Elektrizitätswerk Mannheim Industriehafen
Der Schriftzug „Staedt. Elektrizitaetswerk Mannheim Industriehafen“ in goldfarbenen Jugendstillettern weist darauf hin: Hier begann in Mannheim im Jahr 1898 das Zeitalter der öffentlichen Stromversorgung und der Elektrizitätsindustrie in dieser Stadt. Von der ursprünglichen Anlage sind ein Hallenschiff und der später hinzugekommene Vorbau sowie das Pförtnerhaus erhalten.
Das Hallenschiff war das Maschinenhaus; es hat eine lichte Weite von 22 m und eine Länge von 66 m. An der freien Längsseite sind sieben und an den Stirnseiten drei große Rundbogenfenster mit Metallsprossen-Rahmen. Die Fassade wird durch flache Lisenen gegliedert, im Trauf-Bereich ist ein Rundbogen-Fries. Im Inneren sieht man, dass das Dach von Stahlbindern getragen wird. Über dem Eingang ist ein erhöhter Balkon (heute funktionslos und ohne Zugang) mit verziertem, schmiedeeisernem Geländer. Hier befand sich früher die Schalttafel (Teile davon sind heute im Vorraum aufgestellt). Die Halle dient heute als Lager für durchaus imponierend große Transformatoren und anderes Zubehör der Elektrizitätswirtschaft. Im Keller des Maschinenhauses sind die Fundamente der Dampfmaschinen noch erkennbar.
Der Maschinenhalle ist ein Eingangsbau im neoromanischen Stil vorgelagert, mit Kreuzbogengewölbe und Säulen mit Würfelkapitellen und Bünden in halber Höhe. Dieses auch mit seinem Boden sehr repräsentativ wirkende kleine Vestibül ist von dem 1911 angebauten großen Vorbau im Jugendstil vollständig umschlossen. Der Vorbau hat einen hohen Sockel aus bossiertem, rotem Sandstein und gekuppelten Stichbogenfenstern. Darüber erhebt sich ein zweistöckiger, verputzter, vertikal gegliederter Bereich mit flachem Walmdach und zwei Ecktürmen an der Fassade, in dem Büro- und Sozialräume untergebracht sind.
Hinter der Maschinenhalle ist heute eine Freiluft-Schaltanlage untergebracht, das einstöckige Pförtnerhaus mit seinem fast überdimensioniert hohen Walmdach und den vielen Gauben steht anscheinend ungenutzt neben der Einfahrt zum Betriebsgelände.
Stromerzeugung für private und gewerbliche Nutzer, ferner für Straßenbeleuchtung und Straßenbahn (von 1900 bis ca. 1924)
Maschinenhalle als Lager für Bauteile der Elektrizitätsversorgung. Im Freigelände eine Freiluft-Schaltanlage
Zwar wurde die Elektrizität in Mannheim bereits 1880 auf der „Gewerblichen und Landwirtschaftlichen Ausstellung des Pfalzgaues” vorgestellt, zwar entstanden in den folgenden Jahren einige private elektrische Beleuchtungsanlagen, und die Eisenbahn baute für Bahn und Hafen zwei Gleichstromwerke, doch dauerte es bis 1898, als der Beschluss zum Bau eines städtischen Elektrizitätswerks erging (bewilligter Baukredit 3,3 Mio Mark). Das Werk wurde beim im Bau befindlichen Mannheimer Industriehafen am Rande eines damals existierenden Hafenbeckens gebaut, weil so die Kohleversorgung sicher gestellt war. Der Bau wurde innerhalb eines Jahres fertiggestellt, schon im Dezember 1899 konnte Strom produziert und verkauft werden.
Man entschied sich für die Einführung von Drehstrom, der sich zwar nicht in Akkumulatoren speichern ließ (die Werke waren anfangs zumeist Licht-Werke, sodass nur am Abend und frühen Morgen Strom verbraucht wurde), aber verlustarm über weite Strecken zu übertragen war.
