Wandel und Brüche am Industriehafen Mannheim - Panorama

Der technische Fortschritt und der damit einhergehende Abriss ungenutzter Schornsteine und Gebäude sowie der Neubau ganzer Fabriken haben den Industriehafen im Laufe der Jahrzehnte stark verändert. Auch der Zweite Weltkrieg, Wirtschaftskrisen und Strukturwandel haben dazu beigetragen, dass fast nichts mehr so aussieht wie bei der Entstehung des Hafens.

Nicht auf den ersten Blick sichtbar sind jedoch historische Fakten, die lange Zeit vergessen und verdrängt wurden.

Arisierung und Zwangsarbeit

Die dramatischsten Änderungen der Besitzverhältnisse erzwingen die Nationalsozialisten in den Jahren 1933-1938: sie schließen die jüdischen Eigentümer, die mit ihren Familien ein halbes Jahrhundert zur wirtschaftlichen Prosperität beigetragen haben, systematisch vom Wirtschaftsleben aus, schneiden sie von der Rohstoffzufuhr ab. Nicht-jüdische Geschäftsleute, meist Konkurrenten, kaufen die Fabriken weit unter Wert und kündigen den jüdischen Beschäftigten. Wer als Jude überhaupt noch fliehen kann, hat drakonisch hohe Steuern und Abgaben zu zahlen. Die meisten werden deportiert und ermordet, nur wenige kehren zurück oder werden entschädigt.

Ein weiteres, bitteres Kapitel folgt in den Kriegsjahren: Mindestens 1.321 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene schuften unter erbärmlichsten Bedingungen in fast allen Betrieben. In 16 Lagern rund um den Industriehafen stehen sie nachts unter der schikanösen Bewachung von Wehrmacht oder Werkswacht. Ein Unrechtsbewusstsein ist bei den Profiteuren der Arisierung und Zwangsarbeit kaum vorhanden.

Bilder des Panoramas

Entladestation der Hildebrandmühle
mit effizienter pneumatischen Sauganlage zur Entladung von Getreide aus Schiffen.

Diffenébrücke
Mit dem Bau der Diffené-Brücke 1903 ist der Industriehafen fertiggestellt. Seit 1987 ist die neue Klappbrücke in Betrieb.

Wasserturm Luzenberg
als zweiter städtischer Wasserturm von R. Perrey 1911 fertiggestellt und mit einer Schule versehen, hält er bis 1979 den Wasserdruck im Mannheimer Leitungsnetz konstant.

Brillux
Die Gebäude des heutigen Farbenvertriebs sind ursprünglich eine „Pflanzenbutterfabrik“ gewesen.

Schumacher
Das internationale Modelabel ist 1998 das erste kreative Startup-Unternehmen am Industriehafen. Sie nutzt die ehemaligen Produktionshallen von Hirschlandkartonagen (1908) und Spangenberg Maschinenbau (1904).

Polat-Bau
mit gleich zwei erhaltenen Fabrikschornsteinen der ehemaligen Gipsfabrik (1902) Der Rest ist ziemlich marode.

Das Salzkontor
Die Gebäude sind von Leopold Weill als Röhrenhandel (1911) errichtet worden

Der Gewerbepark Kungl
nutzt die Gebäude des ehemaligen Pilowerks für Schuhcreme (1903), der Gylzerinfabrik (1903), und der chemischen Industrie Rotta (1950). Heute sind hier u.a. das Hotel Corniche und eine Boulder-Halle untergebracht.

Der Hafenpark
nutzt die ehemalige Bettfedernfabrik Kahn Söhne für zahlreiche kreative Unternehmen, für Gastronomie und den Playa del Ma.

Hutchinson
Die französische Gummi- und Kautschukfabrik ist 1902 eine der ersten Fabriken am Industriehafen. Sie hat sich in zwischen gewaltig ausgedehnt.

