Villa Dr. Fritz Engelhorn
Die in neobarockien Formen von dem Inhaber der Firma C. F. Boehringer & Söhne Dr. Fritz Engelhorn nach Plänen des bekannten Mannheimer Architekten Rudolf Tillessen errichtete Villa war bis zur Kriegszerstörung innen und außen eine der punkvollsten Villen der Mannheimer Oststadt. Die Fassaden sind trotz baulicher Beeinträchtigungen der Wiederaufbauzeit auch heute noch ein Meisterwerk der handwerklichen und bildhauerischen Kunst ihrer Epoche.
Das mit Hauptgebäude, Wirtschaftsgebäude, Remise und Dienstwohnung vom Architekten ursprünglich additiv um einen Hof geplante Ensemble besteht heute aus dem in mehrere Wohnungen aufgeteilten Hauptgebäude und einem verbliebenen Trakt des ehemaligen Wirtschaftsflügels. Anstelle des nach 1945 abgebrochenen Remisenflügels befindet sich nun eine moderne viertürige Garagenanlage.
Die fast vollflächig mit gelbem Sandstein verkleideten Fassaden des Hauptgebäudes sind durch stark bewegte Linienführung und üppigem bildhauerischen Schmuck charakterisiert. An der Fassade zur Werderstraße dokumentiert die Inschrift „Rud. Tillessen Architekt Anno 1903” den Entwurfsverfasser. Die Hoffassaden mit den beiden Treppenhäusern und ursprünglichen Wirtschaftsräumen setzen sich von den repräsentativen Fassaden durch orange Verblendklinker ab. Aber auch hier ist zur Dekoration der Fenster und Wandgliederung gelber Sandstein zum Einsatz gekommen. Auf die Rekonstruktion des ehemaligen Mansarddachs mit den geschwungenen Zwerchhäusern, auf den Treppenturm sowie auf die Eckbekrönung über dem überdachten Hauptzugang wurde beim Wiederaufbau nach 1945 zugunsten eines schlichten Vollgeschosses mit Flachdach verzichtet.
Die Villa ist auf dem Eckgrundstück in eine landschaftlich großzügig gestaltete Gartenanlage eingebettet. Dennoch schiebt sich an der Werderstraße als Unterkonstruktion eines Schmuckbalkons eine Engelsgestalt mit weit schwingenden Flügeln – sicherlich eine Andeutung des Namens des Bauherrn – in den öffentlichen Straßenraum. An der Erzbergerstraße führt eine barockisierende Freitreppe mit Schmiedegeländer unter einem säulengestützten Balkonvorbau in die parkähnliche Gartenlandschaft.
Industriellenvilla
Mehrfamilienwohnhaus, Büros und Friedrich Engelhorn-Archiv
Dr. Fritz Engelhorn (1855-1911), Sohn des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn (1821-1902), trat nach kurzem Zwischenspiel in der BASF im Herbst 1883 als Direktor in das Pharmaunternehmen C.F.Boehringer & Söhne ein. Die Firma war kurz zuvor aus der Mannheimer Innenstadt an den Altrhein auf dem Waldhof gezogen. Der promovierte Chemiker Fritz Engelhorn war sicherlich ein großer Gewinn für das Unternehmen, das hauptsächlich hochwertiges Chinin, ein fiebersenkendes Mittel, produzierte. Auch sein Vater Friedrich Engelhorn zog sich in jener Zeit aus der BASF zurück und investierte ein nicht unbeträchtliches Vermögen in die Firma seines Sohnes, die dieser zusammen mit Ernst Boehringer (1860-1892) bis zu dessen frühen Tod führte. Danach übernahm Engelhorn die alleinige Leitung.
Schon bald nach dem Tode seines Vaters beauftragte Dr. Fritz Engelhorn im Jahre 1902 den bekannten Mannheimer Architekten Rudolf Tillessen (1857-1926) mit den Entwürfen für eine Villa in der sich entwickelnden Oststadt, einem Viertel mit breiten Alleen und großen Plätzen, das bevorzugt Grundstücke für das Mannheimer Großbürgertum bereit hielt. Mit dem neuen Projekt konnte der Industrielle, der zuvor mit seiner Frau Marie geb. Joerger (1866-1953) und den vier Söhnen im elterlichen Palais in A 1 lebte, seine Vorstellungen von Repräsentanz und Wohnen verwirklichen. Zu den Bewohnern gehörte natürlich auch Dienstpersonal, insbesondere ein Chauffeur, der die Räumlichkeiten im Seitentrakt über der Remise bezog. Leider blieben dem Hausherrn in der Villa nur wenige Jahre vergönnt. Nach dem Ersten Weltkrieg vermietete die Witwe die Dachgeschoss-Wohnung. Sie selbst lebte – zeitweise mit den Familien ihrer Söhne Fritz und Hans, die nun das Unternehmen leiteten – bis zum Zweiten Weltkrieg in den beiden Vollgeschossen. Damals wurde das Haus durch Bomben stark beschädigt und anschließend verändert wiederaufgebaut. Das Mansarddach wurde durch ein modernes Vollgeschoss ersetzt. Die großzügige innere Raumstruktur wurde durch mehrere Wohnungen kleingeteilt. Den Luftraum der großen Halle schloss man mit Zwischendecken. Das Hauptreppenhaus wurde platzsparender wiederaufgebaut. Die Innenräume haben somit ihre Pracht des großindustriellen Wohnens verloren und erscheinen heute im schlichten Nachkriegsstil.
In eine der beiden neuen Dachgeschoss-Wohnungen zog 1955 für einige Jahre Curt Glover Engelhorn (1926-2016) mit seiner Familie. Als Enkel des Erbauers Dr. Fritz Engelhorn leitete er das Unternehmen Boehringer Mannheim als Geschäftsführer bis zum Verkauf an die Firma Roche im Jahre 1997. Drei Jahre später wurde auf Vereinsbasis mit dem Aufbau des Friedrich Engelhorn-Archivs begonnen und im ersten Obergeschoss die Sammlungsstätte eingerichtet.
Zwischen 2004 und 2010 kam es zu weiteren Sanierungs- und kleineren Umbaumaßnahmen, so u.a. der Anbau einer rückwärtigen Balkonanlage, Neubau von Garagen und Einbau eines Aufzugs.
Zum ehemaligen Wohnhaus des BASF-Gründers und Vaters des Bauherrn der Villa Werderstraße 44-46 Friedrich Engelhorn in C 4,6 siehe /objekte/ehemaliges-wohnhaus-des-basf-gruenders-friedrich-engelhorn.
- Mannheim und seine Bauten, Mannheim 1906, S. 319, 324, 325, 342, 346-349
- Detlef Junker: Marie Engelhorn. Eine kleine Übersicht meines vielbewegten Lebens, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv Mannheim 2002
- Mannheim und seine Bauten 1907-2007, Bd. 5, Mannheim 2005, S. 13-15
- Ferdinand Werner: Mannheimer Villen, Worms 2009
- Tobias Möllmer: Die Villa Engelhorn in Mannheim. Kunstwerk, Familienhaus, Baudenkmal, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv Mannheim, Worms 2012 (Rezension Melanie Mertens, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1, 2014, S. 67-68)
- Sebastian Parzer: Dr. Friedrich Engelhorn. Ein Mannheiner Unternehmer im Kaiserreich 1855-1911, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv Mannheim, Ubstadt-Weiher 2018