Wasserturm und Wasserwerk der Zellstofffabrik (heute Essity)
Die idyllische Anlage am Alten Frankfurter Weg, einer historischen Postroute im Käfertaler Wald östlich von Mannheim-Blumenau, besteht aus Pumpenhaus, Kesselhaus, Wasserturm, Stallgebäude und Wohnhaus. Der aus quadratischem Grundriss errichtete Wasserturm schließt unmittelbar an das Pumpenhaus an. Zwischem Pumpenhaus und Kesselhaus befindet sich der niedrigere Bauteil mit ehemals der mechanischen Werkstatt. Die technischen Gebäude stehen heute leer. Der Bad- und Toilettenanbau wurde mittlerweile abgebrochen.
Sämtliche Gebäude sind mit gelbem Backstein gemauert, stehen auf roten Sandsteinblöcken und tragen Satteldächer. Die technischen Bauwerke weisen durch ihre teilweise rot geklinkerten Segmentbogenstürze einen besonderen gestalterischen Anspruch auf. Die Fenster des Wohnhauses sind teilweise mit Stürzen und Sohlbänken aus Sandstein eingefasst.
Hier ein Bericht zum Zustand im Jahre 2000:
Das Waldwasserwerk bestand damals aus 18 Tiefbrunnen (140 m - 160m tief), die sich entlang des Grenzweges und des Alten Frankfurter Weges sowohl in Richtung Lampertheim als auch in Richtung Käfertal befanden. Elektropumpen in den Brunnen drückten das Wasser in einen unterirdischen Sammelbrunnen an der SO-Ecke des Geländes. Aus diesem wurde das Wasser abgezogen und mit drei elektrischen Kreiselpumpen (eine als Reserve) in die Hauptleitung gedrückt. Die drei Kreiselpumpen in der Maschinenhalle besaßen eine Leistung von je 90 kW. Sie ermöglichten eine nahezu kontinuierliche Förderleistung von 12 cbm/Min. Das entspricht ca. 5 Mio. cbm/Jahr. Bei einem eventuellen Ausfall aller Pumpen wurde eine Notwasser-Versorgung direkt über die Brunnen zugeschaltet. Die Steuerung erfolgte vollautomatisch, wobei gleichzeitig bei Ausfall des Wasserwerkes ein Alarm im Hauptwerk ausgelöst und ein Montagetrupp losgeschickt wurde. Der ehemalige Wasserturm war bereits außer Betrieb und der vormals darin befindliche Hochbehälter ausgebaut. Die historischen Dampfmaschinen waren ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Im Norden grenzte an das Kesselhaus ein kleines Fachwerkgebäude mit einem hölzernen Lüftungstürmchen auf dem Dach an. Dieses Häuschen hatte offenbar einst mit Toilette und Baderaum als Sanitärgebäude gedient. Zwischen dem Kesselhaus und dem Maschinenhaus lag die ehemalige Reparaturwerkstatt, in welcher noch Transmissionsreste und alte Maschinensockel erkennbar waren. Über die Werkstatt erfolgte auch der Zugang zur Pumpenhalle. Nördlich vom eigentlichen Wasserwerksgelände befindet sich auch heute noch ein Doppelhaus mit Abortanbau, welches ursprünglich vier Wohnungen für Betriebspersonal enthielt. Die Wasserversorgung des Wohnhauses erfolgte früher direkt vom Zellstoff-Wasserwerk aus, denn das geförderte Wasser besaß bakteriologisch gesehen Trinkwasserqualität. Deshalb baute man während des Zweiten Weltkrieges eine Querverbindung mit einer Druckwasserleitung zum Wasserwerk Käfertal auf, um im Bedarfsfall jederzeit einen Wasseraustausch vornehmen zu können. Das Wasser des Waldwasserwerkes enthält jedoch mehr Eisen und Mangan als dies gemäß der neueren Trinkwasser-Verordnung zulässig ist, so dass diese Querverbindung wieder aufgegeben wurde. Das Wohnhaus im Wasserwerk ist deshalb heute an die Wasserversorgung der MVV angeschlossen.
Die technische Einrichtung bestand ursprünglich aus zwei Zwillings-Dampfmaschinen mit Schwungrad und Kolbenpumpen auf der verlängerten Kolbenstange. Ein Luftkessel diente zum Abfangen der Pumpenstöße. Die Anlage wurde seinerzeit im sogenannten Heberbetrieb gefahren, d.h. in jedem der Brunnen befand sich ein Saugrohr, welches auf eine Sammelleitung ging. Die Sammelleitung mündete in einem Sammelbrunnen innerhalb des Werksgeländes unterhalb des Wasserspiegels. Durch Evakuierung der Saugleitungen erfolgte die Förderung. Die Kraft für die Dampfmaschinen lieferte ein kohlebefeuertes Kesselhaus mit zwei Kesseln. Das geförderte Wasser wurde im Hochbehälter gespeichert.
Die Umstellung von Dampf- auf Elektrobetrieb erfolgte etappenweise vor bzw. während des Zweiten Weltkriegs. Die Dampfmaschinen und die Dampfkessel wurden danach entfernt. Beim Vormarsch der Amerikaner im März 1945 wurde das Waldwasserwerk u.a. auch mit Artillerie beschossen. Zu größeren Schäden kam es dabei jedoch nicht. In der Folgezeit kam es eher zu häufigen Störungen der Stromversorgung, die anfangs noch über Freilandkabel erfolgte. Zur Sicherheit wurde deshalb auch ein Diesel-Notstromaggregat bereitgestellt. 1976 kam es infolge eines Waldbrandes zur Zerstörung der Freileitung. Als Ersatz wurde nunmehr ein Erdkabel verlegt und eine Trafostation in der SO-Ecke des Werksgeländes eingerichtet. Dadurch verlief der Betrieb deutlich störungsfreier. Das Dieselaggregat wurde nicht mehr benötigt und demzufolge abgebaut.
