Ehemalige Zigarrenfabrik „Gebrüder Fisch”
Das Haus Bahnhofstraße 17 in Heidelberg ist ein Beispiel dafür, dass die dortigen Stadtteile Bergheim und Weststadt anfänglich keine reinen Wohngebiete, sondern Mischgebiete mit zahleichen Gewerbebetrieben waren. Denn das Anwesen war nicht nur Wohngebäude, sondern gleichzeitig Sitz und teilweise Produktionsstätte der Zigarrenfabrik „Gebrüder Fisch“.
Wohnhaus und Zigarrenfabrik
Geschäfts- und Wohnhaus
Das Unternehmen wurde um 1900 von den Brüdern Cäsar und Nathan (Norbert) Fisch, die aus Neidenstein im Kraichgau stammten, in Kirchheim gegründet. Anfang Herbst 1900 wurde die Offene Handelsgesellschaft Gebrüder Fisch ins Handelsregister des Amtsgerichts Heidelberg eingetragen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen die Brüder nach Heidelberg und wohnten zunächst in der Kleinschmidtstraße bzw. in der Brückenstraße. 1903 verlegten sie den Sitz ihres Unternehmens wie ihren Wohnsitz in ein in ihrem Auftrag neuerbautes Haus in der Bahnhofstraße. Der Hauptproduktionsort ihrer Zigarren blieb jedoch Kirchheim.
Die wirtschaftliche Betätigung vom Teilhaber Cäsar Fisch blieb nicht auf die Zigarrenfabrik beschränkt. Mit Partnern gründete er 1916 in Heidelberg-Handschuhsheim die „Schuh- und Einlegsohlen-Fabrik Bavaria C. Fisch & Co“, die vor allem Kinder- und Babyschuhe produzierte.
Im selben Jahr starb sein Bruder Norbert Fisch. Mit seinem Tod schied sein Familienzeig offensichtlich aus der Zigarrenfabrik aus, denn seine Abkömmlinge erscheinen später nicht mehr unter den Teilhabern des Unternehmens.
Die Zigarrenfabrik verfügte 1925 über vier Nebenbetriebe in Altlußheim, Ittlingen, Kirrlach und Roth und beschäftigte damals insgesamt 261 Arbeitnehmer. Damals stellte der Betrieb Zigarren, Zigaretten und andere Tabakprodukte her. Vier Jahre später schloss dann auch Cäsar Fisch für immer die Augen und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Heidelberger Bergfriedhof (jüdischer Teil).
Ab Beginn der 1930er Jahre wurde die Zigarrenfabrik von den Söhnen Cäsar Fischs Eugen (geboren 1897) und Richard (geboren 1904) weitergeführt. Während der Weltwirtschaftskrise musste der Betrieb der Zweigwerke in Altlußheim und Ittlingen 1931 eingestellt werden. Von 1935 an war die Fabrik im Besitz der Witwe von Walter Erhardt, Walter Erhardt junior und Arthur Burkhardt.
Als Eigentümer des Hauses Bahnhofstraße 17 ist ab 1938 für mehrere Jahre im Heidelberger Adressbuch verzeichnet: Fisch, Rich.[ard], K[au]fm[ann] (in New York). In der Ausgabe 1943 – der letzten vor Kriegsende erschienen – steht dann: Deutsches Reich – Reichsfinanzverwaltung.
Teilhaber der Schuhfabrik in Handschuhsheim waren zuletzt Arthur, Eugen und Herbert Fisch sowie Otto und Robert Marx, die (damals noch minderjährigen) Kinder der 1933 im Wochenbett verstorbenen Gertrud Marx, geborene Fisch. Der Betrieb wurde 1938 im Zuge der Arisierung unter Vermittlung von Richard Freudenberg aus Weinheim von der „Gustav Hoffmann GmbH“ aus Kleve übernommen.
- Die Industrie in Baden in Jahr 1925, hg. vom Badischen Statistischen Landesamt, Karlsruhe 1926, S. 276 und S. 292.
- Heidelberger Adresbuch, Jahrgang 1901 ff.
- Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.), Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, II.5.2. Stadtkreis Heidelberg – Teilband 2, Osfildern 2013, S. 470.
- Joachim Scholtyseck, Freudenberg - Ein Familienunternehmen in Kaiserreich, Demokratie und Diktatur, München 2016, S. 163-166 (zur Arisierung der Schuhfabrik C. Fisch & Co).
Das 1903 nach Plänen der Heidelberger Architekten Hormuth & Hirt erbaute Gebäude wurde als Wohnhaus und Produktionsstätte konzipiert. Im (nicht zugänglichen und von außen nicht einsehbaren) Hof wurden in einem Flügel zunächst die Fabrik und ein Geschäftszimmer untergebracht. Später beherbergte der Anbau Büro, Lager und einen Sortierraum. Zudem befand sich im Haus anfänglich auch noch eine Eisenwarenhandlung sowie ein Tabak- und Schreibwarengeschäft.
Das Haus besitzt eine symmetrisch gegliederte Fassade aus hellgelben Klinkern mit hellgelben Gesimsen, die von einem zentralen, sich über zwei Stockwerk erstreckendem Erker betont wird. Wohl als Hinweis auf die Erbauer ließ dieser über dem Erdgeschoss zwei den Erker tragende Konsolsteine mit je einem einen Fisch fressenden Kormoran anbringen, offensichtlich eine Anspielung auf ihre Familiennamen.