Überrest des Areals der Eisenwarenhandlung „L. Weil & Reinhardt“ in Mannheim
Nach Unterzeichnung der Mainzer Akte 1831, technischen Veränderungen in der Binnenschifffahrt und dem Ausbau des Mannheimer Hafens entwickelte sich Mannheim im 19. Jahrhundert zum führenden Binnenhafen am Oberrhein. Als dessen Folge ließen sich in der Stadt zahlreiche Handelsgesellschaften nieder. Dazu gehörte auch die Firma „L. Weil & Reinhardt“, die mit verschiedenen Eisen- und Stahlwaren wie Blechen, Draht, Façoneisen, Moniereisen, Stabeisen, Ziereisen, Säulen und Trägern, aber auch Schienen, Schwellen und Weichen, sowie zeitweise mit Feldbahnwagen und -lokomotiven handelte. 1913 warb das Unternehmen mit der Anlage completter Industriebahnen und Anschlussgleise(n). Ihre erste Niederlassung fand sich in Mannheim am Verbindungskanal.
Von der Eisenwarenhandlung „Weil & Reinhardt“ hat sich (verändert) die Einfriedung, eine Backsteinmauer mit bemerkenswerter Verzierung entlang der Hafenstraße erhalten. Auch im Gebäude Rheinstraße 11 dürfte noch alte Bausubstanz stecken, zumindest stimmt dessen Grundriss mit einem um 1900 dort von der Baufirma "F. & A. Ludwig" errichteten Gebäude überein. Auch die Öffnungen der Erdgeschossfenster zum Verbindungskanal dürften noch historisch sein. Das Haus wurde im Krieg beschädigt und nach 1945 offensichtlich aufgestockt. Der nach 1945 erstellte Schadensplan der Stadt Mannheim gibt für das frühere Kopfgebäude eine Beschädigung von 50 % bis 80 % an. Das übrige Areal galt mit Schäden von 80 % bis 100 % als zerstört.
Im Herbst 2024 wurde das Objekt abgerissen.
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Das Unternehmen wurde 1868 von Leonhardt Weil begründet. Der Firmengründer Leonhardt Weil war jüdischen Glaubens und ursprünglich in Frankenthal tätig. Er war zunächst Teilhaber der Firma „M. Marum“ und war 1863 zusammen mit Markus Marum nach Mannheim gekommen. Markus Marum war Großonkel des bekannten Rechtsanwalts und SPD-Politikers Ludwig Marum.1864 starb Markus Marums erste Ehefrau Sara, geborene Weil, im Kindbett. Ein Jahr später schloss ihr Witwer erneut den Bund fürs Leben. Dessen Wiederverheiratung führte offensichtlich zum Bruch mit seinem Geschäftspartner Leonhardt Weil. Im Dezember 1868 wurde ihre gemeinsame Gesellschaft aufgelöst. Darauf betrieben Marum und Weil ihre Geschäfte als die Konkurrenzunternehmen „M. Marum“ und „Louis Weil“ weiter.
Wenige Jahre später nahm Leonhardt Weil seinen bisherigen Prokuristen Emil Reinhardt als Teilhaber auf und firmiert fortan als „L. Weil & Reinhardt“. Wie Weil war Reinhardt jüdischen Glaubens. 1898 lieferte das Unternehmen Eisenträger zum Bau des Mannheimer Varietés Apollotheaters in G 6. Ende des 19. Jahrhunderts richtete das Geschäft eine Niederlassung im Rheinauhafen ein. In der dortigen Filiale besaß die Firma sogar elektrisch betriebene Transportanlagen und Maschine zur Metallbearbeitung sowie eigene Schmalspurgleise. In der Niederlassung am Verbindungskanal gab es dagegen eine Arbeiterkantine. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfügte der Betrieb über sechs Telefonanschlüsse (Nr. 6800 bis 6805 sowie Nr. 6076), was für einen regen Geschäftsgang spricht. Teilhaber Emil Reinhardt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Mannheimer Handelskammer vertreten und übernahm als Mitglied des Mannheimer Bürgerausschusses zeitweise auch kommunalpolitische Verantwortung. 1909 übernahm die Gesellschaft den Vertrieb der Erzeugnisse des im schweizerischen Bodio (Tessin) gegründeten „Gotthardwerks“, einer Fabrik für Metalllegierungen, an dessen Gründung die Firma „Weil & Reinhardt" beteiligt war. Ab 1920 firmierte die Eisenhandlung kurzzeitig als AG. Deren Grundkapital belief sich auf 1 Millionen Mark. Ihrem Aufsichtsrat gehörten die Rechtsanwälte Dr. Max Hachenburg und Dr. Emil Selb sowie die Kaufmänner Richard Lenel, Dr. Philipp Reinhardt und Sally Weil an. Im Januar 1924 konnte die Firma noch ihr 50-jährges Bestehen feiern, geriet aber wenige Monate später im Zuge der Ruhrbesetzung in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Juli 1924 wurde die Firma unter Geschäftsaufsicht gestellt und später vom Stinnes-Konzern übernommen. Das Firmenareal am Verbindungskanal war bereits 1923 an die „Rheinunion“ verkauft worden, die im Speditionsgeschäft tätig war.
Badisches Statistisches Landesamt (Bearb.), Handel und Verkehr in Baden im Jahr 1925, Karlsruhe 1927, S. 109.