Lagerhaus „Schreiber” in Mannheim Neckarau-Fabrikstation
Auffallend in Orangetönen und Grau gestrichen, liegt der große drei Stockwerke umfassende Lagerbau an der Rheintalbahn. In der Mitte ist vor dem Flachdach die Fassade über zwei Fensterachsen in der Art eines griechischen Tempels erhöht, rechts und links erstrecken sich jeweils 5 Achsen mit Sprossenfenstern. Die Ecken und die Mitte des großen Gebäudes sind farblich wie klassische Säulen betont, symbolische weiße Putzornamente stellen Schiffe dar, weisen aber auch eher auf medizinische Bereiche hin.
Dieses repräsentative Haus war das Zentrallager und die Hauptverwaltung eines bekannten regionalen Lebensmitteleinzelhandels. Früher stand der Namenszug JOHANN SCHREIBER noch auf dem obersten Fries. Im Hof imponieren große Einfahrten und Laderampen, teilweise ist noch das alte Pflaster zu sehen.
Ein weiteres altes Gebäude weist eine historische, aber schmucklose Fassade auf, die auf das Lagergebäude Bezug nimmt. Es handelt sich dabei ursprünglich um das Wohnhaus von Johann Schreiber, und wird jetzt noch als Wohnung der Besitzerfamilie genutzt. Zur Straße gelegen ist das repräsentative, drei Stockwerke hohe Verwaltungsgebäude. Weitere Fabrikations- und Lagerhallen sind rechts des Hofes gelegen.
Lager- und Verwaltungsgebäude der Fa. Johann Georg Schreiber, einer Handels- und Großhandelsgesellschaft. Sie dienten der Fabrikation, der Packung und Verarbeitung von Lebensmitteln, der Herstellung von Malzkaffee, der Kaffee-Großrösterei, der Fabrikation von Sauerkraut und der Wein- und Apfelweinkellerei - alles war vorhanden, um die Zweiggeschäfte (heute Filialen) umfassend bedienen zu können.
Fleischwarenfabrik, Fotostudio und Atelier "Fabrikstation", Getränkedienstleister, Lager, Großhandel, Schulungsräume
1850 gründete Johann Georg Schreiber ein Handelsgeschäft mit Kolonialwaren in T1/6 am ehemaligen Neckartor, das seit 1881 von seinen Söhnen Georg, Konrad und Heinrich weiter geführt wurde. Sie gründeten darüber hinaus einen umfangreichen Großhandel, der sich bis weit nach Württemberg und Bayern entfaltete.
In den 1880er und 1890er Jahren bauten die Gebrüder Schreiber zahlreiche Filialen in verschiedenen Stadtteilen Mannheims auf. Ebenfalls in den eingemeindeten umliegenden Dörfern und später in den Nachbargemeinden Ludwigshafen, Speyer, Schwetzingen, Heidelberg, Weinheim und Viernheim. Obwohl das Stammhaus in T1 die Häuser 6,7 und 8 umfassten und zu fünfstöckigen Lagergebäuden umgebaut worden waren, reichten diese Räumlichkeiten nicht mehr.
Ende 1913 wurde deshalb der Neubau beschlossen, der verkehrstechnisch günstig an der Rheintalbahn gelegen sein sollte. Bis zum Kriegsausbruch 1914 stand der Rohbau, mangels Arbeitskräften war das Gebäude erst im Jahr 1917 bezugsfertig. Es umfasste auf 12.000 qm damals modernste Logistik mit Warenaufzügen und internen Transportmitteln für Entladung und Stapelung. Es gab einen direkten Gleisanschluss, der Hof bot Platz für Autos und Pferdefuhrwerke.
Die Anlage umfasste auch die Verarbeitung von Lebensmitteln: Eine Kaffeerösterei für Bohnenkaffee, Malzkaffeeherstellung, eine Sauerkrautfabrik mit Bottichen für je 50 Zentner und eine Apfelweinkelterei. Außerdem wurden Lebensmittel für den Einzelhandel verpackt.
Gereimte Werbesprüchlein gehörten zu Schreibers Image. Folgende stehen im Mannheimer Adressbuch von 1937/38:
- Die Hausfrau spricht: Was koch ich morgen? Schreiber nimmt die alles Sorgen!
- Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, wissen wo Schreibeläden sind.
- Jeder Zweifel ist verschwunden, Schreiber leistet Dienst am Kunden!
Das Unternehmen expandierte stetig und blieb bis in die 1970er Jahre in Familienbesitz. Im Zuge der Zentralisierung im Einzelhandel wurde das Unternehmen durch coop aufgekauft und ging mit ihm unter.
In den 70er Jahren kaufte die Fleischfabrik Müller den Gebäudekomplex. Die meisten Räumlichkeiten des Lagerhauses und des Verwaltungsbaus sind an Handel, Gewerbe und Dienstleister vermietet. Die modernen Funktionsgebäude auf dem Hof, ursprünglich teilweise Garagen des Schreiberschen Fuhrparks werden als Fleischfabrik genutzt.
Mannheimer Stadtreklame (Hrsg.), Mannheim – Das Kultur- und Wirtschaftszentrum Südwestdeutschlands, 1928