Fabrikgebäude der „Mannheimer Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik”
Nur wenige Jahre nachdem der Amerikaner Charles Goodyear 1839 die Vulkanisierung von Kautschuk und damit die Herstellung von Gummi entdeckt hatte, entwickelte sich Mannheim ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der Gummierzeugung in Süddeutschland. Den Anfang machte 1856 die Firma "Schalk u. Cie", die 1860 von der Firma "Hutchinson, Smyth u. Cie" übernommen wurde. Rasch wurden weitere in der Branche tätige Unternehmen gegründet. Eines der bedeutendsten war zweitweise die "Mannheimer Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik".
Fabrikgebäude
Bürogebäude
Die "Mannheimer Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik" ging aus der Firma "Sonnenborn, Falke, Dittenhöfer & Comp." hervor, die 1863 gegründete worden war. Die Fabrik stellte zunächst Schmuckartikel und Frisierkämme aus Hartgummi her. Ein Jahr später wandelten die Eigentümer das Unternehmen in die Aktiengesellschaft "Amerikanische Gummiwaarenfabrik" um. 1865 kam es zum Zusammenschluss mit einer anderen Gummifabrik. Diese Fusion war der Grund dafür, weshalb die Firma in Mannheim über zwei Standorte verfügte: in der Schwetzingerstraße 87-97 (ehemals Z 8,9) und in der Amerikanerstraße 14-20 (ehemals Z 9,17c).
Zu Beginn der 1870er Jahre beschäftige der Betrieb über 700 Mitarbeiter und war damals eine der größten Mannheimer Fabriken. Ab 1885 führte die Gesllschaft schließlich den Namen "Mannheimer Gummi-, Guttapercha- und Asbestfabrik". Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Unternehmen auf zahlreichen Industrieausstellungen vertreten. So stellte die Firma bei den Weltausstellungen in Paris (1867), Wien (1873) und Melboune (1880) aus. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte der Betrieb 1895 bei der Gewerbeausstellung in Straßburg, wo seine Erzeugnisse in einem Tempel präsentiert wurden, der vollständig aus Hartgummi gefertigt war.
Die von der Fabrik hergestellte Produktpalette war äußerst vielschichtig und ständigem Wandel unterzogen. Sie umfasste Hart- und Weichgummierzeugnisse sowie Artikel aus Guttapercha und Asbest. Produziert wurden Transmissionsriemen, Schläuche, Rohrleitungen, Hähne, Trichter, chirurgische Instrumente, Hülsen für Telefonapparate, Spielsachen und Isoliermaterial. Später kamen noch Hupenbälle und Reifen für die Fahrzeugindustrie hinzu.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise geriet die Firma, die - nach einem starken Rückgang zu Beginn des 20. Jahrhunderts - wieder über mehr als 600 Arbeitnehmer verfügte, in wirtschaftliche Schwierigkeiten. 1930 wurde die Asbestfabrik in der Amerikanerstraße verkauft und der Firmenname in "Mannheimer Gummifabrik AG" geändert. Zwei Jahre später musste das Unternehmen dennoch Konkurs anmelden. Nach Schließung des Betriebs wurde das Fabrikgelände an der Schwetzinger Straße von der Stadt Mannheim erworben, die darauf eine Wohn- und Grünanlage errichtete. Letztere führt heute den Namen "Georg-Leichleiter-Platz". Erhalten blieb ein Mitte der 1920er Jahre errichtetes Gebäude, in das 1936 das städtische Leihamt einzog. Heute wird es von Büros und Praxen genutzt.
- Die Industrie in Baden im Jahr 1925, hg. vom Badischen Statistischen Amt, Karlsruhe 1926, S. 225f.
- Carl-Jochen Müller, Der große Schrank von Mannheim - aus der Chronik des Städtischen Leihamts (= Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim 24), Mannheim 2009, S. 52 und S. 60f.
- Sebastian Parzer, Friedrich Engelhorn - BASF-Gründer - Unternehmer Investor (1865-1902), Worms 2014, S. 39-44.
- Neue Mannheimer Zeitung, 9. April 1926
Nach der Fertigstellung bot das Bauwerk mehr als 4000 qm nutzbarer Fläche. Anlässlich des Umbaus zum Städtischen Leiamt wurde es Mitte der 1930er Jahre um zwei rückwärtige Flügel erweitert. Aus dieser Zeit stammen offenbar auch die noch teilweise erhaltenen Gitter an den Fenstern des Erdgeschosses. Beim großen Luftangriff im September 1943 wurde das Gebäude schwer beschädigt. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde auf die Wiederherstellung des Walmdaches und der Gauben verzichtet.