Ölmühle Bunge
seit 1905 am Bonadies-Becken angesiedelt ist über eine Saatbrücke mit dem Lagerhaus von Rhenania verbunden

Deutsche Tiernahrung Cremer GmbH,
seit 1954 Club Kraftfutterwerke, entstanden aus dem 1927 gegründeten „Club der Legehennenhalter“.

Panorama-Tafel 5 zur Zeit leider nicht montiert.

Geschichte

luftaufnahme1927_0.jpg

Hildebrandmühle und Ostufer 1927 - Der Standort des Panoramas ist rechts vom Bildrand

  1. Bettfedernfabrik, heute Hafenpark
  2. Bausstelle der Erlenhof-Siedlung
  3. Hutchinson
  4. Sack- und Deckenfabrik Koppel und Temmler, heute Hutchinson
  5. Germania-Mühlenwerke Werner & Niola, heute Hutchinson
  6. Silobau der Hildebrandmühle, steht noch
  7. Hildebrandmühle, Abriss und Neubau, jetzt Stahlsilos
Autor*in
Barbara Ritter
Objektnummer
232
Adresse
Hombuschstraße
68169 Mannheim
Geo
49.514789, 8.462777
Zufahrt

Haltestelle  Hombuschstraße, dann die Hombuschstraße bis Ende am Ufer durchlaufen. Achtung, die Gleisanlage ist noch in Betrieb!

ARYANISATION AND FORCED LABOUR

CHANGES AND BREAKS

Over the years, technical progress led to the demolition of old chimneys and buildings, as well as the new building of entire factories. This strongly changed the look of the industrial harbour. The Second World War, economic crises and structural changes resulted in such big changes, that almost nothing looks like it was at the time of the harbour’s construction.

Not visible at first glance, however, are historical facts that have been forgotten and repressed. Dramatic changes in ownership were forced by the Nazis in the years 1933-1938. Ownership became illegal for Jews who, with their families, had contributed for half a century to economic prosperity. They were systematically ostracized from economic life, and cut off from the supply of raw materials.

"Aryan", non-jewish, businessmen, mostly competitors, bought the factories far below their market value and discharged all Jewish workers. Jews who did manage to escape were forced to pay extremely high taxes and fees. Most were deported and murdered.

Another bitter chapter followed in the war years. At least 1,321 forced labourers and prisoners-of-war worked under appalling conditions in the factories. At night, in 16 camps around the industrial port, they were under the surveillance of bullying members of the Wehrmacht, or of the factory watchmen.

After 1945, only very few Jewish owners returned or were compensated. A sense of wrong-doing was seldom found in those who profited from the Aryanisation of businesses. By the onset of the “economic miracle” of the 1950s, the same people benefited, once again, from the changes in ownership which had occurred during National Socialism.

IMAGES:

  1. Unloading station and Diffenébrücke Within hours, the efficient suction machine unloads a ship. In the background: Diffené Bridge (inaugurated in 1903 as a swing bridge, in operation as a bascule bridge since 1987) Wasserturm Luzenberg (water tower in operation 1911 - 1979)Brillux Farbenhandel (paint factory), originally a Pflanzenbutterfabrik (margarine factory)
  2. Schumacher Since 1998, this internationally known fashion label has used the former production halls of Hirschlandkartonagen (carton factory) (1908) and Spangenberg (mechanical engineering) (1904).
  3. Polat. Bau and Salzkontor Two imposing factory chimneys of the old gypsum factory (1902) and the pipe factory founded by Leopold Weill in 1911.
  4. Corniche Built as Pilowerk for shoe polish (1903), and the glycerine factory Gylzerinfabrik (1903), the park has long been used by the chemical industry Rotta (1950)
  5. Harbour Park Today, many creative businesses use the site of the former Bettfedernfabrik Kahn Söhne (feather and down factory) (1904).
  6. Hutchinson In 1902 the French Rubber Factory Hutchinson was one of the first factories in the industrial Harbour
  7. Deutsche Tiernahrung Cremer GmbH (pet food) Since 1954, Club Kraftfutterwerke. The name: "Club", founded in 1927, originated from the „Club der Legehennenhalter (egg producer’s club)