ehemaliges Verwaltungsgebäude der Rheinschiffahrts AG vormals Gebrüder Fendel
Dass der Architekt Friedrich Albert Speer - Vater des Reichsrüstungsministers Albert Speer - mit relativ einfachen Mitteln künstlerisch bestechende Wirkungen auszuüben verstand, zeigt das ehemalige Verwaltungsgebäude der Rheinschiffahrts AG vormals Fendel. Es ist eine der reizvollsten Arbeiten des Künstlers.
Der stattliche 17-achsige Klinkerbau beeindruckt durch seine schlossartigen Ausmaße und seine klassizistische Formensprache. Ein kolossales Pilastersystem fasst das Sockelgeschoss und die zwei Hauptgeschosse straff zusammen und verleiht der Front eine strenge Rhythmisierung. Die mittleren fünf Achsen sind durch die Anwendung der klassischen ionischen Ordnung mit kannelierten Schäften, Volutenkapitellen und einem Gebälk mit Frieszone und Zahnschnitt von den einfacheren Vorlagen der Rücklagen abgesetzt. Horizontalbetonungen wie die zu einem breiten Band verbundenen Brüstungsplatten, die hinter den Pilastern entlanggeführt werden, und das umlaufende Gebälk mit weit vorkragendem Kranzgesims setzen die vertikalen Elemente in ein tektonisches Verhältnis. In der Mitte der Fassade führt eine hohe zweiläufige Freitreppe mit schönem Ziergeländer in das Innere des Hauses. Der Eingang mit der hölzernen Kassettentür wird durch zwei Wandlampen im Stil des Art Deco beleuchtet.
Nach Kriegsschäden wurde 1949 das ursprüngliche Mansarddach nicht wieder hergestellt, sondern als Mezzanin ausgebaut und um ein weiteres Stockwerk mit Flachdach erhöht. Prägende Details wie Ziergitter und Reliefplatten sind erhalten.
Von der bauzeitlichen Innenstruktur und Ausstattung sind das festliche Vestibül, das repräsentative Treppenhaus und das Besprechungszimmer überliefert.
Verwaltungsgebäude
Bürogebäude
Josef Conrad Fendel (1842-1912) war Gründungsmitglied des Nikolausschifferverbandes und Begründer der Oberrheinschifffahrt. Der aus der Nähe von Bingen gebürtige Partikulier ließ 1887 seinen Kahn mit Tanks umbauen, um darin nach Holland Petroleum zu transportieren. Er konnte die Fahrten damit günstiger und wohl auch sicherer als die Konkurrenz anbieten, die die Flüssigkeit in der Regel mit Fässern transportierte. Dem Bau technisch bedeutsamer Fahrzeuge hatte Josef Conrad Fendel besonders große Aufmerksamkeit gewidmet. Um 1890 baute Fendel die ersten Tankschiffe und sah weitsichtig voraus, wie lukrativ dieses Transportgeschäft werden würde. Mit seinem Bruder Anton zusammen gründete er 1889 die offene Handelsgesellschaft Gebrüder Fendel. 1892 erfolgte der Umzug nach Mannheim. Von hier aus entwickelte der Firmengründer die Oberrheinschifffahrt nach Basel im großen Maßstab und sorgte so für die verkehrstechnische Anbindung der Schweiz an die Nordsee. Mannheim versorgte damals ganz Süddeutschland mit "Wärme, Licht und Brot". Am 19. September 1899 wandelte Fendel das Unternehmen mit 2 Mio. Mark Aktienkapital in die "Rheinschiffahrts Aktiengesellschaft vormals Gebrüder Fendel" um. In dem Jahr besaß die Firma 7 Schlepper und 23 Kähne. 1906 besaß die Gesellschaft 52 Transportkähne, acht Schraubendampfer und fünf Raddampfer; fünf Jahre später schon 79 Kähne und 22 Dampfer. 1903 bis 1908 saß Josef Conrad Fendel für die Zentrumspartei im Mannheimer Stadtrat. 1903 trat auch der älteste Sohn Friedrich Fendel (1878-1954) in die Firma ein und übernahm die technische Leitung, d.h. den Reedereibetrieb. Von 1911 bis 1945 war er darüber hinaus Vorstandsmitglied, in den ersten Jahren neben Gottlieb Jäger, Willy Menzinger und Heinrich Pieper.
