Ehemalige Süddeutsche Bank, jetzt Städtisches Leihamt Mannheim
Am ehemaligen Fruchtmarkt, heute als Toulon-Platz bekannt, erhebt sich gegenüber der Börse das mächtige Gebäude der ehemaligen "Süddeutschen Bank“. Wie ein italienischer Palazzo überragt es die Nachbargebäude. Das Bauwerk im Stil der Neorenaissance ist das am besten erhaltene Bankgebäude Mannheims aus der Kaiserzeit. Heute ist dort das Städtische Leihamt untergebracht, im Volksmund auch die „die Bank der kleinen Leute“ genannt.
Wie ein italienischer Palazzo überragt es die Nachbargebäude. Seine helle Fassade aus Vogesen-Sandstein ist stark waagrecht strukturiert. Balkone, Ziergiebel, Fenster mit Rundbögen, von Säulen und Pilastern gerahmt – eine überbordende Architektur, die den Reichtum und die Macht repräsentativ nach außen trägt. Auf der Höhe des ersten Obergeschosses ist ein Balkon, dessen Brüstung das Wappen der Stadt Mannheim zeigt. Die beiden Figuren auf Höhe des zweiten Obergeschosses symbolisieren die Landwirtschaft und die Industrie. Oberhalb des Eingangs grüßt eine Sandsteinbüste, die den Götterboten Hermes (lateinisch Merkur) mit seinem geflügelten Hut darstellt, den Gott des Handels. Fast schon beleidigend banal wirkt darunter der Leuchtkasten mit der Aufschrift „Leihamt“.
Doch im Innere des Gebäudes geht die Märchenschloss-Atmosphäre weiter: wie ein überdachter Innenhof öffnet sich die Schalterhalle. Hier sind die Beratungszonen und die Kasse untergebracht: der Boden - schwarz-weiß kariert, außen mit rot umrandet, Designermöbel für die Informationstheke, alles lichtdurchflutet.
Die gusseiserne Treppe und Galerie ist mit goldenen Applikationen versehen. Sie wurde von der Mannheimer "AG für Eisen- und Bronzegießerei, vormals Carl Flink" gefertigt und führt zum Auktionssaal. Die Galerie zieht sich offen über zwei Stockwerke bis zu einer faszinierenden Dachkonstruktion aus Stahl und farbigem Glas. In der Mitte hängt ein monumentaler Prachtlüster aus hunderten von Glasstäben. Man glaubt es sofort, dass er 500 Kilo wiegt.
Was für ein Kontrast zum dem Bild, das man bei „Leihamt“ schnell im Kopf hat oder aus Filmen kennt! „Das letzte Hemd versetzt“ - das assoziieren viele mit dem Begriff „Leihamt“. Armut, Elend, vielleicht auch Leichtsinn. Und dann steht man in dem prächtigen Foyer des Mannheimer Leihamtes, fasziniert und irritiert zugleich. Kann man denn hier sicher sein, nicht übers Ohr gehauen zu werden? Wie kann das eine „Bank der kleinen Leute“ sein?
Bankgebäude
Bürogebäude, Städtisches Leihamt
Die „Süddeutsche Bank“
Die "Süddeutsche Bank" wurde am 16. Juli 1896 gegründet. Schon ein Blick auf die Gründer zeigt eine enge Verflechtung mit der lokalen Industrie. Unter ihnen befanden sich Edmund Hofmann, der Direktor der Mannheimer "Eichbaumbrauerei", Dr. Gustav Schneider vom "Verein Chemischer Fabriken" und der Ludwigshafener Ziegelfabrikant Franz Ludovici. In den Aufsichtsrat wurde u. a. Heinrich Röchling aus Ludwigshafen gewählt. Die "Süddeutsche Bank" war an der Enstehung mehrerer Aktiengesellschaften beteiligt. So 1897 an der Gründung der "Rheinischen Schuckert-Gesellschaft" (der späteren "Rheinelektra") und 1899 an der Gründung der "Telegraphendraht- und Kabelfabrik AG, vormals Schacher". Darüber hinaus gab es noch eine weitere Verbindung zur regionalen Industriegeschichte. Denn das Bankhaus engagierte sich bei Baukonsortien, die aufgelassene Fabrikareale in Wohngebiete umwandelten. Als Beispiele seien das Mannheimer Zementwerk im Jungbusch, die erste Niederlassung der Firma Heinrich Lanz in der Schwetzingerstadt und die Waggonfabrik Ludwigshafen genannt.
Das Gebäude der "Süddeutschen Bank" wurde in den Jahren 1900/01 nach Plänen der Mannheimer Architekten Philipp Jelmoli und Karl Blatt im Neorenaissancestil errichtet. Es konnte Mitte September 1901 bezogen werden.
1911 fusionierte die "Süddeutsche Bank" mit der "Pfälzischen Bank" aus Ludwigshafen. Danach führte man die Geschäfte unter der Bezeichnung "Süddeutsche Bank Abteilung der Pfälzischen Bank" fort. Nachdem die "Pfälzische Bank" in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, musste sie zu Beginn der 1920er Jahre von der "Deutschen Bank" und der "Rheinischen Creditbank" übernommen werden. Anschließend wurde in D 4, 9/10 die Handelsschule untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen in das Haus Teile der Verwaltung der Firma Heinrich Lanz und später eine Filiale der "Deutschen Bank" ein. Seit 1990 wird es vom Städtischen Leihamt genutzt.
