Motoren Werke Mannheim GmbH (MWM) und Carl Benz
Die Carl-Benz-Straße läuft quer durch den Mannheimer Stadtteil Neckarstadt, ihre Hausnummer 1 ist die Adresse der „Motoren Werke Mannheim” - MWM - die bis in die 1970er Jahre noch die Bezeichnung „Benz, Abt. stationärer Motorenbau” im Namen führten. Ihr heutiger Besitzer ist die Caterpillar Energy Solutions GmbH. Tatsächlich ist die mehr als 120 Jahre alte große Fabrik die dritte Station der Firmenniederlassungen von Carl Benz in Mannheim.
Nach der engen Werkstatt in den T-Quadraten siedelte sich Carl Benz 1887 zunächst auf der anderen Straßenseite in der Waldhofstraße 24 mit einem Fabrikgebäude an. Davon ist jedoch nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg nichts erhalten. An dem heutigen Wohnhaus mit Polizeiwache im Erdgeschoss erinnert eine Bronzetafel an Carl Benz.
Umso größer, und beständig am alten Standort, ist die nächste Station des Motorenbauers und Automobilerfinders. Er hatte sich mit seinem Werk damals am Rand der Arbeitervorstadt ausgedehnt in direkter Nähe des Straßenbahndepots, heute liegt das Werk mitten im Stadtteil. (Auf einige beachtenswerte Straßenbilder wie die südliche Max-Joseph-Straße und die Gartenfeld- und Alphornstraße, die zeitgleich entstanden, sei hingewiesen.)
Seit 1922 ist MWM eine unabhängige, eigenständige Firma, die sich auf stationäre Motoren spezialisierte. Im Werk werden heute Anlagen zur dezentralen Stromerzeugung auf Basis von Gas und Dieselmotoren hergestellt, die in Industriebetrieben, Stadtwerken und z.B. Biogasanlagen eingesetzt werden. Das sind oft riesige Motoren mit bis zu 20 Zylindern und einem Gewicht bis zu 50 Tonnen, die von Mannheim in alle Welt, mit wachsender Tendenz nach USA und China, exportiert werden. MWM - heute Catrpillar - hat weltweit rund 1280 Mitarbeiter bei 11 Tochterfirmen. Mannheim ist die Zentrale mit etwa 800 Beschäftigten (Stand 05/2011).
Obwohl hier schwerste Metallteile bearbeitet werden, dringen weder Lärm, noch Gerüche, Dämpfe und Erschütterungen nach außen, denn hinter den langen historischen Fassaden wird mit modernster Technologie gearbeitet. Doch sie schotten die gesamte Anlage auch weitgehend blickdicht ab. Die langen, unterschiedlich gestalteten Backstein-Fassaden an der Waldhofstraße und an der Carl-Benz-Straße rechts und links der markanten grauen Säulen-Ecke sehen tatsächlich noch weitgehend so aus wie auf der Fotografie der 1920er Jahre.
Ebenso ist ein teilweise begrünter Giebel in der Hohwiesenstraße in seiner bauzeitlichen Form erhalten. Die abgerundete Säulen-Ecke aus Beton entspricht den Ideen der 1950er Jahre. In der Carl-Benz-Straße schließen sich schicke Bauten der 1960er Jahre mit dem Eingang zum Werk an. Entlang der Max-Joseph-Straße ziehen sich Fertigungshallen mit Sheddächern aus den 1950er und 60er Jahren fast bis zum neuen Messplatz.
Eine kleine „Bau-Lücke” befindet sich auf der Höhe der Stamitz-Straße. Hier stand bis zu seiner Zerstörung durch Bomben im 2. Weltkrieg ein stattliches katholisches Waisenhaus, das aus nachvollziehbaren Gründen dort nicht wieder aufgebaut wurde.
Bedauerlich ist, dass das einzige denkmalgeschützte Objekt dieser alten Fabrikanlage ebenfalls verloren ist: der kugelförmige Wasserturm aus Stahl, für viele Fotografen das Wahrzeichen der MWM. Er wurde ohne Genehmigung im April 2009 von der Firma schlicht abgerissen.
