Villa Karl und Gisella Lanz in Mannheim-Oststadt
Das viergeschossige Palais steht auf einem hohen Sockelgeschoss. Das obere Geschoss ist als Mezzaningeschoss ausgebildet und durch ein kräftiges Kranzgesims von den unteren Stockwerken getrennt. Hier im Dachbereich sind die frühesten und umfangreichsten baulichen Änderungen zu verzeichnen. Schon 1923, als die Villa Lanz in den Besitz des Reichstelegraphenamtes überging, trug man das ursprüngliche 10 Jahre alte Mansarddach mit den bildhauerisch gestalteten Gauben ab und ersetzte es durch ein Vollgeschoss mit Flachdach und Balustrade. Der Haupteingang, der in der alten Hauptzufahrtsachse liegt, wird durch einen halbrunden Säulenvorbau hervorgehoben. Analog zu diesem war auch die Gartenseite ursprünglich mit einem eingeschossigen Rundbau in der Mitte betont.
1955-56, als der Erweiterungsbau für das Fernmeldeamt an der Otto-Beck-Straße entstand, wurde die Rückseite des historischen Lanz-Palais mit Entfernung des halbrunden Anbaus und unmittelbarem Andocken des Neubaus stark verändert. Die erhaltenen Repräsentationsräume liegen heute ausschließlich im Erdgeschoss. Besonders das schlossähnliche Entrée mit Säulenhalle und Marmortreppenhaus vermittelt einen würdigen Eindruck des luxuriösen Lebensstils der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Der heute leer stehende über 5 m hohe Speisesaal ist vollflächig bis zur Decke vertäfelt bzw. stuckiert und zeigt ein hohes handwerkliches Können, das in Mannheim in privater Wohnarchitektur seinesgleichen sucht. Auch der direkt angrenzende Salon weist eine schöne dunkle Vertäfelung mit aufwändigen Holzschnitzarbeiten auf. Der Deckenstuck ist in kräftiger Kassettierung ausgeführt.
Wohnhaus der Familie Karl und Gisella Lanz
teilweise leerstehend; in den Obergeschossen Büronutzung
Nach Heirat des Industriellensohns Karl Lanz (1873-1921) mit der Industriellentochter Gisella Giulini (1885-1980) im Jahre 1903 und Interimslösung in einer Mietwohnung in der Kolpingstraße 7-8 wurde im Jahre 1907 an den französischen Architekten Eugène Saint-Ange die Planung eines passenden standesgemäßen Wohnhauses für die wachsende Familie in Auftrag gegeben. Die Familien Lanz und Giulini zählten zu den wichtigsten Vertretern des Mannheimer Großbürgertums der Zeit um 1900 und so entstand ein Werk, das eher einer Palastarchitektur als einem bürgerlichen Wohngebäude gleicht. Die Lanzvilla war und ist das größte Privathaus in Mannheim. Mit Einzug der kleinen, später siebenköpfigen Familie und der zahlreichen Dienerschaft im Spätsommer 1913 wurde das schlossartige Domizil belebt.
Nach dem Tod des Vaters Heinrich Lanz 1906 und Übernahme der Firma durch den Sohn Karl Lanz steigerte sich der Lebensstil der Familie ins Pompöse. Ihre gesellschaftliche Stellung dokumentierten die Bewohner in hochwertiger Wand-, Boden- und Deckenverkleidung, aber auch in kostbarem Mobiliar und teurer Gemäldesammlung. Der ererbte Reichtum seiner Eltern, die im 19. Jahrhundert in Mannheim innerhalb weniger Jahrzehnte ihre Landmaschinenfabrik zu Weltruf brachten und in A 2,6 ihren Wohznsitz hatten (/objekte/wohnhaeuser-heinrich-und-julia-lanz-in-mannheim), stellte der Sohn in seinem Palais offensiv zur Schau. Karl Lanz wandelte die Firma im Jahre 1909 in eine Offene Handelsgesellschaft um. Aber sein eigentliches Interesse galt der Flugtechnik. Zusammen mit dem Konstrukteur Johann Schütte (1873-1940) baute er in Konkurrenz zu Graf Zeppelin ab 1909 auf ehemaliger Mannheimer (heute Brühler) Gemarkung eine Fertigungshalle für Luftschiffe auf, die 1920 nach Königs-Wusterhausen in die Nähe von Berlin verlegt wurde. 1921 schließlich gelang mit der Produktion des weit bekannten Bulldogs, einem Einzylinder-Rohölschlepper, ein entscheidender Erfolg des Unternehmens Lanz. Der frühe Tod im Jahre 1921 verhinderte jedoch weitere wichtige Innovationen des Industriellen Karl Lanz.
Auf Grund der schwierigen finanziellen Lage nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Witwe Gisella Lanz das Palais nicht mehr halten und gab dem Deutschen Reich, vertreten durch die Reichs-Post- und Telefgrafenverwaltung Berlin im Winter 1922 ein Verkaufsangebot ab. Die komplette mobile, aber auch weitgehend die ortsfeste Innenausstattung wechselte in einer groß angelegten Versteigerungsaktion den Besitzer. Die Familie Lanz musste das Haus bis zum 1. April 1923 räumen. Zwischenzeitlich hatte sich Gisella Lanz als eine der ersten Mannheimer Bauherrinnen ihrer Zeit durch den Architekten Rudolf Tillessen eine eigene, sehr viel kleinere Villa in der Spinozastraße 7 errichten lassen.
Nachdem die Eigentümerin DeTe Immobilien zum 1. Oktober 2008 in den STRABAG-Konzern übergegangen war, veräußerte dieser das Anwesen Erzbergerstraße 18 im Jahre 2011 an die „Palais Lanz 1873 Immobilien GmbH & Ci.KG“. Diese lässt durch die Firma Diringer & Scheidel seit 2018 das Haus für Gastronomie und Büronutzung umbauen. Auf dem Dach entsteht ein Penthouse für Veranstaltungen. Parallel dazu sollen die noch vorhandenen historischen Räume und Außenanlagen restauriert werden.
- Tobias Möllmer: Das Palais Lanz in Mannheim. Französische Architektur im deutschen Kaiserreich, Mannheim 2008
- Ingeborg Riegl: Gisella Lanz-Giulini (1885-1980). Lebenslinien in Bildnis und Architektur, in: Badische Heimat 1/2008, S. 100-125
- Tobias Möllmer: Pariser Architektur in Mannheim. Das Palais Lanz, in: Badische Heimat 1, 2007, S. 140-147 Tobias Möllmer: Neureicher Protz oder scheuer Philanthrop? Eine biographische Skizze zu Karl Lanz und seiner Familie, in: Badische Heimat 1, 2007, S. 148-154
- www.albert-gieseler.de