünglich)

Glockengießerei

Nutzung (derzeit)

Wohngebiet

Geschichte

Die „Heidelberger Glockengießerei“ wurde 1949 von Friedrich Wilhelm Schilling begründet. Schilling entstammte einer angesehenen Glockengießerfamilie aus dem thüringischen Apolda. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah er für sich in Thüringen, das nun zur sowjetischen Besatzungszone gehörte, keine Zukunft und ließ sich in Heidelberg nieder, wo er 1949 eine Glockengießerei eröffnete.

Während des Zweiten Weltkriegs waren nicht nur viele deutsche Kirchen infolge der alliierten Luftangriffe zerstört worden, das Gros der deutschen Gotteshäuser hatte zudem seine (hochwertigen) Glocken der Rüstungsindustrie zur Verfügung stellen müssen. In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche neue Glocken für die Kirchen der Bundesrepublik in Heidelberg gegossen. So das Geläut der Lorenzkirche in Nürnberg oder die Glocken für den Eichstädter Dom. Bei Schilling gingen aber auch Bestellungen aus dem Ausland ein.

Anfang August 1965 geriet die Heidelberger Glockengießerei unerwartet in die Schlagzeilen der überregionalen Presse, als dort das Opfer eines Raub- und Sexualmords gefunden wurde. Allerdings war die Glockengießerei wohl nicht der Tatort, sondern vermutlich nur der Ablageort der Leiche. Eine Studentin aus Marburg wollte in Heidelberg an einer akademischen Veranstaltung teilnehmen. Nach ihrer abendlichen Ankunft in der Universitätsstadt wurde sie am nahen Hauptbahnhof zum letzten Mal lebend gesehen. Am nächsten Tag wurde ihre Leiche auf dem Gelände der Glockengießerei Schilling gefunden.

Nach dem Tod Friedrich Wilhelm Schillings im Juni 1971 wurde die Gießerei durch einen Mitarbeiter weiterbetrieben. Auch das Nachfolgeunternehmen war überregional aktiv. So wurden 1975 und 1977 Glocken für das Straßburger Münster in Heidelberg gefertigt.  

1982 fusionierte der Betrieb mit der Karlsruher Firma Metz und die Produktionsstätte in Heidelberg wurde anschließend aufgegeben. Nach Schließung des Unternehmens kam in dem Anwesen ein autonomes Zentrum unter. 1999 wurde das ehemalige Fabrikareal abgeräumt und anschließend mit Wohnhäusern bebaut.

Quellen:
  • Dieter Schmidt: Friedrich Wilhelm Schilling - Leben und Werk, Nürnberg 1992.
  • Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg), 1. Dezember 1953 (Bericht über den Glockenguss).
  • Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg), 3. und 5. August 1965 (Berichterstattung über den Leichenfund in der Heidelberger Glockengießerei).
Bauzeit / Umbauten
jetzige Bebauung nach 1999
Baubestand

Das Areal der ehemaligen Glockengießerei in Heidelberg wurde Ende der 1990er Jahre abgerissen und mit Wohngebäuden bebaut. Zur Erinnerung an den ehemaligen Industriebetrieb ließ das damit beauftragte Immobilienunternehmen damals ein Denkmal mit zwei Glocken erstellen, von denen eine eigens auf dem ehemaligen Fabrikgelände dafür gegossen wurde. Zudem erinnern dort heute mehrere Blauglockenbäume an das Unternehmen. Derartige Bäume sollen schon von Friedrich Wilhelm Schilling auf dem Fabrikareal gepflanzt worden sein.

Autor*in
Sebastian Parzer
Objektnummer
416
Adresse
Alte Glockengießerei 9
69115 Heidelberg
Geo
49.406912718532, 8.68547235
Zufahrt

Nächste Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs: Stadtbücherei

Denkmalschutz
Nein