Neckarschleuse Mannheim-Feudenheim
Der Architekt Paul Bonatz beschreibt die von ihm mitentworfene Neckarschleuse in einem zeitgenössischen Bericht folgendermaßen: "Das monumentalste Werk der Neckarkanalisation ist die Doppelschleuse bei Mannheim. Statt der sonst üblichen Drehtore sind hier Hubtore verwendet worden, die beim Untertor und Obertor je drei Türme erforderten. Die oberen Türme sind 17 m, die unteren Türme 21 m hoch. Dazu kommt bei den unteren Türmen noch die Stauhöhe von 10 m. Die Maschinen stehen jeweils im obersten Geschoss. Zur Aufnahme der Antriebswellen wurden die Türme mit geschlossenen eisernen Stegen verbunden. Auf der Oberseite des unteren Mittelturms ist der Kommandostand ausgekragt, in welchem die gesamte Schaltung vereinigt ist.
Charakteristisch für die Türme sind der Rhythmus der Wiederholung, das Anstemmen gegen die Stromrichtung, das durch den Anlauf und die Pultdächer zum Ausdruck gebracht ist, und die Führungsschlitze in den glatten Seitenwänden. Die Betonflächen blieben schalungsrauh stehen."
Die Schleusengruppe befindet sich am Ausgang eines über 6 km langen als Kraftwasserkanal zusätzlich genutzten Schifffahrtskanal. Die Schleuse ist ein Massivbau mit Hubtoren. Sie besteht aus zwei Schleusenkammern, den Schleusentoren mit Antriebshäuschen sowie den Dienstgebäuden der Schleusenwärter. Ursprünglich war sie nur mit jeweils 110 m langen Kammern ausgestattet. Sie wurde 1970-73 mit dem 190 m langen nördlichen Becken durch eine Spundwandschleuse mit Stemmtoren erweitert und am 24. September 1973 dem Verkehr übergeben. Dadurch können auch größere Schiffe bis 2700 t neckaraufwärts fahren. Die Türme dienten der Aufhängung der Hubtore. Durch die erforderliche Umrüstung der Schleusenhäupter auf Stemmtore verloren die Hubtürme ihre Funktion. Zwischen den Türmen laufen in luftiger Höhe Verbindungsstege. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde am nördlichen Hubturm der neue Steuerstand errichtet.
Mit der jüngsten Sanierung wird die mittlere der drei Kammern stillgelegt und verfüllt. Die andere ältere südliche Kammer wird auf 140 m verlängert, um sie für Schiffe mit einer Länge bis zu 135 m tauglich zu machen.
Schleuse
Schleuse
Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass der Neckar in früheren Zeiten ein wilder reißender Fluss gewesen ist. Die ersten Maßnahmen, ihn zu bändigen, erfolgten zwischen 1790 und 1795, als er von der Mündung in den Rhein bis Feudenheim in ein schnurgerades Bett gezwungen wurde. Erst im frühen 20. Jahrhundert wurde die Kanalisierung weitergeführt. Mit dem Reichsgesetz über den Ausbau der deutschen Wasserstraßen 1911 und der Gründung des südwestdeutschen Kanalvereins für Rhein, Donau und Neckar 1916 kam als Planungsperspektive die Großschifffahrtsstraße Neckar bis Plochingen zum Tragen. Der Neckarkanal ist die größte und eine der bedeutendsten Bau- und Planungsaufgaben des Reiches bzw. des Bundes. Bemerkenswert ist, dass die Bauten mit besonderer Rücksicht auf die Landschaft geplant wurden. Der Neckarkanal ist in allen seinen Bestandteilen als Bundeswasserstraße eine materielle Quelle der Landesgeschichte Baden-Württembergs von überragendem Rang. Er besitzt damit in seiner ganzen Länge die Qualität eines Kulturdenkmals.
Um die unterschiedlichen Höhen des über 200 km langen Kanals auszugleichen waren 27 Staustufen erforderlich. Ein weiteres Ziel dieser herausragenden Ingenieurleistung war die Energiegewinnung durch Laufwasserkraftwerke (ohne Speichermöglichkeit) an den jeweiligen Staustufen sowie der Hochwasserschutz für mehr als 2000 ha Uferfläche.
Die Schleuse Feudenheim (auch als Staustufe Ladenburg bezeichnet) bei km 6 des Neckars als Bundeswasserstraße Nr. 27 war im Jahre 1927 fertiggestellt. Am 28. Juli 1935 fand die Einweihung der 113 km langen Kanalstrecke Mannheim-Heilbronn statt. Nun konnten Schleppkähne bis 80 m Länge und 10,25 m Breite den Neckar befahren. Die Endstufe in Plochingen war im Jahre 1968 fertig.