Nach dem Tode des Gründers Josef Conrad Fendel erhielt der Badische Staat die Aktienmehrheit, wodurch sich der sog. Badische Schifffahrtskonzern zum weltweit größten Reedereibetrieb entwickelte. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kam es zu großen Verlusten des Konzerns durch verloren gegangene linksrheinische Anlagen und Abgabe der gesamten Güterbootsflotte an den belgischen Staat. Der Wiederaufbau erfolgte während der Zwischenkriegszeit unter dem Generaldirektor Gottlieb Jäger. Als eines der ersten Unternehmen setzte es in der Rheinschifffahrt Motorgüterschiffe ein. Im Jahre 1929 schloss sich die Rheinschiffahrts AG mit der Mannheimer Lagerhausgesellschaft und der Badischen AG für Rheinschiffahrt zu einer Betriebsgemeinschaft zusammen und konnte damit im Wettbewerb mit anderen großen Konzernen bestehen. Die Flotte war nach dem Zweiten Weltkrieg von 420 000 Tonnen Laderaum und 95 000 PS Schleppkraft im Jahre 1938 auf ein Zehntel zusammengeschmolzen. Dennoch wurden 1945 unter dem Direktor Dr. Stuckmann noch 2500 Mitarbeiter beschäftigt. 1984 ging das Unternehmen in die Rhenus AG auf. Der Name Fendel erlosch.
1915 entstand nach Plänen des bekannten Mannheimer Architekten Albert Friedrich Speer (1863-1947) der neue Firmensitz am Rhein in der Rheinkaistraße. Das Unternehmen bezog die Räumlichkeiten im Erdgeschoss. Im ersten Obergeschoss war die Rhenus Transport-Gesellschaft mbH, die Aufgaben wie Umschlag und Lagerung übernahm, ansässig. Im Dachgeschoss lag u.a. die Wohnung des Hausmeisters J. Rauschenkolb.
Als funktionshistorische Zugehörigkeit zum Verwaltungsgebäude entstand 1936 das kleine Wohngebäude Richtung Bahnübergang. Ein Schlussstein mit Baudatum und Schiffsdarstellung verweisen auf die Entstehungszeit. Der Architekt des Hauses ist leider nicht überliefert. Albert Friedrich Speer hatte sich schon 1918 in Heidelberg zur Ruhe gesetzt und kommt als Entwurfsverfasser somit nicht in Frage.
Im Jahre 2002 ging das Anwesen mit Verwaltungs- und Wohngebäude durch Eigentumsvormerkung an das Land Baden-Württemberg zurück.
- Mannheim und seine Bauten, Mannheim 1906, S. 427, 431-432
- Friedrich Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 3, Mannheim 1907, S. 295-296
- Zu den Arbeiten des Architekten Albert Speer, Mannheim, in: Deutsche Wohnungskunst, 9, 1917
- Gustaf Jacob: Mannheimer Reeder, in: Mannheimer Hefte 1957 Nr. 1, S. 15-21
- Christmut Präger: Der Architekt Albert Friedrich Speer (1863-1947). Leben und Werk. Erste Ergebnisse, hrsg. vom Stadtarchiv Mannheim 2000
- Mannheim und seine Bauten, Bd. 4, Mannheim 2004, S. 62
- Marchivum, ZGS S/259 (Fendel Schiffahrts AG), ZGS S1/1353 (Jos. Conrad Fendel), ZGS S1/3033 (Friedrich Fendel)
- Marchivum Zug. K 5/1975 Nr. 15057 (Wiederaufbauakte 1949)
- Albert Gieseler: Rheinschiffahrt Actiengesellschaft vorm. Fendel (http://www.albert-gieseler.de)
- Karl-Heinz Schwarz-Pich: Josef Conrad Fendel, in: Badische Biograhphen, N.F. Bd. 6, 2011, S. 108-110
- Melanie Mertens: Listentext für die Denkmalbegründung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe Ref. Denkmalpflege, 2011