Fabrik für stationäre Motoren
Fabrik für stationäre Motoren
Vorgeschichte: 1886 Carl Benz expandiert in der Neckarstadt. Carl Benz hat bereits 1886 am (damaligen) Rand der Neckarstadt in der Waldhofstraße 24 ein Grundstück von 4.000 qm gekauft und baut dort ein dreigeschossiges Fabrikgebäude, das er 1887 bezieht. Dort kann sich die „Rheinische Gasmotorenfabrik“ ausbreiten, nachdem die Werkstatt in den Quadraten zu klein geworden ist. (Verg. Beginn in den Quadraten) Benz steigert die Produktion von ortsfesten Motoren zwischen 1887 und 1892 von jährlich 80 auf 500 Motoren.
1890 erwirbt C. Benz das benachbarte Gelände der heutigen MWM/Catapillar (30.000 qm) und baut dort Produktionshallen. Ein Jahr später kauft er vorausschauend ein riesiges Gelände von 311.000 qm in Mannheim-Waldhof/Luzenberg, das jedoch erst sieben Jahre später bebaut wird. Gleichzeitig befasst sich Carl Benz mit der Produktion von Autos. 1893 richtet er ein Entwicklungs- und Testlabor für Automobile ein. Diese erfreuten sich zunehmender Nachfrage. 1895 baut er den ersten motorisierten Bus für den Linienverkehr. 1896 beschäftigt er bereits 250 Arbeiter.
1899 wird seine Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt mit einem Kapital von 3 Mio Mark. Im Aufsichtsrat sitzen vor allem Großbanken, beherrschend die Deutsche Bank (Quelle 11, S. 36). 1900 ist die Benz AG der führende Automobilfabrikant auf der ganzen Welt. Zahlreiche Geschwindigkeits-Weltrekorde werden von Benzfahrzeugen gehalten (z.B. 1911 228 km/h).
1903 scheidet Carl Benz aus der Firma aus. (Der weitere Werdegang von C. Benz und seiner Söhne ist bei der Beschreibung des Automuseums in Ladenburg dargestellt).
Benz – Abteilung stationärer Gasmotorenbau: 1908 wird das nach modernsten Gesichtspunkten gebaute Werk in Luzenberg fertig gestellt. Dort konzentriert man sich auf den Automobilbau und bald auch auf Flugzeugmotoren, während sich das Stammwerk in der Neckarstadt als „Abteilung stationärer Gasmotorenbau“ auf den Bau und die Vervollkommnung von kompressorlosen Dieselmotoren spezialisiert. Der Ingenieur Prosper L´Orange als technischer Leiter führt viele wegweisende Neuerungen beim Dieselmotor ein (Vorkammerverfahren, das allerdings erst 1920 auf den Markt kommt). Diese finden vor allem in Schiffen Verwendung.
Zwischen 1907 und 1911 übernimmt die Benz AG schrittweise die Süddeutsche Automobilfabrik Gaggenau, die zum Zentrum der LKW-Branche der Benz AG wird. Die Produktionspalette wird in diesen Jahren zunehmend auf Rüstung festgelegt. Die Motorisierung des Heeres durch LKW gehört dazu. Seit 1908 werden sogar Privatkäufer von LKW durch die Heeresverwaltung subventioniert, wenn diese sich bereit erklärten im Kriegsfalle ihr Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. 5000 solcher „Subventionswagen“ sind bis 1914 registriert, überwiegend Produkte von Benz und Daimler. (Quelle 11, S. 42)
1912 gewinnt die Benz AG den Kaiserpreis für den besten Flugzeugmotor mit 104 PS. Daimler erhält den 2. Preis. Unmittelbar vor Kriegsausbruch haben die beiden Modelle Serienreife erreicht und stehen zur militärischen Verwendung bereit. (Quelle 11, S. 42) Im 1. Weltkrieg werden im alten Benz-Werk in der Waldhofstraße Motore für U-Boote und Minenräumboote hergestellt, während im neuen Luzenberger Werk Flugzeugmotoren produziert werden. Lastkraftwagen, Halbkettenfahrzeuge und Schützschlepper werden in Gaggenau hergestellt. Der Umsatz verdoppelt sich zwischen 1914 und 1918. Die Zahl der Beschäftigten (aller Benzwerke) wuchs von 1914-18 von 7.700 auf 12.000, erstmal sind auch Frauen als Arbeiterinnen beschäftigt. Im ersten Weltkrieg werden Unterseebootmaschinen „mit dem Aufgebot aller Kräfte“ hergestellt (Quelle 1), heißt es in einer Publikation von 1928.