Geschichtes des städtischen Leihamtes
Die ersten 100 Jahre
Tatsächlich wurde das Leihamt in Mannheim 1809 gegründet, um dem Wucher der privaten Pfandleiher etwas entgegen zu setzen. Es war das erste städtische Leihamt im Großherzogtum Baden. Zunächst war es im „Alten Kaufhaus“ in N1 untergebracht. Die Satzung legte die Regeln der Beleihung, die Gebühren, die staatliche Kontrolle und die städtische Gewährsträgerschaft fest, es sollte damit „dem Besten der bedürftigen Volksklasse … dienen“.
Ab 1896 gab es keine privaten Pfandleiher mehr in Mannheim. Das städtische Leihamt nahm einen gewaltigen Aufschwung und musste schon allein aus Platzgründen mehrmals umziehen. 80% der Pfänder waren damals Kleidungsstücke oder Weißwäsche. Das Mannheimer Leihamt galt dabei als vorbildlich.
Es achtete auf Hygiene der Faustpfänder (Vorsorge von Ansteckung mit TBC und vor Mottenfraß, der den Wert des Pfandes beeinträchtige). In gesellschaftlichen Krisenzeiten stieg der Anteil der nicht ausgelösten Pfänder, bei Versteigerungen fanden vor allem Gebrauchsgegenstände Abnehmer.
NS-Raubzug und Rückerstattung
In der NS-Zeit zog das Leihamt 1936 in den fünfstöckigen Verwaltungsbau der ehemaligen Gummi-, Guttapercha- und Asphaltfabrik in die Schwetzinger Stadt (Taitteurstraße Ecke Schwetzinger-Straße), ein Bau mit raffinierte Logistik: Leuchtsignalanlage zur Kommunikation, Wendelrutsche, und 11,5 km freischwebender Kleiderstangen, 500 Meter Wäschegestelle, mottenabweisende Blauverglasung des Pelzdepots.
Obwohl es bereits seit rund 40 Jahren keine Pfandleiher mehr gab, und damit auch keine jüdischen Pfandleiher, nutzten die Nazis das Leihhaus zur antisemitischen Propaganda. Darüber hinaus banden sie es in ihre rassistischen Verfolgungsmaßnahmen ein. Bei der sogenannten „Edelmetallaktion“ im Jahr 1938/39 mussten Juden ihren Schmuck und alle Silberwaren wie Besteck und Kultgegenstände beim Leihamt abliefern. Der nur mühsam als „Ankauf“ getarnte Raub betraf mehr als 2500 jüdische Familien. Nach dem Krieg machte das Leihamt und die Stadt, als Träger des Leihamtes, eine schwere Zitterpartie durch. Etliche Prozesse drehten sich um die Rückerstattungsansprüche gegen das Leihamt, gegen die Stadt und ihre Akteure, denen Schadensersatz und Anklagen wegen Raub und Veruntreuung ins Haus standen. Letztlich übernahm der Bund die Restitutionslasten.
Die Zeit nach 1945 bis heute
In Mannheim war das Leihamt nach der Kriegszerstörung von 1944 bis 1950 geschlossen. Gleichzeitig wurden 1949 private Pfandleiher wieder zugelassen. Im Herbst 1950 öffnete das städtische Leihamt in C7 1-4 wieder, allerdings mit hohen Gebühren. Ende der 1950er Jahre wurde das 150 Jahre erprobte Prinzip der Anonymität aufgehoben. Obwohl der Anteil der Pfänder mit kriminellem Hintergrund nur etwa 0,5 % betragen hatte, wurden immer wieder Vorstöße gegen angebliche Hehler als Kunden des Leihamts lanciert, bis schlussendlich1965 die Ausweispflicht eingeführt wurde. In den 1970er Jahren diskutierte man gar vorübergehend die Schließung des städtischen Leihamtes, wie sie in anderen Städten bereits praktiziert wurde. Doch dank des öffentlichen Zuspruch und einer Umstrukturierung zu moderner Dienstleistung und größerer Kundenfreundlichkeit konnte sich das Leihamt behaupten.
Seit 1990 residiert das Städtische Leihamt im repräsentativen Prachtbau in D 4. 9 – 10. Den Erwerb und die denkmalgerechte Sanierung bestritt es aus eigenen Mitteln.
Bis heute spielt das Leihamt eine wichtige Rolle: nicht nur bei kurzfristigen Geldnöten kann man dort einen Pfandkredit bekommen, auch beim An- und Verkauf von z.B. Schmuck, Uhren und Porzellan wird man hier vertrauenswürdig beraten. Jahresüberschüsse des Leihamtes gehen satzungsgemäß an den Sozialhaushalt der Kommune und werden sozialen Zwecken zugeführt.
- Felix Hecht, Mannheimer Banken 1870 bis 1900 - Beiträge zur praktischen Bankpolitik, Mannheim 1902, S. 63f.
- Eustach Mayr, Kapitalbedarf und Kapitalbeschaffung der Industrie in Mannheim, Ludwigshafen a. Rh., und Frankenthal, Karlsruhe 1910, S. 39-43.
- General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, 15. Juli 1921 - Abendausgabe (Bericht anlässlich des 25-jährigen Bestehens).
- Andreas Schenk, Architekturführer Mannheim, Berlin 1999, S. 30.
- Carl-Jochen Müller, Der große Schank von Mannheim, Aus der Chronik des Stdtischen Leihamts, 2009