Lagerhaus - ehem. Malzkaffeerösterei am Mannheimer Industriehafen

Das stilvoll renovierte Backsteinhaus mit seinen großen Fenstern wirkt merkwürdig über Eck gebaut. Ein moderner Treppenhausbau aus Beton, der wie ein Schiffsbug auf einen kleinen baumbestandenen Platz ragt, schließt die Ecke. „Lagerhaus“ steht auf diesem imposanten Eckgebäude, Ende der 1990er bekannt als ein Veranstaltungshaus. Bei etwas entfernterer Betrachtung (z.B. von der Musikinsel auf der anderen Seite der Diffenéstraße aus) ist erkennbar, dass noch weitere Gebäude im gleichen rot-gelben Backsteinstil zum Lagerhaus gehörten. Auch von der Industriestraße erkennt man unter dem Farbanstrich die gleichen, alten Backsteine. Die Räume, die in zwei Stockwerken über die gesamte Hausbreite gehen, können für private Veranstaltungen gemietet werden.

Nutzung (ursprünglich)

Lager oder Produktionsgebäude einer Kaffee- und Malzkaffeerösterei

Nutzung (derzeit)

Veranstaltungsort, Mieträume für Seminare und Firmenschulungen

Geschichte

Kleiner Anfang an einem Verkehrsknotenpunkt

Die Kaffeerösterei und Malzkaffeefabrik von Valentin Knieriem hatte 1906 zunächst nur die flachen Backsteinbauten der Nachbargebäude errichtet. Ein Foto, aufgenommen vom Luzenbergwasserturm, zeigt das dreieckige, verkehrsumbrandete Grundstück. Die Hafenbahn läuft rechts nahe am Grundstück entlang, links eine Straßenbahn mit der Endhaltestelle. Beide Bahnen sind seit Jahrzehnten stillgelegt. Weitere Schienen kreuzen hier die Straßen: zur Diffené-Brücke und zum Waldhofbecken Hier fahren vor allem Güterwaggons und eine weitere Straßenbahn über die Diffené-Brücke. Hunderte von Arbeiterinnen und Arbeitern sind hier ausgestiegen, um in die nahen Strebelwerke und Kabelwerke zu gelangen, oder in das Metall-Werk von Spangenberg, die Kartonagenfabrik von Hirschland.

Pyra-Malzkaffee

Knieriem stellt u.a. „Pyra“-Malzkaffee her, den er als „vorzüglichen Volks-Kaffee-Ersatz von hohem Nährwert“ bewirbt, „Muckefuck“ sagen die Mannheimer (von mocca faux, französisch für falscher Kaffee). Die Firma gibt Reklamemarken heraus, ein beliebtes Werbemittel in den Jahren 1910-1920. Der Name des Kaffees „Pyra“ und die Abbildung auf der Marke beziehen sich auf die Pyramide am Kaiser-Wilhelm-Becken. Sie ist der ursprünglich 1810 errichtete nördliche Messpunkt der Mannheimer Sternwarte.

In den 1920er Jahren baut Knieriem das dreiseitige, hohe Haus als Lager oder Produktionsgebäude – die großen Fenster legen auch diese Nutzung nahe. Das dreistöckige, neu gebaute Gebäude nutzt die Spitze des Grundstücks am Ende der Industriestraße nun ganz aus. Wo heute der Anbau für das Treppenhaus steht, ist 1920 ein großer Lastenaufzug installiert. Die gefährliche und unübersichtliche Kreuzung ist entschärft worden. Vor dem Lagerhaus steht ein zweistöckiges Stellwerk der Bahn.

Die Rheinische Getreidekaffee-Gesellschaft

Knieriems Firma gehört zur „Rheinischen Getreidekaffee-Gesellschaft“, die in Nierstein, Andernach, Gernsheim und sogar in Berlin in bereits bestehenden Mälzereien weitere Produktionsanlagen unterhält und die ihren Sitz in der Mannheimer Augusta-Anlage 22-24 bei der Nahrungsmittelindustrie-Berufsgenossenschaft hat. In Gernsheim gibt es heute noch die Mälzerei Durst, in Lichtenrade Berlin besteht das Gebäude nach einer wechselvollen Geschichte noch heute und steht unter Denkmalschutz. Auch in Nierstein ist das abgebildete Dalberg-Herdingsche Schloß noch existent, die modernen Gebäude der Mälzerei wurden 2012 zugunsten von Wohnbebauung abgerissen.

