Ehemaliges Stotz-Werk in Mannheim, heute WISAG

Das stattliche Gebäude ist erst auf den zweiten Blick als fast 100 Jahre alter Industriebau zu erkennen: Das ehemalige Stotz-Werk war hier angesiedelt. Das Erdgeschoss aus Sandsteinen, die schon recht verwittert sind, die Stärke der Mauern sowie die Gliederung der Front lassen das Alter vermuten. Auf historischen Bildern der Fabrikanlagen ist der heutige Bau durchaus erkennbar. Sie zeigen aber auch, wie sehr zahlreiche Umbauten das Gebäude verändert haben.

Ein wichtiges Produkt der Gründerfirma ist noch heute bekannt – der Stotz-Sicherungsautomat: In Altbauten ist es bisweilen in seiner ursprünglichen runden Form mit dem Druckknopf zu finden.

Die Namen der Straßen rund um das Gelände (Ohm-Weg, Volta-Straße, Heinrich-Hertz-Straße, Watt-Straße) deuten auf die gesamte Elektro-Branche hin. Eine Stotzstraße gibt es auch, allerdings im Fahrlachgebiet.

Nutzung (ursprünglich)

Geschäfts- und Werkstattgebäude

Nutzung (derzeit)

Geschäftshaus

Geschichte

1891

gründete Hugo Stotz (geb. 14. Juli 1869 in Stuttgart; gest. 3. September 1935 in Mannheim) zusammen mit dem Teilhaber Moyé die Firma „Moyé und Stotz, Gürtlerei und Posamente, Vertretung der Maschinenfabrik Esslingen“ in der Mannheim Innenstadt (P 6,20). „Gürtler“ erzeugten gegossene Kleinteile wie Gürtelschnallen, aber auch Installationsmaterial. 1896 schied der Teilhaber Moyé aus und die Firma wurde in „Stotz und Cie. Elektrizitäts-Gesellschaft mbH“ umbenannt. Bis 1899 gibt es in Mannheim noch kein Elektrizitätswerk, Strom wird noch immer mit kleinen Gas-Motoren am Einsatzort hergestellt.

Nach Einführen der Elektrizität spezialisiert sich das Geschäft auf den Umbau von Gas- und Petroleumlampen auf Elektrizität und die Entwicklung von Kleinteilen wie Lampen, Schaltern, Steckdosen und Sicherungen. Später kommt der Bau von Motoren, Generatoren, Verteilernetzung und Schaltwerken hinzu. So werden die elektrischen Ortsanlagen z.B. von Ilvesheim und mehreren Orten im Odenwald von Hugo Stotz errichtet.

1902

läuft das Geschäft bereits sehr gut und Hugo Stotz zieht nach O 4, 8/9 um. Dort betreibt er auf dem Dach mittels Glühbirnen eine neuartige Lichtreklame mit seinem Namenszug als „Wanderbuchstaben“, die nacheinander aufleuchten – angeblich die erste Leuchtreklame dieser Art in Deutschland. Stotz baute die Schaltung selbst.

Die Erfahrungen mit zahlreichen Elektroinstallationen veranlassen das Unternehmen, selbst in die  Herstellung von Installationsmaterial einzusteigen. Die Firma Stotz meldet zahlreiche Verbesserungserfindungen zum Patent an.

1910

Niederlassungen und Zweiggeschäfte werden in Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Stuttgart, Worms, Kaiserslautern, Pirmasens, Landau und Schlettstadt aufgebaut. 1910 sind etwa 300 Mitarbeiter im Installationsbereich beschäftigt.

1912

Das Installationsgeschäft verkauft Hugo Stotz 1912 an die Firma Brown, Boveri & Cie (BBC).

1913

beginnt er mit dem Bau eines großen Produktionswerks mit Geschäftshaus und Werkstätten in Neckarau: „Stotz & Cie – Fabrik elektrischer Sepzialapparate“. Hier geht es um die gesamte Palette der Komponenten für die Elektroinstallation von Haushalten, Ortschaften, Fabriken aber auch für die Fernmeldetruppen.

1918

Im Ersten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit bricht sein Exportgeschäft allerdings ein. 1918/19 muss Stotz sein gesamtes Werk an BBC Mannheim verkaufen. Er selbst bleibt als Geschäftsführer tätig, der Firmenname bleibt erhalten, jedoch als Tochtergesellschaft der BBC „Stotz GmbH, Abt. der Brown, Boveri & Cie Aktiengesellschaft, Mannheim-Neckarau“.

Im Werk werden nur erstklassige Installationsmaterialien hergestellt, die bequem zu montieren sind und hohe Betriebssicherheit haben. Sie werden im Bereich von Licht- und Kraftanlage sowie im Freileitungsbau eingesetzt. Mit vielen anderen Produkten wirkt die Firma bahnbrechend und setzt neue Standards. Alle wichtigen Erzeugnisse tragen das Prüfzeichen des Verbandes der Elektrotechniker (V.D.E.)

