ehemaliger OEG-Bahnhof Mannheim-Wallstadt
Mit Inbetriebnahme der Nebenstrecke von Käfertal nach Heddesheim im Jahre 1909 wurde ungefähr in der Mitte der beiden Endbahnhöfe für die ehemals selbständige Gemeinde Wallstadt ein eigenes Empfangsgebäude errichtet. Die Bahnstrecke ist insgesamt 6,5 km lang.
Vor dem ehemaligen Bahnhofsgebäude liegen zwei Gleise. Die Süddeutsche bzw. Oberrheinische Eisenbahn war eine Schmalspurbahn mit einer Spurbreite von 1 Meter. Der eingeschossige Putzbau mit Güterschuppen ähnelt eher einem Wohngebäude als einem klassischen Bahnhofsbau. Hierzu trägt insbesondere die Kubatur mit Satteldach und beidseitigem Gaubenband bei. Der helle Putzbau wird durch einen roten bossierten Sandsteinsockel und rote Sandsteingewände an Fenster und Türen gegliedert. Hauptbau und Güterhalle tragen ein Satteldach, der gleisseitige kleine Vorbau zum Dienstraum hat ein Walmdach. Das Hauptdach ist mit Hohlpfannen gedeckt, die Gaubenbänder waren ursprünglich mit Holz verschindelt und sind heute mit Eternitplatten verkleidet.
Im Erdgeschoss befand sich der Warteraum mit eigenem gleisseitgem Zugang und Toilettenanlage. Daneben liegt der separate Eingang zum Dienstraum, hervorgehoben durch einen kleinen Vorbau. An der gleisabgewandten Seite führt eine weitere Haustür ins Treppenhaus und von dort zur Betriebswohnung im Dachgeschoss. Der ehemalige Warteraum wird an den drei Außenseiten durch kleine Fenster belichtet. Die Wohnung im Dach weist an beiden Dachseiten Gaubenbänder auf, wodurch sie ein größeres Raumvolumen erhält. Der Spitzboden erhielt eine großzügige Belichtung durch Giebelfenster und ursprünglich zusätzlich noch durch Dreiecksgauben.
Bahnhof mit Dienstwohnung der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft (SEG), ab 1911 Oberrheinischen Eisenbahngesellschaft (OEG)
Wohngebäude
Am 12. September 1887 wurde die Strecke Mannheim-Weinheim eingeweiht. An dieser Strecke liegt der OEG-Bahnhof Käfertal (www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/oeg-bahnhof-mannheim-kaefertal), von dem ein Abzweig nach Heddesheim geht. Die Kurzstrecke in die Nachbargemeinde Heddesheim wurde am 1. Mai 1909 eröffnet. Wie die Hauptstrecke geht auch der „Bypass“ auf die Privatinitiative des Berliner Verkehrspioniers Herrmann Bachstein (1834-1908) zurück. Die Streckenführung gehört zum sogenannten Gleisdreieck Mannheim-Weinheim-Heidelberg-Mannheim und wurde auf Drängen des hessischen und badischen Umlandes notwendig, weil die Großherzoglich Badischen Staatsbahnen mit dem Friedrichsfelder Kompromiss keine direkte Anbindung des Umlandes an die Städte Mannheim und Heidelberg gewährleisteten, sondern diese zum einen nur über den Umweg und Umstieg in Mannheim-Friedrichsfeld angefahren werden konnten, zum anderen aber auch viele kleine Gemeinden entlang der Bergstraße und des Neckars außer acht ließen. Besonders die an der Bergstraße gelegenen Porphyrsteinbrüche in Dossenheim und Schriesheim waren aber auf die Eisenbahn als Transportmittel angewiesen. Außerdem lagen am erwähnten Gleisdreieck Ende des 19. Jahrhunderts 144 Fabriken und Gewerbebetriebe, 199 Mühlenbetriebe sowie 86 Jahr- und Viehmärkte, die einen regen Güterverkehr hatten. So spielte auch die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Lebensmittel eine wichtige Rolle. Und natürlich erleichterten die Nebenbahnen den auf dem Land lebenden Industriearbeiter ihre tägliche Anfahrt zur Arbeitsstätte.
Als erste Nebenbahn ging die Dampfeisenbahn Mannheim-Feudenheim am 4. Mai 1884 in Betrieb, die schließlich 1898 in den Besitz der Stadt Mannheim übernommen wurde. Ab 1913 wurde auch die Pfalz durch die Rhein-Haardt-Bahn an Mannheim und Ludwigshafen angebunden.
Auch der Berliner Herrmann Bachstein erkannte die ersichtlichen Mängel des staatlichen Eisenbahn-Streckennetzes in Deutschland und ergriff die Chance, mit seinem 1879 in Berlin gegründeten Unternehmen „Centralverwaltung für Secundairbahnen“ diese Lücke privatwirtschaftlich zu schließen. Die von ihm 1895-97 gegründete Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) mit Sitz in Darmstadt war eine von über 60 von ihm (mit)-betriebenen Gesellschaften, die im Bahnbau tätig waren. Die SEG war schließlich auch für den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gleisdreieck Mannheim-Weinheim-Heidelberg-Mannheim zuständig. Am 18. Juni 1890 wurde Herrmann Bachstein auch die Erlaubnis zum Bau der Strecke Heidelberg-Edingen-Mannheim erteilt (zur Endstation am Mannheimer Kurpfalzkreisel siehe www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/ehem-oeg-bahnhof-friedrichsring-ma). Die komplette Inbetriebnahme des Gleisdreiecks erfolgte im Jahre 1892. Die Strecke Mannheim bis Käfertal war schließlich bis 1906 auch zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Die Nebenstrecke nach Heddesheim wurde erst ab 1946 elektrisch betrieben.
Mit Gründung der Oberrheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (OEG) im Jahre 1911 übernahm diese schließlich den Betrieb und weiteren Ausbau der Streckenführung. An der OEG – eine Aktiengesellschaft – war die Stadt Mannheim mit einer Aktienmehrheit von 51 Prozent beteiligt, um auch kommunalpolitische Interessen verfolgen zu können. Die Verhandlungen wurden auf städtischer Seite vom damaligen Oberbürgermeister Paul Martin geführt. Die SEG hielt 26 Prozent, die Neue Rheinau Gesellschaft 11,5 Prozent, die Rheinische Schuckert-Gesellschaft 10,5 Prozent und die Süddeutsche Diskonto Gesellschaft 1 Prozent.
Im Jahre 2010 ging die OEG gänzlich in die MVV Verkehr AG auf. Im Jahre 2014 wurde das Bahngebäude mit der umliegenden Teilfläche an einen Privateigentümer verkauft.
- Mannheim und seine Bauten, Mannheim 1906, S. 502ff
- Friedrich-Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 3, Mannheim 1907, S. 283ff
- 75 Jahre OEG 1911-1986, Festschrift hrsg. von der Oberrheinischen Eisenbahn-Gesellschaft AG Mannheim 1986
- Ralph Stephan: Der lange Weg zur OEG, in: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte, Bd. 30, 1998, S. 35ff
- Mannheim und seine Bauten 1907-2007, Bd. 4, Mannheim 2004, S. 40
- Ralph Stephan: Das zähe Ringen um den Nahverkehr. Zum hundertjährigen Bestehen der Oberrheinischen Eisenbahngesellschaft, in: Mannheimer Geschichtsblätter 22/2011, S. 57-74
- Torsten Wondrejz: Die OEG-Strecke Käfertal-Wallstadt-Heddesheim (Historisches Archiv der RNV, Zusammenstellung Juni 2020)
- Marchivum ZGS S 2/301