Der Entwurf der Feudenheimer Schleuse im Stile der Neuen Sachlichkeit stammt von dem bekannten Stuttgarter Architekten Paul Bonatz (1877-1956) in Zusammenarbeit mit dem Leiter der 1920 eingerichteten Reichsbehörde "Neckarbaudirektion", dem Ingenieur Otto Konz (1875-1965). Beide zeichnen für eine große Zahl der Neckarschleusen verantwort. Die hohe Qualität der Planung kommt besonders auch darin zum Ausdruck, dass - anders als üblich - an mehreren Stellen gleichzeitig mit dem Ausbau begonnen wurde. So wurde z.B. die Staustufe Untertürkheim schon 1919 begonnen und fügt sich nahtlos in das Gesamtkonzept ein. Bonatz und Konz ist in den Schleusen des Neckarkanals eine einzigartige Synthese von Zweckmäßigkeit und Schönheit gelungen.
Bis 1973 konnten in der Feudenheimer Schleuse nur Schiffe bis 1200 t einfahren. Damals entstand eine dritte Kammer für größere Schiffe, so dass dann auch größere Schiffe den Neckar befahren konnten.
Unweit der Schleuse Feudenheim bei km 8 des Neckars nahe der Lauffender Straße entstand 1925-27 im Auftrag der Neckarbaudirektion Stuttgart als eingeschossiger Bau ein Wasserkraftwerk, das wie die meisten anderen Neckarkraftwerke auch von der Neckar-AG betrieben wird. Dieses ist ein Brückenbau über den Verbindungskanal zwischen Neckarkanal und Neckar. Im Innenraum befinden sich drei Turbinen, die in der Tradition der ursprünglichen Turbinen hergestellt wurden. Alle drei sind aber mittlerweile erneuert worden. Die Schaltzentale südlich des Wasserkraftwerks, ein einfacher Bau mit Flachdach, gehört funktional dazu. Die Transformatoren sind an der Südseite des Hauptbaus installiert. Die installierte Leistung der Werke schwankt zwischen 1200 kW und 7200 kW. die Kraftwerke besitzen eine bis drei Turbinen. Bei den älteren Werken wie Feudenheim sind es durchweg Kaplan-Turbinen mit senkrechter Welle. Da sich der Planungszeitraum der Werke über 46 Jahre hinzog und da die Entwürfe dem jeweiligen Stand der Technik und des Zeitgeschmacks angepasst wurden, weisen die Anlagen weder technisch noch architektonisch eine einheitliche Linie auf.
- Paul Bonatz: Zu den Bauten der Neckarkanalisation, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit, 5. Jg., 1930, S. 497ff
- Feudenheim. Illustrierte Geschichte eines Mannheimer Vorortes, bearb. von der Geschichtswerkstatt Feudenheim, Mannheim 1991, S. 18ff
- Hanspeter Rings: Als die Großschiffahrt das Neckartor eroberte - die Neckarkanalisierung von 1919 bis 1933, in: Mannheim 1981-1939, bearb. von Monika Ryll, Mannheim 1994, S. 148ff
- Bernhard Stier: Politik - Landschaftsschutz - Architektur. Kontroverse um den Bau des Neckarkanals in den Jahren 1920-1935, in: Beiträge zur Landeskunde. Regelmäßige Beiträge zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Februar 1995, S. 1ff
- Bernd Nicolai: Paul Bonatz - Baumeister für Krieg und Frieden, in: Architektur und Ingenieurwesen zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945, hrsg. von Ulrich Kuder, Berlin 1997, S. 96ff
- Mannheim und seine Bauten 1907-2007, bearb. von Andreas Schenk, Bd. 4, Mannheim 2004, S. 50-51, 109
- Rolf-Dieter Blumer, Markus Numberger, Angelika Reiff: Über die Zukunft des größten Kulturdenkmals Baden-Württembergs. Die Bundeswasserstraße Neckar und ihre wasserbautechnischen Anlagen am Beispiel des Oberen Stauwehrs in Heilbronn-Horkheim, in: Denkmalpflege in Baden-Württmberg 4, 2009, S. 217ff
- Heinrich Renschler: Neckardurchschnitte Mannheim-Feudenheim - Neckarbrücke 1789-1805 (Teil 1), in: Mannheimer Geschichtsblätter 34/2017, S. 27ff
- Denkmalakten Stadt Mannheim (Neckarkanal, Neckarschleuse, Neckarkraftwerk)