Kauffmannmühle - Erste Mannheimer Dampfmühle
Ein verheerendes Feuer hat am 3.2.2023 die 140 Jahre alte Mannheimer Kauffmannmühle verwüstet. Ein großer Verlust für Mannheims Industriekultur! Die „Erste Mannheimer Dampfmühle“ hat den Ruf Mannheims als Mühlenzentrum Süddeutschlands begründet. Seit ihrer Stilllegung im Jahr 1960 ist der raumgreifende Industriekomplex vernachlässigt worden. Der Denkmalschutz verhinderte den Abriss durch den Hafen (Landesbetrieb), der das Gebäude als entbehrlich einschätzte.
Jahrzehntelanger Leerstand hat die Mühle in einen katastrophalen Zustand gebracht. Ein erster Großbrand vernichtete schon 1982 die Hallen südlich des Silos und den markanten Steg zwischen Lager und Verwaltung.
Die direkt am Verbindungskanal liegenden Gebäude - Silo und die restlichen Lagerhallen - wurden seit 2013 zu Wohnzwecken umgebaut. Die Sanierung hat den Sand- und Klinkersteinen gutgetan. Die rot und gelben Backsteine lassen die wertige Architektur gut zur Geltung kommen. Der Mühlenbau ist ein charakteristisches Beispiel industriellen Bauens des späten 19. Jahrhunderts. Die Architekten Philipp Jelmoli und Karl Blatt haben in Mannheim neben der Kauffmannmühle auch die burgartige Jutefabrik in Mannheim Sandhofen und die palastartige Südwestdeutsche Bank in den Quadraten geplant.
Der Umbau des 37 Meter hohen Silos war eine große Herausforderung. Denn als Silogebäude hatte es fast keine Fenster und keine Geschossdecken. Im Inneren gab es nur hölzerne zylindrische Silozellen mit Auslassschächten im Erdgeschoß (insgesamt 4 mal 9 mit einem quadratischen Grundriss von 3,80 m). 32 Lofts plus zwei Penthäuser entstanden hier. Anfang 2016 wurde mit dem Umbau begonnen. Die Fassade wurde mit einem Stahlgerüst gesichert, Fenster und Balkontüren werden eingeschnitten. Im Inneren wird praktisch ein fünf-geschossiges Haus neu gebaut. Dazu wurden neue Fundamente erdbebensicher sechs Meter ins Erdreich getrieben. Vieles musste händisch gebaut werden, weil im Inneren kaum schweres Gerät eingesetzt werden konnte. 2018 war der Umbau fertig.
Schon vor Jahrzehnten haben sich Unternehmen der Musikbranchen und Künstlerinitiativen in den schön sanierten großflächigen Räumlichkeiten im ehemaligen Verwaltungsgebäude gegenüber dem Silo angesiedelt. Die ehemalige Kantine im Hinterhof wird seit 2007 vom Künstlerhaus 'zeitraumexit' als Veranstaltungs- und Ausstellungssaal genutzt.
Die eigentlichen Mühlengebäude auf der anderen Seite der Hafenstraße, Ecke Hafenstraße / Böckstraße waren ebenfalls ein imposantes aber langsam zerfallendes Industriedenkmal. Sie sollten eigentlich in absehbarer Zeit saniert werden. Das Gebäude ist aber bei einem verheerenden Brand am 03.02.2023 so schwer beschädigt, dass weite Teile wegen Einsturzgefahr in einer Notaktion abgetragen werden mussten.
Weizenmühle und Erbsenschälerei bis 1960
Wohnen und Arbeiten
Grundlage der Mühle war das 1839 vom Heidelberger Händler Eduard Kauffmann in Mannheim eröffnete Handelsgeschäft für Material-, Farb- und Spezereiwaren (heute sind das Drogeriewaren). Eduard Kauffmanns Geschäft kam aber immer wieder in Schwierigkeiten, aus denen ihm auch seine Ehefrau Amalie, geb. Braunach aus gutbürgerlichem Hause, schließlich nicht mehr heraushelfen konnte. Dem drohenden Konkurs wollte er sich 1849 durch Auswanderung in die USA entziehen, doch das Schiff sank. Zurück blieben seine 33 Jahre alte Frau, sechs kleine Kinder (vier Töchter und zwei Söhne) und ein heruntergekommenes Geschäft. Amalie Kauffmann gelang es, die Handlung weiterzuführen und um andere Produkte zu erweitern (Hülsenfrüchte und Landesprodukte) – es war die Zeit, in der sich Mannheim dank der freien Schifffahrt auf dem Rhein zu einer blühenden Handelsmetropole entwickelte. 1867 gründeten die Söhne eine Großhandlung für Hülsenfrüchte und Mehl, die aus dem nahegelegenen Schriesheimer Tal stammten.
