Siedlung der Rheinischen Gummi- und Celluloid-Fabrik in Mannheim-Neckarau
Die ca. 8000 qm große Siedlung bildet durch Vor- und Rücksprünge der Häuser und des Straßenverlaufs eine interessante städtebauliche Anlage. Die beiden Bauten am südlichen und nördlichen Ende in der Wilhelm-Wundt-Straße sowie in der Schwingstraße stellte der Architekt jeweils quer und erzeugte damit einen tor- und hofähnlichen Charakter. Bei den vier mittleren Doppelhäusern erhält die Straße durch Ausweitung eine platzartige Anmutung.
Die zweistöckigen Wohnbauten mit Erker und Balkonen verfügen durch das abgewalmte Mansarddach über einen hohen Spitzboden, der in einigen Häusern später zu separaten Wohnungen ausgebaut wurde. Die Kammern im ersten Dachgeschoss werden abwechslungsreich durch Gaubenbänder, Walmdachgauben oder Zwerchhäuser sowie der Spitzboden durch Fledermausgauben belichtet. Ursprünglich wies die Arbeiterkolonie 48 Wohnungen auf. Jede Haushälfte hatte zwei abgeschlossene Wohnungen mit eigenem Zugang. Die ca. 50 qm große Wohnung im Erdgeschoss war von der Schmalseite des Gebäudes zugänglich und mit zwei Zimmern, Küche, Toilette und Stall kleiner als die 85 qm große im ersten Obergeschoss, zu der noch zwei Dachkammern und ein Speicher gehörten. Die Erschließung erfolgte hier über eine Haustür im straßenseitigen Erker. Die Wohnungen der oberen Etage hatten von der Küche aus einen Austritt auf den Balkon. Im Keller lag die gemeinsam genutzte Waschküche. Die Siedlungshäuser stehen inmitten eines großen Gartens für Nutzpflanzen und Obstbäume. Als eigentümliche planerische Variante verlegte Stober die Kleintierställe in den rückwärtigen ebenerdigen Bereich der Gebäude, also Wand an Wand mit dem Wohnraum. Der vorhandene Keller konnte für diese Nutzung nicht herangezogen werden, weil das Gartengelände nicht abschüssig ist.
Die historische Siedlung wurde durch erhebliche Kriegsbeschädigungen in ihrem Bestand stark minimiert und hat heute ihren einheitlichen Charakter durch neue Eigentumsverhältnisse und Grundstückszuschnitte überwiegend verloren.
Werksiedlung der Rheinischen Gummi- und Celluloid-Fabrik
Wohnnutzung
Die Rheinische Gummi- und Celluloid-Fabrik - um 1900 mit 6000 Beschäftigten größter Arbeitgeber in der Region - ließ durch den Architekten Leopold Stober entlang der Karpfenstraße in Neckarau unweit des sich damals an der Morchfeldstraße erstreckenden Werksgeländes in den Jahren 1908-09 12 Doppelhäuser konzipieren. Stober leitete die Mannheimer Zweigniederlassung des Karlsruher Architekturbüros von Hermann Billing, dem bekannten Architekten der Mannheimer und Baden-Badener Kunsthalle. Stober führte in der Quadratestadt zahlreiche Projekte aus, so z.B. auch den Wasserturm auf dem Neckarauer Firmengelände der Rheinischen Gummi- und Celluloid-Fabrik. Das Unternehmen war im Jahre 1881 von Friedrich Julius Bensinger gegründet worden und stellte Produkte aus Hartgummi her wie z.B. Griffe für Schirme und Stöcke, Tennisbälle oder die bekannte Schildkröt-Puppe, die ein Markenzeichen der Firma wurde. Zusätzliche Standorte bildeten die Anlagen in Mannheim-Rheinau und in Schwetzingen. Von den Bauwerken dieses für Mannheim wichtigen Unternehmens stehen heute nur noch der Wasserturm in der Janderstraße und die Turbinenhalle in der Floßwörthstraße. Der überwiegende Teil des Neckarauer Werksgeländes wurde in den 1990er Jahren durch die Fa. Codic als Dienstleistungs- und Gewerbepark mit Neubauten überplant. Die beiden anderen Standorte wurden schon zu früherer Zeit geschlossen.
- Roland Eisenlohr: Das Arbeiter-Siedelungswesen der Stadt Mannheim, Karlsruhe 1921
- Monika Ryll: Das Arbeitersiedlungswesen in Mannheim, in: Mannheim und seine Bauten, Bd. 5, 2005, S. 106-115
- www.albert-gieseler.de
Infolge Kriegsschäden ist der historische Gebäudebestand minimiert, stark verändert oder durch Neubauten ersetzt.