Umnutzung

Valentin Knieriem konnte das neue Lagerhaus nicht mehr lange nutzen, denn er starb Ende der 1920er Jahre. Seine Witwe führte den Mannheimer Betrieb Anfang der 1930er Jahre noch einige Jahre weiter. Bis zum Kriegsende setzte die Firma Andreae & Co die „Pyra“-Malzkaffee-Produktion fort. Dann ziehen hier wechselnde Gewerbe ein: von Sack- und Deckenfabrik über Schlosser- und Maler-Werkstätten bis zum Archiv einer Bank.

Das inzwischen stark herabgewirtschaftete Gebäude war fast nur noch eine Ruine als es 1996 durch Willy Breitner für die Umnutzung zum Veranstaltungshaus saniert wird. Das schafft Platz für lichtdurchflutete Büros, eine Disco, Bar und Tanzschule. Von 1996 bis 2004 ist das „Lagerhaus“ der Treffpunkt für viele Kulturschaffende. Hier werden die Pläne für die Mannheimer Popakademie geschmiedet. Nach längerer Pause können die Räumlichkeiten jetzt für private Veranstaltungen gemietet werden.

Quellen:
  • Adressbücher Mannheim diverse Jahrgänge
  • Deutsche Städte, Mannheim, Kundi-Verlag 1922
Eigentümer
Willy Breitner
Erbauer
Valenin Knieriem
Bauzeit / Umbauten
1906 und 1920er Jahre
Autor*in
Barbara Ritter
Objektnummer
221
Adresse
Industriestraße 53a
68169 Mannheim
Geo
49.51575, 8.472277
Kontakt

Willy Breitner
willybreitner@tesionmail.de
auch gerne mobil: 0179-7882450

Zufahrt

Bushaltestelle:
Diffenébrücke (auf der Diffenéstraße) 1 Minute Fußweg
Straßenbahnhaltestelle:
Luzenberg (vor dem Wasserturm) 5 Minuten Fußweg

Achtung Autofahrer und Fußgänger: Die Kurve der Industriestraße vor dem Lagerhaus ist unübersichtlich und gefährlich!

COFFEE-ROASTING AND MALT COFFEE PLANT

THE WAREHOUSE

„Lagerhaus” (warehouse) is written on this impressive corner building, now a well-known event venue. The neat brick house belonged to Kaffeerösterei und Malzkaffeefabrik von Valentin Knieriem. In 1906 Knieriem built low production buildings at the end of the Industriestraße. Later, he used his whole site and built the high, narrow house with its pointed roof. A large freight elevator was located where the modern staircase now stands.

Valentin Knieriem’s land was sited at an important traffic junction. The harbour railway ran along the edge of the site, the tram ended on the left. Hundreds of workers alighted here, to go to the nearby Strebelwerke and the Süddeutsche Kabelwerke (cable works). More tracks, which crossed the streets here, lead to the Diffené Bridge and the Waldhof-Becken (part of the harbour).

By the 1920s, the dangerous intersection had been modified. The newly built three-storey house, with its large windows, offered lots of light-filled space. Here, raw coffee and malted barley was washed, polished, sorted, roasted and stored.

Among other products, Knieriem produced "Pyra" malt-coffee, which he called "a highly nutritious and an excellent people’s-coffee-substitute". People called it "Muckefuck" which comes from mocca faux - French for false mocca.

Around 1910, the Pyra-Malz-Coffee became well-known through advertisement stamps. The name "Pyra" refers to the “Pyramid” by the Kaiser-Wilhelm-Becken, which was used as a motif on the stamps. In 1810 the “Pyramid” was built as the northern measuring point of the Mannheim Observatory.

The company was part of the Rheinischen Getreidekaffee-Gesellschaft (grain coffee company) that operated in Nierstein, Andernach and Gernsheim. Also in Berlin, where existing malting houses were used. From the early 1930s, Knieriem’s widow carried on the production for a few years. Then the company Andreae & Co took over the Pyra-Malt-Coffee production until the end of the war. After this, various other businesses moved into the buildings.

The severely neglected building was almost in ruins when, in 1996, it was refurbished and converted to an event venue. This created space for light-flooded offices, a disco, a bar and a dance school. The first floor has been converted into a dance room. The original ribbed ceiling can still be seen.

From 1996 to 2004, the Lagerhaus was the venue for many from the art and culture sector. This is where the first plans were made for the Mannheimer Pop-Akademie. Today, the rooms can be rented for private functions.

Denkmalschutz
Nein
Barrierefrei
Nein