Wegen der günstigeren Transportwege und größerer Vermahlungskapazitäten bauten sie 1881-1883 eine groß dimensionierte Dampfmühle im Mannheimer Handelshafen – man brauchte schließlich für die wachsende Bevölkerung in den Industriezentren Getreide, und zwar aus anderen Ländern der Welt. Die Brüder benannten die Mühle zu Ehren ihres Vaters Eduard Kauffmann Söhne GmbH. Die Mutter Amaile, die 1869 mit 53 Jahren starb, hat diesen Erfolg nicht mehr erlebt.
1900 wurde das Silo erbaut und die Mahl- und Lagerkapazität erweitert. Das Silo war ursprünglich zur Hafenstraße hin abgeschrägt. Die Gebäude, die sich rechts und links der Hafenstraße erstreckten, waren mit einem überdachten Übergang über die Straße verbunden.
1918 verkaufte die Familie ihren Anteil an die „Pfälzischen Mühlenwerke Mannheim“, einer weiteren Großmühle seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Industriehafen. In der Leitung von Pfalzmühle, Kauffmannmühle und den (bis Ende des 2. Weltkriegs existierenden) Rheinmühlenwerken am Rheinkai bestand Personalunion. Der Fabrikant Otto Kauffmann z.B. war Aufsichtsratsmitglied der Pfalzmühle.
Die beiden Weltkriege überstand die Kauffmannmühle ohne nennenswerte Schäden. Die Weizenmehlmarke "Rheingold" war über Mannheims Grenzen bekannt. Obwohl in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg gut ausgelastet, wurde sie 1960 nach 77 Jahren Produktion im Rahmen gesetzgeberischer Strukturmaßnahmen (Überkapazitäten in der Müllerei sollten "geordnet" abgebaut werden) stillgelegt.
Durch den jahrzehntelangen Leerstand ist die Mühle in einen katastrophalen Zustand geraten. Hinzu kam 1982 ein Brand, der einen Teil der Hallen vernichtete. Die Hallen und Steg zwischen Lager und Verwaltung wurden 1983 abgerissen. Immer wieder wird über neue Nutzungsmöglichkeiten nachgedacht.
1994 pachtet Reinhard Suhl das leerstehende Objekt von der Hafengesellschaft, nach deren Pläne die Wasserseite der Mühle entbehrlich gewesen wäre. Doch sie steht unter Denkmalschutz. Erst 2004 kann Suhl die Anlage kaufen. Er saniert zunächst das Verwaltungs- und das Kantinengebäude. Erste Mieter wie der Musiksender Sunshine live oder IT-Firmen wie digi-info, so wie seit 2007 die Künstlerinitiative Zeitraumexit ziehen hier ein. Die Masse der Gebäude, die Mühle selbst, die Lager und das große Silogebäude bleiben aber weiter ungenutzt und zerfallen derart, dass sogar Sperrzäune ringsum errichtet werden müssen.
2013 startete endlich das „Dock“-Projekt des Eigentümers, eine 22 Millionen Euro-Investition. Zug um Zug wurden die Gebäude im Wesentlichen als Wohnungen umgebaut.
- Führer durch die Industrie- u. Hafenanlagen von Mannheim, Rheinau und Ludwigshafen; hrsg. von der „Rhein“- Verlags-Gesellschaft m.b.H., Duisburg-Ruhrort, 1909
- Mannheimer Stadtreklame (Hrsg.), Mannheim – Das Kultur- und Wirtschaftszentrum Südwestdeutschlands, 1928
- Stadtarchiv Mannheim und Mannheimer Architektur- und Bauarchiv e.V., Mannheim und seine Bauten 1907-2007, Bd. 4,
- Andreas Schenk, Bauten für Verkehr, Industrie, Gesundheit und Sport, 2004
- Der Brockhaus Mannheim, Leipzig - Mannheim, 2006
- Andreas Schenk, Architekturführer Mannheim, Hrsg. Stadt Mannheim, 1999
- Hanspeter Rings, Mannheim auf Kurs - Hafen- und Schifffahrtsgeschichte der Stadt an Rhein und Neckar, 2003
- eigene Recherchen heutiger Inhaber und Mieter
- Stadt ohne Frauen, Frauen in der Geschichte Mannheims, 1993 (s. 72ff)