Die Güterhallenstraße im Mannheimer Handelshafen
Nach der Fertigstellung des Mühlau-Hafenbeckens wird im Jahre 1875 auch der Zentralgüterbahnhof eingeweiht. Heute wird er Hauptgüterbahnhof genannt. Zahlreiche Lagerhallen, Verwaltungsgebäude und Wohnhäuser zeugen noch von diesem wichtigen Güterumschlagplatz.
Hier kommen schon in den 1870er Jahren Züge aus Italien und Frankreich an, die Gewürze, Kakao und Südfrüchte für die Kolonialwarenläden transportieren. Seit 1869 der Suezkanal eröffnet ist, wird die Bahn-Verladung über die Mittelmeerhäfen für solche Waren bevorzugt. In der Schweiz entstehen bereits ab der 1860er Jahren transalpine Bahnverbindungen.
Wohnhäuser in der Güterhallenstraße
Gleich am Beginn der Güterhallenstraße in der Nähe der Spatzenbrücke stehen schlichte Backsteinhäuser etwa drei Meter über dem Straßenniveau auf einem Hochwasserdamm. Sie gehören zu einer Siedlung von Beschäftigten der Bahn, die sich noch in der Güterhallenstraße bis zur Neckarspitze weiterzieht. An einigen der Häuser sind eilig reparierte Kriegsschäden zu erkennen.
Güterhallen und Funktionsbauten
Erst ab der Kreuzung zur „Verlängerten Jungbuschstraße“ machen linker Hand die lange Reihe von Hallen dem Straßennamen „Güterhallenstraße“ alle Ehre. Gleich zu Beginn stehen hier einige historische Güterhallen aus roten Sandsteinen. Die Überdachung an der Laderampe ist leider bis auf die gusseisernen Konsolen verschwunden. Die erste der Hallen war die „Eisenbahn-Zollhalle“.
In einigen dieser Häuser haben sich inzwischen Künstler mit Ihren Ateliers angesiedelt. Aber im Wesentlichen wird hier noch viel gelagert bzw. umgeschlagen, und mit LKW und Lieferwagen die gerade Straßen entlang gebrettert.
Gegenüber stehen Häuser von ausgesprochen „amtlichem“ Erscheinungsbild. Sie haben rote Sandsteinsockel, das Erdgeschoss ist in grünem Sandstein, darüber zwei gediegen verputzte Stockwerke. Die Güterhallenstraße 12 trägt die Jahreszahl 1873 deutlich sichtbar auf der Eingangsseite. Es war die „Eisenbahn-Zollabfertigungsstelle“. Ursprünglich gehörte der gesamte Gebäudekomplex dazu. Jetzt besteht er zum größten Teil aus 50er-Jahre Bauten.
Die Güterhallenstraße 18 war die "Badische Hafenverwaltung" bzw. das „Güteramt“. So heißt auch die Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs. Bis in die 1950er Jahre fuhr hier sogar eine elektrische Straßenbahn, jetzt ist es eine spärliche Busanbindung. Es ist nur noch ein Flügel des historischen Gebäudekomplexes mehr oder weniger im Original erhalten.
„Dienstgärten“
Auf der rechten (östlichen) Seite der Güterhallenstraße sind immer wieder unbebaute „Verkehrsinseln“, meist mit Gestrüpp bewachsen. Dies waren, wie man dem Hafenplan von 1928 entnehmen kann, tatsächlich einmal „Dienstgärten“, also Gärten für die Beschäftigten der Bahn.
Die nächste Bushaltestelle markiert den „Hauptgüterbahnhof“, der an dieser Stelle nach Westen hin am breitesten ist.
Siedlung Neckarspitze
Nach der Überquerung eines schräg verlaufenden Hafenbahngleises gelangt man zur Straße namens „Neckarspitze“. Die drei Stockwerke hohen schmucklosen Häuser gehören zu einer der ältesten Arbeitersiedlung von Mannheim. Ursprünglich war es ein kleines Dorf mit 154 Wohnungen für ca. 900 Bewohner*innen, die ihren Lebensunterhalt beim Güterbahnhof verdienten. Zur Kolonie gehörten eine Schule, Wasch- und Badehäuser, ein Backhaus und mehrere Brunnen und zu jeder Wohnung ein Garten. Der größte Teil des Ensembles wurde abgerissen.
