Weinheimer Gummiwarenfabrik Weisbrod & Seifert
Ein eingängiges Sinnbild ziert das stattliche Verwaltungsgebäude, das allein von den Weinheimer Werksanlagen heute noch steht. Das schön sanierte Objekt steht etwas abseits der Hauptstraßen. Bei Weinheime*innen ist es trotzdem bekannt, weil früher viele „in der Gummi geschafft“ haben. Der historische Briefkopf ist mit seiner idealisierten Darstellung nur unsicher mit dem erhaltenen Gebäude abzustimmen. Wer die Trasse des Bahnabzweigs als Anhaltspunkt nimmt, schließt, dass das noch vorhandene Gebäude das abgebildete kleinere ersetzt hat. Die Fabrikhalle wurde abgerissen.
Produktion und Verwaltung
Büro und Brachgelände
Karl Weisbrod und Melchior Seifert gründeten am 1.Oktober 1896 die Weinheimer Gummiwarenfabrik Weisbrod & Seifert. Am 1.Juli 1897 begann die Produktion. Mit zwei Walzwerken, mehreren Pressen und Kesseln wurden Schläuche, Platten, Ringe, Kondensator- und Pumpenklappen sowie Formartikel hergestellt. Mit der technischen Entwicklung stieg der Bedarf. Schon um 1900 schied Melchior Seifert aus. Der Betrieb wurde 1905 um eine Handschlauchweberei ergänzt und produzierte als erste und einzige in Baden Feuerlöschschläuche. Nach technischen Gummiwaren wurden um 1910 Fahrradreifen und -schläuche in das Programm aufgenommen. Ab 1910 entstanden Schlauchsaal, neues Bürogebäude, Maschinenhaus und Walzensaal.
Zum Ende des 1.Weltkriegs wurde der Betrieb stillgelegt. Nach der Umwandlung von der oHG zur GmbH kam es durch die Inflation zu Belastungen. Die importierten Rohstoffe Baumwolle und Gummi wurden in Devisen bezahlt, als Inlandserlöse gab es schnell inflationierende Papiermark. 1924 wurde das erhaltene Verwaltungsgebäude fertiggestellt. Aus Platzmangel pachtete Weisbrod die Hildebrandsche Obermühle im Birkenauer Tal. Dieses Teilwerk "Obermühle" brannte 1932 samt der wertvollen technischen Einrichtungen, Rohgummivorräte, Chemikalienlager und 10.000 Fahrradreifen bis auf die Grundmauern ab. Über 100 Beschäftigte der Obermühle hatten wie die Kollegen im Hauptwerk in drei Schichten gearbeitet. Ein Jahr später stand der Wiederaufbau. Nach dem Tod von Karl Weisbrod am 3.Februar 1934 übernahmen der Sohn Hans Weisbrod (geb. 7.Mai 1902 in Weinheim) und der Schwiegersohn Dr.Ing. Hans Freyberg (geb. 1890 in Delitzsch/Sachsen) die Firmenleitung. Aus den Mischkammern kamen über 100 versch. Mischungen, aus denen mit Spezialmaschinen die Vielfalt der Produkte entstand. Im Labor wurde "Buna" getestet und in die Herstellungabläufe eingegliedert.1936 verließen 1 Million Fahrradschläche das Werk. Das waren 20.000 wöchentlich. Im Werk gab es 300 Mitarbeiter. Zum 40jährigen Jubiläum kam der Ministerpräsident des Landes Baden. Alle Betriebserzeugnisse wurden 1939 zu "kriegswichtigen Gütern" erklärt. Naturgummi wurde durch Kunstkautschuk, Baumwolle durch Kunstseide und Zellwolle ersetzt.
Ohne Zerstörungen im 2.Weltkrieg begann Ende Juli 1945 die Produktion. Abnehmer von Transportbändern und Preßluftschläuchen waren die Saarbergwerke. Mangels Faserrohstoffen gab es zunächst keine neuen Feuerwehrschläuche. 1946 konnten zum 50jährigen Firmenjubiläum fast 300 Mitarbeiter wieder ihren Lebensunterhalt verdienen. An der Alten Landstraße war keine Werkserweiterung möglich, sodass 1950 in Viernheim ein Zweigwerk errichtet wurde. Allein die Arbeitsfläche im Schlauchsaal war dort 3.000 m² groß. In Pfungstadt wurde die Rex-Gummiwarenfabrik übernommen. Die Mitarbeiterzahl stieg bis zum Jahr 1955 auf 600. Die Automatisierung in vielen Industriebranchen, Hydraulik und Pneumatik als sich stark entwickelnde Technologien verlangten flexible, öl- und druckbeständige Schlauchleitungen - bis zum Spitzen-Platzdruck von 2.000 atm. Aus der dritten Generation waren 1961 Karl-Heinz Weisbrod und Horst Freyberg in der Firma tätig. Fast 1.000 Mitarbeiter verteilen sich auf die drei Standorte. 1964 kam die Armaturenfabrik Luitpold Schott/Speyer zum Firmenverband. Die Weinheimer Firma hatte infolge ein komplettes Schlauch- und Armaturenprogramm für Feuerwehren. Von 1950 bis 1965 vervierfachte sich der Umsatz. Der neue Firmenname war ab 1970 Weinheimer Gummiwerke GmbH.
Das Sortiment der "Weinheim"-Feuerlöschschläuche war deutschlandweit bekannt und international in Fachkreisen ein Begriff. Vgl. Bild 16 aus dem Stuttgarter Feuerwehrmuseum. Das vollsynthetische Produkt war (und ist) moderfest, öl-, benzin-, säurebeständig, hitzefest und frostsicher. Weiter gab es Transportbänder bis 1,20 m Breite in versch. Qualitäten. Flammwiderstand, Temperatur-, Fett-, Benzin-, Teerbeständigkeit waren Kriterien. Eine Fülle an Walzenbezügen z.B. für Druckereien war im Lieferprogramm, ebenso wie nahtlose Gummiwaren: Handschuhe und Fingerlinge. Zu den Formartikeln zählten u.a. Membranen, Manschetten und Faltenbeläge.
Ende 1991 wurde das Werk an der Alten Landstraße in Weinheim geschlossen. Der Firmensitz war im Viernheimer Werk. Dort mußte 1992 der Konkursantrag erstellt werden.
Ungeklärt sind noch die auffällige andere Firmenbezeichnung im Briefkopf, die Guttapercha-Produkte und Gründe für den Niedergang des Unternehmens.
- Weinheimer Nachrichten: Sonderausgabe 1200 Jahre Weinheim 30.Juli-8.August 1955
- 65 Jahre Weinheimer Gummiwarenfabrik Weisbrod & Seifert, Weinheim 1961
- Weinheim Gummi, Firmenprospekt, Weinheim 1966 ?
- Wir machen fast alles, was man aus Gummi machen kann. 75 Jahre Weinheimer Gummiwerke GmbH. 70 Jahre Hans Weißbrod, Weinheim 1971
- Grau, Ute und Guttmann, Barbara: Weinheim - Geschichte einer Stadt, Edition Diesbach Weinheim 2008