Ab 1922: MWM als eigenständige Firma: 1922 wird das "alte Benz-Werk" von der „Deutschen Verkehrsbank Berlin“ gekauft (Quelle 2) und firmiert von da an unter „Motorenwerke, vormals Benz Abteilung stationärer Motorenbau, AG Mannheim“. Diese Erinnerung an Carl Benz in Namen trug das Werk noch 1970 (Quelle 3). Technischer Leiter bleibt der Ingenieur und Dieselmotorpionier Prosper L´Orange. Das Werk ist jetzt eine selbständige und unabhängige Firma. 1923 das Warenzeichen MWM wird registriert. 1924 das MWM-„Motorpferd“, eine Straßenzugmaschine mit einem 18 PS Dieselmotor wird produziert. Bei einer Vorführ-Fahrt auf den Königsstuhl werden 5 Tonnen Anhängerlast hochgezogen. (Quelle 9) 1925 wird die Straße an den Motorenwerken in Carl-Benz-Straße umbenannt, noch zu Lebzeiten von Carl Benz, der 1929 stirbt. (Nach Gottfried Daimler ist die heutige Murgstraße benannt). Von 1924 bis 1931 stellte MWM Dieselmotoren für Nutzfahrzeuge und landwirtschaftliche Maschinen her, u.a. für Unternehmen wie Claas, Renault, Fendt und Lanz.
1926 erwirbt die Firma Süddeutsche-Bremse AG München (bekannt als Knorr Bremse AG) die Aktienmehrheit an MWM (Quelle 1 und 2), was zu einer weiteren Expansion führt. MWM-Dieselmotoren von 5-1000 PS wurden in Schiffen, Schleppern, Flugzeugen, Lokomotiven und in der Industrie eingesetzt. 1929 beträgt der Jahresumsatz der MWM 11,4 Mio Mark, in der Weltwirtschaftskrise sinkt die Produktion auf einen Tiefstand: 1932 nur noch 4,1 Mio Mark. Dank der Nachfrage für die Rüstungspolitik des NS-Staates steigt von 1934 bis 1939 die Produktion bei MWM wieder von 6,5 auf 25 Mio mit 1436 Beschäftigten. (Quelle 9)
Im 2. Weltkrieg sind die MWM-Motoren für Marinezwecke kriegswichtige Produkte. Zu ihrer Produktion werden auch Zwangsarbeiter aus Italien, der Ukraine sowie aus Polen und Russland eingesetzt, erbärmlich untergebracht in fabriknahen Baracken in der Carl-Benz-Straße 14 und 16 und auf dem Sportplatz im Huthorstweg. Bei Bombenangriffen auf das Werk sind die Zwangsarbeiter in großer Gefahr, denn in den unterirdischen Bunker (etwa unter der Max-Joseph-Straße), der einen direkten Zugang zum Werk hat, dürfen die ausländischen Arbeiter nicht. Französische Zwangsarbeiter waren in einem Lager in Viernheim untergebracht (Quelle 4). 1942 wird Ruth Faulhaber die Lehrstelle bei MWM gekündigt. Sie war die Tochter des Widerstandskämpfers Jakob Faulhaber aus der Lechleitergruppe, der hingerichtet worden war. (Quelle 5)
1944 werden die Maschinen von MWM wegen zunehmender Bombenangriffe in die Salzbergwerke in Kochendorf ausgelagert. Dort werden weiter U-Bootmotoren produziert (Quelle 6). Bei Kriegsende soll das Werk in Mannheim „zum größten Teil zerstört“ gewesen sein (Quelle 7); andere – werksinterne - Angaben sprechen von 30 % bei den Werkstätten und 50% bei den Verwaltungsgebäuden. (Quelle 10)
Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg hat MWM eine Belegschaft von 200 Personen, sie wächst bis 1955 auf 3000. Zunächst werden Schlepper(Traktor)-Dieselmotoren produziert. 1953-57 nimmt die Kleindieselmotorenproduktion rasch zu. Abnehmer sind u.a. die Firma Fendt und Renault. MWM hat 1954 internationale Lizenzverträge mit Firmen in Japan, Pakistan, Argentinien und Spanien geschlossen. In Brasilien werden seit 1955 MWM Dieselmotoren hergestellt, wenige Jahre später in Spanien. Verkaufs- und Kundendienstorganisationen werden im Iran, in Frankreich und Dänemark aufgebaut. Die technische Entwicklung spiegelt sich in der Weiterentwicklung der Dieselmotoren. Entwicklungsaufträge erhält die MWM 1967 auch aus dem Bundesministerium für Verteidigung (Quelle 10).