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Zur Neckarspitze: die Neckarmündung
Auf der Güterhallenstraße gibt es jetzt überwiegend Abstellplätze für Container und LKW. Als nächste Haltestelle trifft man auf die „Neckarvorland-Straße“ die hier in einem großen Bogen einbiegt. Kurz vor dem Ende der Güterhallenstraße steht der ehemalige Luftschutzbunker, der als „Merkur-Kühlhaus“ schon bessere Zeiten gesehen hat. Nun ist es zur wirklichen Neckarspitze, der Mündung des Neckars in den Rhein, nicht mehr weit.
Gründung und Ausbau
1868 wird die Mannheimer Akte verabschiedet, die endlich den freien Warenverkehr auf dem Rhein regelt. Die Mühlau war bis dahin eine grüne Insel mit Lust-Schlösschen und einer Baumschule.
Nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1871 wird der Mühlauhafen gebaut. Auch französische Kriegsgefangene werden dazu eingesetzt. Deutschland kann sich mit den französischen Reparationszahlungen den großzügigen Ausbau der Infrastruktur leisten.
Mannheim ist damals noch der Endpunkt der Rheinschifffahrt für die großen Kähne. Als Verkehrs- und Handelszentrum ist der Umschlag auf die Schiene von großer Bedeutung. Weitere Hafenbecken, der Binnenhafen, kommen 1887 hinzu. Der Güterumschlag mit Sackträgern, Kranführern, Rangierern usw. ist extrem arbeitsintensiv.
Bei seiner Einweihung ist der Central-Güterbahnhof 2.580 Meter lang und 150 Meter breit. Er verfügt über 24 Kilometer Schienengleise mit 92 Weichen. Anfangs werden die Kräne und Schiebebühnen mit Dampf betrieben. Es gibt ein Maschinenhaus mit 9 Maschinen. 1894 wird ein eigenes E-Werk für den Zentralgüterbahnhof gebaut, das für Beleuchtung und den Betrieb der elektrischen Krane dient.
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Rückschläge
Von 1887 bis in die 1970er Jahre gab es parallel zur Güterhallenstraße zwei weitere Hafenbecken, den sog. „Binnenhafen“. Er wurde jedoch verfüllt, weil er für die modernen Schiffe zu eng war. Nur noch Straßennamen (Binnenhafen- und Landzungen-Straße) erinnern an diesen Hafen.
Um die Jahrhundertwende verliert Mannheim seine herausragende Stellung im Handel. In den 1920er Jahren wird der Neckar durch ein System von Schleusen für die sichere Schifffahrt ausgebaut. Auch große Schiffe können auf dem Rhein bis Basel fahren. Das lässt den Bahnverkehr einbrechen.
Im Zweiten Weltkrieg wird der Handelshafen schwer durch Bomben zerstört. Doch auch nach dem Wiederaufbau erlebt der Güterbahnhof einige Rückschläge: 1961 wird der Frucht- und Lebensmittel-Großmarkt ins Fahrlachgebiet verlegt. Viele Lebensmittelgroßhändler geben ihre Läger im Hafen auf.
Die Eröffnung des Containerterminals 1968 bringt eine weitere drastische Wende in der Logistik. Der LKW-Verkehr nimmt zu. Es gibt jetzt den trimodalen Umschlag (Wasser, Straße, Schiene) praktisch in einem Arbeitsgang. Die Zahl der Sackträger nimmt drastisch ab.
1991 wird am Hauptgüterbahnhof ein Terminal der DUSS „Deutsche Umschlagsgesellschaft Schiene-Straße“ errichtet.
Um 2001 privatisiert die Deutsche Bahn AG die Wohnhäuser an der Neckarspitze.