Kammerschleuse am Industriehafen Mannheim
Wer die großen Bauwerke der Neckarschleusen kennt, die Stufen bis zu 8 Meter überwinden, wird die Kammerschleuse am Industriehafen fast übersehen. Von der Stadt kommend macht die Inselstraße eine kleine Kurve und zum ersten Mal sieht man rechts das Wasser des Industriehafens, links steht die Bedienkanzel der Schleuse, die Schleusentore liegen fast unter dem Brückengeländer. Gut sichtbar ist die lange Kammer. Man überfährt eine Drehbrücke, die geschlossen völlig unscheinbar wirkt.
Die Schleuse hat eine nutzbare Länge von 140 m und eine nutzbare Breite von 13,40 m und ist damit auch für die modernen Binnenschiffe ausgelegt. Sie überwindet eine Fallhöhe von gerade mal 30 cm. Warum hat man für diese geringe Wasserstanddifferenz überhaupt eine Schleuse gebaut?
Funktion der Schleuse
Durch die Begradigung des Rheins, den sogenannten Friesenheimer Durchstich, der 1862 fertiggestellt wurde, und durch die Verlegung der Neckarmündung mitsamt der Aufschüttung eines Dammes war die Altrheinschleife für Schiffe zunächst vom Neckar abgetrennt. Mit dem Bau des Industriehafens an dieser Altrheinschleife wurde auch eine direkte Öffnung für den Schiffsverkehr umgesetzt. Der Höhenunterschied von etwa 30 cm ergibt sich zwischen dieser Stelle und der Mündung des Altrheinarmes in den Rhein. Hätte man hier keine Schleuse eingebaut, würde der Industriehafen zu schnell verschlammen und versanden.
Von der Brücke aus ist die Schleuse gut zu beobachten. Die Drehbrücke muss nur bei hohen Wasserständen und hoch aufgebauten Schiffen zur Seite gedreht werden. Über die Brücke laufen auch Schienen, die heute noch von der Hafenbahn benutzt werden können. An beiden Seiten der Schleuse führen Wege zum Neckar. Am Neckar entlang gelangt man nach wenigen Minuten zur Mündung des Neckars in den Rhein, nach einem Kilometer kommt dann die „Orderstation“ (siehe Objektbeschreibung), heute ein Restaurant. Rechts der Schleuse geht es in eine Kleingartenanlage – eine völlig andere Welt.
Das Schleusenwärterhaus
Links steht in einem großen Garten das imposante Schleusenwärterhaus, ein zweistöckiger Backsteinbau mit türkis gestrichenen Fensterklappläden. Zwei Familien haben darin Platz, im Erdgeschoss war neben der Wohnung ein „Büreau“ untergebracht, im Dachstock gab es die „Kammer für den Schleussenknecht“. Tatsächlich wohnen 2014 noch der ehemalige Schleusenwärter und ein ehemaliger Hafenamtsbeschäftigter mit ihren Familien. Bis 1998 wurde die Schleuse vor Ort von Hand bedient. Heute wird sie per Fernsteuerung vom Haus Oberrhein, dem Sitz des Hafenamtes, bedient.
Ausblick von der Schleusenbrücke
Die Aussicht auf den Neckar, die Neckarspitze und die BASF ist von hier aus großartig (besonders wenn man hier noch hundert Meter rechts entlang der Schleuse geht). Der Blick von der Drehbrücke in den Bonadies-Hafen, wie dieser von Schiffen oft angefahrene Abschnitt des Industriehafens heißt, lohnt sich ebenfalls. Man kann hier sogar einige Stufen nach unten zum Wasser absteigen. Rechts liegt die Ölmühle Bunge, mit ihrem Rohrleitungslabyrinth, den vielen großen Silos, und – von hier gut sichtbar – dem architektonisch interessanten Silogebäude im Stil der neuen Sachlichkeit aus dem Jahr 1929.
Verbunden ist die Ölmühle mit dem ehemaligen Rhenania-Lagerhaus durch ein eingehaustes Laufband. Im Hintergrund ist die Landzunge am Kaiser Wilhelm-Becken mit der Metall-Recycling-Anlage erkennbar.
Über den Bonadies-Hafen spannt sich auch das dicke Rohr der Ferndampfleitung. Seit 1964 führen massige Metall-Leitungen oberirdisch durch den Industriehafen. Das Müllheizkraftwerk auf der Friesenheimer Insel liefert Dampf an insgesamt 50 Firmen für Heizung und Prozesswärme.
Kammerschleuse
Kammerschleuse
Grünes Licht für den Bau einer Kammerschleuse kommt 1895, 1897 wird sie geplant und 1898 von der Großherzoglichen Rheinbauinspektion Mannheim gebaut. Die Seiten der Schleuse sind – anders als heute – abgeflacht. Die Schleuse ist mit 31 Lichtsignalen versehen.
Zeitgleich wird der Industriehafen ausgebaut, 1896-1900 die der Stadt zugewandten Seite, 1900-1903 wird auch die Seite an der Friesenheimer Insel erschlossen und langsam beginnt auch hier die Bebauung. Deshalb wird an dieser Stelle jetzt eine Brücke erforderlich, die als Drehbrücke gebaut wird über die auch der Verkehr der Hafenbahn läuft. 1907 wird die Straßenbahn über die Drehbrücke der Kammerschleuse weiter geführt. Die Straßenbahn hatte zuvor nur in der Industriestraße verkehrt. Bis 1956 läuft sie durch die Friesenheimer Straße bis zur Diffenebrücke und von dort aus wieder zurück.
1984 wird von Bilfinger-Berger eine neue Kammerschleuse eingebaut.
1998 wird die Bedienung vor Ort aufgegeben und eine Fernsteuerung vom Haus Oberrhein aus eingebaut, die aber nicht immer funktioniert. Dann muss doch das kompetente Personal heraneilen und von der Bedienkanzel aus vor Ort die Tore steuern.
2012/13 werden die Schleusentore erneuert und die ganze Schleuse aufwändig saniert.
2021 turnusgemäße umfassende Revision
- Sigmund Schott: der Industriehafen zu Mannheim, Festschrift 1907
- Hanspeter Rings: Mannheim auf Kurs, 2003
- Veröffentlichungen der Staatlichen Rhein-Neckar-Hafengesellschaft Mannheim 2013