Altes Klärwerk in Mannheim
Das erste Klärwerk Mannheims – bestehend aus sechs Klärbecken, zwei Pumpenhäusern und einem Wasserturm sowie dem Wohnhaus des Klärwerkmeisters – ist fast vollständig erhalten, obwohl es 25 Jahre brach lag. Heute wird es als Künstleratelier und Ausstellungsraum der städtischen Wasserwirtschaft genutzt. Ein Areal von 10.000 Quadratmeter gehört zu dem Ensemble der norddeutschen Backsteingotik mit Jugendstilelementen, das im Vergleich zu der in Sandhofen 1973 neu erbauten Kläranlage geradezu malerisch wirkt.
Zunächst sieht man hinter einer mit angedeuteten Türmchen gemauerten Einfahrt das Wohnhaus des Aufsehers liegen. Das zweistöckige rote Backsteinhaus ist bedeckt mit grün glasierten Dachziegeln, die z.T. auch noch grün bemoost sind. Die vielfältige Dachlandschaft ist nach allen Seiten mit Zwerchhäusern und Treppengiebeln gegliedert. Verzierungen unter der Dachtraufe sind im neugotischen Stil wie eine Bordüre aus Backsteinen um das Haus geführt. Innen ist außer der Raumaufteilung leider nichts mehr original erhalten. Fast ländlichen Charakter erhält das Häuschen durch seine vielen grünen Klapp-Fensterläden.
Etwas weiter hinten im Gelände, aber immer noch gut sichtbar, steht das große Pumpenhaus, ebenfalls in Backstein ausgeführt. Allerdings wurden hier die Fugen bei der Renovierung durch Biotopia penetrant weiß ausgemalt. „Weiße Fugen stören die ruhige Wirkung, man vermeide sie“, das sagte Richard Perrey, der längst verstorbene Architekt selbst, zitiert nach Volker Keller, Richard Perrey in Mannheim. Innen sind zwei der ehemals drei Pumpen noch zu sehen. Sie wurden nur zeitweise zum Ausgleich der Wasserspiegel zwischen Klärbecken und Rhein bei Hochwasser eingesetzt. Heute nutzt der Künstler und Bildhauer Rüdiger Krenkel das Haus und Teile des Freigeländes als sein Atelier.
Die sechs Klärbecken, das Pumpenhaus und den Wasserturm kann man vom Eingang links (im Winter leichter) erkennen. Teilweise sind die Becken mit Regenwasser gefüllt. Nur nach Betreten des Geländes kann man die die Zu- und die Ablauf-Galerie genauer betrachten. Die mit Backsteinen gemauerten Becken sind 48 Meter lang, fünf Meter breit und durchschnittlich zwei Meter tief, wobei sie ein leichtes Gefälle Richtung Zulauf haben. Die Becken sind über die Zulaufgalerie miteinander verbunden und konnten durch Schieber einzeln geschossen werden. Auch der Ablauf erfolgte über ein gemeinsames Wehr.
Gereinigt wurde das Schmutzwasser mittels Sandfängen, Rechen und Sieben sowie durch das langsame Durchfließen der Absetzbecken, bei dem sich die Feststoffe absetzten. Am Ende der Absetzbecken ist noch einmal ein feiner Rechen von 3 mm Durchlassweite angebracht, um restliche Schwebstoffe zurück zu halten. Bevor der Schlamm abgepumpt wurde, setzt man das Becken außer Betrieb und leitete das stehende Wasser ab. Der abgesetzte Schlamm wurde mit einer elektrischen Pumpe im Pumpwerk durch eiserne Rohleitungen von ca. 2 km Länge auf städtische Wiesen und Äcker jenseits des Hochwasserdamms befördert und als Dünger genutzt.
Im Pumpenhaus wurde die Zusammensetzung des Schlamms zuvor untersucht. Das gereinigte Abwasser wurde über einen zwei Kilometer langen Kanal (Siel) zum Rhein hin abgeleitet. Mittels eines 25 Meter langen Rohres wurde es direkt auf der Flusssohle eingeleitet, damit es sich schnell mit dem Rheinwasser vermischt. Im Falle von Epidemien wie Typhus und Cholera sollte das Abwasser mithilfe von Chlorkalk desinfiziert werden. Der Wasserturm diente als Behälter für das Spritzwasser zum Reinigen der Klärbecken. Ursprünglich war der Kopf des kleinen Wasserturms holzverkleidet. Heute trägt er noch das Logo von Biotopia, ein Arbeitsförderungsbetrieb, der hier über 10 Jahre ansässig war.
Kläranlage bis 1973, mechanische Abwasserreinigung
Großes Pumpenhaus: seit 2007 Atelier von Rüdiger Krenkel, Wärterhaus: von1998-2010 Werkstätten und Bauhof der Abteilung Farbe von Biotopia. Heute Wohn- und Ausstellungsräume.
Bis 1900 leitete die Stadt Mannheim, wie andere Städte auch, ihr Abwasser noch ungesäubert in den Rhein. Aufgrund einer Ermahnung der badischen Regierung begann die Planung einer mechanischen Kläranlage auf der Friesenheimer Insel. Diese sollte das Schmutzwasser von den höher gelegenen Stadtteilen (Sandhofen, Waldhof, Luzenberg) aufnehmen, sowie das Schmutzwasser von den tiefer gelegenen Stadtteilen (alles links des Neckars und die der Neckarstadt), das über das Schmutzwasserhebewerk am Ochsenpferch (erbaut ebenfalls 1903) auf die erforderliche Höhe gebracht und etwas vorgereinigt worden war.
1903 wurde die wasserpolizeiliche Genehmigung erteilt, Baubeginn war 1904. Am 14. Juni 1905 wurde das Klärwerk in Betrieb genommen. Es galt zu seiner Zeit als vorbildlich. Ab 1. Juni 1905 wurde erstmals eine Gebühr für die Benutzung der städtischen Kanäle fällig. 1906 baute man ein weiteres Pumpenhaus, das nur bei Hochwasser zum Einsatz kam. Es pumpte das Wasser, das den Wasserspiegel der Klärbecken überstiegen hätte, nur grob mechanisch gereinigte in den Rhein. Das Wärterhäuschen der Kläranlage wurde erst 1908 gebaut.
Die Kläranlage wurde jedoch zu klein und war in den 1970er Jahren nicht mehr auf dem neusten Stand der Technik. Mit dem Neubau des neuen Klärwerks wurde das alte stillgelegt.
und hier zum Anhören:
- Volker Keller, Richard Perrey in Mannheim, Erfurt, 2005
- Mannheim und seine Bauten 1606 bis1906, Herausgegeben von Unterrheinischen Bezirk des Badischen Architekten und Ingenieursvereins Mannheim Ludwigshafen 1906 Andreas Schenk,
- Architekturführer Mannheim, Berlin 1999
- Vom Festungsgraben zum Ringkanal, Kleine Entwässerungsgeschichte der Stadt Mannheim 1606-1906, Sabine Pich, Heidelberg 2010