Oberbürgermeister Otto Beck konnte die in Baden (Schweiz) ansässige Firma „Brown, Boveri & Cie.” zur Gründung eines Werks in Mannheim bewegen. Im Gegenzug erhielt BBC den Auftrag für die elektrische Ausrüstung des städtischen E-Werks. Am 9. Juni 1900 wurde die deutsche BBC-Tochter gegründet. Auch die Gründung der Süddeutschen Kabelwerke (1899) geht mit dem Bau des elektrischen Leitungsnetzes (Fernleitungen: 4000 Volt) in Mannheim einher.
Der Preis des Stromes sollte 70 Pfg. pro Kilowattstunde für Beleuchtungszwecke betragen, für das Betreiben von elektrischen Motoren und Heizungen im Industriehafen sollte er 15 Pfg. kosten, im übrigen Stadtgebiet 20 Pfg. Auch nach der Herabsetzung der vom Konsumenten zu tragenden Anschlussgebühren von 180 auf 50 Mark verhielten sich private Interessenten jedoch sehr zurückhalten bis ablehnend. Sondertarife für „Restaurationen, Läden, Bureaus” wurden angeboten, und der Preis für Beleuchtungszwecke auf 60 Pfg. gesenkt. Nach einem Betriebsjahr hatte das E-Werk 457 Stromabnehmer, Ende 1901 waren es schon 781, und in folgenden Jahr 1083 mit einer Stromabgabe von 3,5 Mio. Kilowattstunden im Jahr 1902. Damit war die Leistungsgrenze der bisherigen Dampfmaschinen erreicht. Für die Erweiterung der Anlage wurden weitere 250 000 Mark zur Verfügung gestellt, und nach ausländischen Vorbild Dampfturbinen eingebaut. Bis 1905 betrieb die BBC das Elektrizitätswerk als Pächterin, danach übernahm die Stadt das Werk in Eigenregie.
Das Kesselhaus enthielt um 1906 sechs Dampfkessel mit 10 bar Druck, je 250 m² Heizfläche und vier Kessel mit 268 m² Heizfläche und mit Überhitzern mit 20 m Heizfläche, System Babcock & Wilcox; alle mit Ober- und Unterkessel, von E. Berninghaus, Duisburg, je 4,4 m² Rostfläche, jeder vermochte 4000-4400 kg/h Dampf zu liefern. Im östlichen Teil der Maschinenhalle wurden als ursprüngliche Ausstattung drei von Gebr. Sulzer in Ludwigshafen gebaute Tandem-Dampfmaschinen mit Ventilsteuerung und Kondensation aufgestellt. Sie trieben bei 83,5 U/min jeweils einen BBC-Drehstromgenerator an und leisteten 750 bis 920 PS (0.5–0,7 MW). Im freien Bereich des Maschinenhauses wurden ab 1903 Dampfturbinen aufgestellt, sodass sich die Leistung bis 1921 auf 12,9 MW erhöhte. Mit der Fertigstellung des Großkraftwerks Mannheim (1923) wurde die Anlage überflüssig, und die Maschinen wurden um 1926 entfernt.
Die ursprüngliche Anlage bestand aus einem zweischiffigen Gebäude für Kessel- und Maschinenhaus aus gelbem Ziegelmauerwerk mit Satteldächern. Der südliche, zum Wasser hin gelegene Bauteil war das Kesselhaus mit zwei Kaminen. Es wurde später abgerissen, auch das Hafenbecken und der Durchgang zum Neckar wurden verfüllt. In diesem Bereich entstand eine Freiluft-Schaltanlage.
- [VDI 46 (1902) 803] [Wybrecht: Mannheimer Wirtschaft (1956) 125] [Mannheim und seine Bauten, S. 633]
- Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart, Jubiläumsgabe der Stadt, Band 3 1871-1907, Mannheim, Verlag der Stadtgemeinde 1907, S. 238 ff
Maschinenhaus, Verwaltungsgebäude, Pförtnerhaus (Kesselhaus und Kamine sind abgerissen). Ein Fenster an der Längsseite des Maschinenhauses wurde zu einem Tor (mit Laderampe davor) umgebaut; der östliche Teil (früher Standort der Kolbendampfmaschinen) ist durch eine Wand abgetrennt; Maschinenfundamente im Keller sind noch vorhanden.