Das Wasserwerk ist über eine 6 km lange Rohrleitung zum Werksgelände in der Sandhofer Straße 176, wo der sogenannte Waldwasserturm steht, verbunden. Im Wasserwerk der Zellstofffabrik arbeiteten ursprünglich 14 Mitarbeitern.
Im firmeneigenen Wohnhaus befindet sich seit 2016 auch die Waldgalerie (die-waldgalerie.de), die künstlerische Veranstaltungen, Ausstellungen und Workshops anbietet.
Wasserwerk mit Wasserturm, Pumpenhaus, Kesselhaus, mechanischer Werkstatt und Wohngebäude zur Förderung von Grundwasser, um dieses dem Werk auf der Sandhofer Gemarkung zuzuführen.
Brunnen mit Pumpenanlage führen Nutz- und Brauchwasser in Rohrleitungen dem 6 km entfernten Firmengelände zu.
Die Zellstofffabrik wurde 1884 von den Kaufleuten Rudolf und Karl Haas sowie dem Ludwigshafener Chemiker Dr. Carl Clemm nördlich von Mannheim auf der Gemarkung der ehemals selbständigen Gemeinde Sandhofen gegründet. Die Entwicklung der Papierherstellung hatte seit der Reichsgründung einen großen Fortschritt gemacht, nachdem ab 1874 durch den Chemiker Alexander Mitscherlich (1836-1918), Großvater des Psychoanalytikers Alexander Mitscherlich, ein Verfahren erarbeitet wurde, durch Sulfit den Zellstoff aus Holz zu extrahieren. Der Papierverbrauch stieg Ende des 19. Jahrhunderts durch Ausdehnung von Wirtschaft, Verwaltung, Presse- und Informationswesen sowie hygienischen Ansprüchen erheblich an. Diese Marktchancen erkannten die Brüder Rudolf und Karl Haas und errichteten am Altrhein die erste Sulfitzelluloseanlage industriellen Maßstabs. Der Chemiker Dr. Clemm, der gerade aus der von ihm mitbegründeten Badischen Anilin- & Soda-Fabrik (BASF) ausgeschieden war, übernahm nicht nur die technische Leitung, sondern brachte auch ein Drittel des erforderlichen Gründungskapitals der Aktiengesellschaft bei.
Die Geschäfte liefen so gut, dass das Unternehmen sich ständig vergrößern konnte. Die Zellstofffabrik wurde das führende Unternehmen der Branche in Deutschland und eines der größten in Europa. Es wurden Tochterfirmen in Pernau (Livland) und Kexholm (Finnland) gegründet. 1918 wurde die angrenzende Papyrus-AG, die 1907 von Familienmitgliedern der Zellstofffabrik gegründet wurde, von dieser zunächst gepachtet und 1931 ganz übernommen. Am bekanntesten sind vermutlich die in Mannheim seit 60 Jahren produzierten Haushaltstücher ZEWA (wisch und weg). Der Grundbesitz der Zellstofffabrik Waldhof in Mannheim war um 1960 mit ca. 180 Hektar größer als die 150 Hektar umfassende Altstadt Mannheim. Der für die Zellstoff- und Papierproduktion besonders große Wasserverbrauch wird aus dem eigenen Wasserwerk im Käfertaler Wald und aus dem Altrhein gedeckt mit insgesamt fast 70 Millionen Kubikmeter pro Jahr um 1960. 1970 erfolgte die Fusion mit den Papierwerken Aschaffenburg zu PWA (Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg). Im Jahre 1995 erhielt die SCA (Svenska Cellulosa Aktiebolaget) die Aktienmehrheit an PWA. Seit Ende 2017 firmiert das Unternehmen SCA unter Essity Operations Mannheim GmbH.
Von der Zellstofffabrik wurde für Mitarbeiter die Zellstoffsiedlung gebaut (objekte/zellstoffsiedlung-mannheim).
- Mannheim und seine Bauten, Mannheim 1906, S. 653-655
- Rudolf Haas: 75 Jahre Zellstofffabrik Waldhof (1884-1959), in: Mannheimer Hefte, 1959, H. 2, S. 18-22
- Josef Wysocki: Spuren. 100 Jahre Waldhof - 100 Jahre Wirtschaftsgeschichte, hrsg. von der PWA Waldhof Mannheim 1984
- Alfred Heierling: Die Geschichte von Sandhofen und Scharhof, hrsg. von der Volksbank Sandhofen eG Mannheim 1986, S. 199-200
- Albert Gieseler/Monika Ryll: Wassertürme in Mannheim. Ein kunst- und technikgeschichtlicher Führer, Mannheim 1997, S. 45-46
- Mannheim und seine Bauten, Bd. 4, Mannheim 2004, S. 72-74
- Alfred Heierling: Mannheim-Blumenau. Von der Gärtnersiedlung zum Stadtteil, Mannheim 2005, S. 37-38
- Spuren 2. Mit SCA an die Spitze. 125 Jahre Standort Mannheim 1884-2009, Festschrift zum 125jährigen Jubiläum des Standortes Mannheim, hrsg. von der SCA Hygiene Products GmbH 2009