Neue Produkte - Stromaggregate: Schon 1952 baute MWM Notstromaggregate in Zusammenarbeit mit Elektrofirmen, 1962 geht man zum Bau von kompletten Stromerzeugungsaggregaten mitsamt den Schaltanlagen in Eigenverantwortung über. Das Werk wird in den 1960er Jahren noch einmal wesentlich erweitert und modernisiert. Moderne Fertigungs- und Montagestraßen mit Prüfstand, Endmontage und Versandanlage werden bis 1966 neu eingerichtet. Auch kleinere Serien können wirtschaftlich gebaut werden.
1969 werden erstmals computergesteuerte Bearbeitungszentren (in den Hallen an der Hohwiesenstraße) eingerichtet. Die EDV hatte schon 1957 mit einer „lochkartenorientierten IBM Anlage 420“ in der kaufmännischen Abteilung Einzug gehalten. In den 1960er und 70er Jahren zieht die Buchhaltung und Vertrieborganisation nach (Quelle 10). 1969 und 1971 richtet MWM Ausländerwohnheime in zwei früheren Hotels ein. 1975 werden drei neue Werkshallen aufgestellt für den Bau von noch leistungsstärkeren Dieselmotoren und Elektroaggregate. 1976 erreicht der Jahresumsatz eine Rekordhöhe von 450 Mio DM, das bedeutet eine Verdoppelung innerhalb von 4 Jahren. 1977 erwirbt MWM einen Teil des stillgelegten Strebelwerks als Ersatzteillager.
In den 1960er bis 1980er Jahren erweist sich die gewerkschaftlich gut organisierte Belegschaft der Motorenwerke Mannheim als ausgesprochen kampfstarker Betrieb der Mannheimer Metallindustrie. Zahlreiche Streiks und Warnstreiks werden hier durchgeführt.
1985 kauft die Deutz AG (Köln) die MWM, der Standort Mannheim bleibt erhalten, der Name wird geändert zu „Deutz Power Systems“, man baut vor allem Gasmotoren. 2007 verkauft Deutz das Unternehmen für 360 Millionen Euro an den Finanzinvestor 3i. Die Firma führt nun wieder den Namen MWM, diesmal als GmbH. Der US-Konzern Caterpillar Inc. ist am Kauf von MWM interessiert (Quelle 8, Frühjahr 2011) und kauft schliesslich auch als Caterpillar Energy Solutions GmbH.
Heute werden vor allem Gasmotoren für Blockheizkraftwerke und Biogasanlagen im Leistungsbereich zwischen 400 und 4300 kW angeboten. In geringerem Umfang werden nach wie vor auch noch Dieselmotoren produziert. (Quelle 2)
- Mannheim, das Kultur- und Wirtschaftszentrum Südwestdeutschland, Hrg. Mannheimer Stadtreklame 1928
- wikipedia.org/wiki/MWM jetzt: de.wikipedia.org/wiki/Caterpillar_Energy_Solutions
- Mannheim, Mittelpunkt im Rhein-Neckar-Raum, Mannheimer Verlagsanstalt GmbH, 1970
- zwangsarbeit.igmh.de
- Antifaschistische-nachrichten 20.1.2005
- burgen-web.de/kz-kochendorf.pdf
- Mannheim im Aufbau, Werbeverlag Pichler und Casse unter Mitwirkung der Stadtverwaltung Mannheim, 1955
- Mannheimer Morgen 30.10.2010.
- Internes Papier der MWM T2 Lin/Sp von 1977: Wichtige Daten aus der Geschichte der MWM
- Internes Papier der MWM T2 Lin/L von 1973 Motorenwerke Mannheim AG, Zeittafel 1945-1972
- Das Daimler Benz Buch – Ein Rüstungskonzern im „Tausendjährigen Reich“, HRG. Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts 1987