1923

Nach zweijähriger Entwicklungsarbeit unter Leitung von Hugo Stotz und Heinrich Schachtner ist eine automatische Sicherung erfunden, die das Auswechseln der bisherigen Porzellansicherungen überflüssig macht. Der „Stotz-Sicherungsautomat“ ist eine Kombination von thermischen Bimetallen und elektromagnetischer Auslösung. 1927 sind ca. 500 Arbeiter beschäftigt. Diese „Stöpselautomaten“ wurden bis 1959 gebaut, die Nachfolgemodelle bis heute.

1930

legt BBC das Werk mit der ebenfalls hinzu gekauften Kontakt-AG-Frankfurt zu „Stotz-Kontakt“ zusammen. Stotz-Kontakt bringt einen neuen Bügelautomat auf den Markt, mit automatischer Abschaltung bei Überhitzung.

1935

stirbt Hugo Stotz. In der NS-Zeit übernimmt Stotz-Kontakt elsässische Zweigwerke in Colmar-Logelbach und Hüningen-St-Ludwig.

1939

wird auf Drängen des Militärs, das jetzt ein wichtiger Auftraggeber ist, eine weitere Stotz-Apparatebau-Gesellschaft in Eberbach gegründet, deren Leitung mit der Mannheimer Stotz-Kontakt weitgehend identisch ist und die Produktionsteile des Mannheimer Werks aufnimmt. Stotz Apparatebau in Eberbach stellt militärische Nachrichtentechnik wie komplette Bordfunkgeräte her. 1939 brennt eine große Lagerhalle im Mannheimer Werk ab. In Mannheim sind zu diesem Zeitpunkt ca. 900 Mitarbeiter beschäftigt. BBC und mithin auch Stotz-Kontakt wird im Zweiten Weltkrieg zum größten Rüstungsbetrieb in Baden. In allen Betriebsteilen und Tochterfirmen werden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt. So wurde in der Voltastraße 3 auf dem Werksgelände ein von der Wehrmacht bewachtes Lager für 80 französische Kriegsgefangene eingerichtet.

1942

Im Mai erhält Stotz-Kontakt einen großen Auftrag für die Heeresversuchsanstalt, die in Peenemünde die Raketenwaffe V2 entwickelt. Im Herbst 1943 nimmt Stotz-Kontakt die Produktion von Schaltkästen für die V2-Waffe direkt im KZ-Buchenwald auf. Etwa 600 KZ-Häftlinge arbeiten daran.

1943

verlegt Stotz-Kontakt wegen der zunehmenden Bombardierungen in Mannheim die Produktion nach Heidelberg-Pfaffengrund. Das Stotz-Werk in Mannheim Neckarau wird stark zerstört und nach dem Krieg vereinfacht wieder aufgebaut.

Das Neckarauer Werk wird von BBC, später ABB, weitergenutzt, die auf dem großen Gelände weitere einfache Werkstattgebäude für die Sparte ABB-Gebäudetechnik errichten. Diese wird 2007 an die Frankfurter WISAG-Gruppe (Gebäudetechnik usw.) verkauft.

2010

Auf dem großen Gelände werden die vielen kleine Werkstattgebäude - alles Nachkriegsbauten -  im Jahr 2010 weitgehend entfernt, teilweise wird das Gelände verkauft und neu bebaut.

Quellen:
  1. Mannheim – das Kultur- und Wirtschaftszentrum Südwestdeutschlands 1928, hrg. Mannheimer Stadtreklame
  2. Mannheim und seine Bauten 1907 -2002, Band 4, Herausgegeben vom Stadtarchiv Mannheim und Mannheimer Architektur und Bauarchiv e.V., Artikel von Andreas Schenk,  S. 82
  3. Spannungswechsel, Das Buch zum 100-jährigen Jubiläum der deutschen ABB,  Mannheim, Juni 2000
  4. Klaus Hildebrandt und Christoph Franzen: Zwangsarbeit bei der BBC während des 2. Weltkrieges, 2000, zitiert in Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg: Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg S. 325
  5. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/ABB_Stotz-Kontakt
  6. Hans-Erhard Lessing: Mannheimer Pioniere. Wellhöfer Verlag, Mannheim 2007. ISBN 978-3-939540-1-37 (ausführlicher und sehr anschaulicher Artikel zu Leben und Werk von Hugo Stotz)
Eigentümer
WISAG
Erbauer
Stotz & Cie
Bauzeit / Umbauten
1913
Autor*in
Barbara Ritter
Objektnummer
207
Adresse
Ohmweg 11-15
68199 Mannheim
Geo
49.461793, 8.492475
Zufahrt

Haltestelle Voltastraße

Öffnungszeiten

nur von außen zu besichtigen

Denkmalschutz
Nein
Barrierefrei
Nein