Gross und Perthun, Industriehafen MA
Über 100 Jahre schon hat die Lackfabrik Gross und Perthun GmbH & Co.KG (G&P) ihren Sitz am Industriehafen. Doch sind die Produkte dieses Familienunternehmens in keinem Baumarkt zu finden. Denn es stellt seine Lacke und andere Beschichtungssystem ausschließlich für die Industrie her.
In unaufdringlichem Gelbton gestrichene einstöckige Produktionshallen ziehen sich 250 Meter an der Industriestraße entlang. Einzig das würfelförmige Eckgebäude an der Hansastraße ist zwei Stockwerke hoch. Die anschließenden Hallen mit ihren regelmäßigen großen Fenstern sind vermutlich in ihrer Struktur noch aus den 1920er Jahren erhalten. Eine weitere drei Stockwerke hohe Halle ist 2015 von einem renommierten Architekturbüro errichtet worden. Die unterschiedlich gestalteten dunkeln Fenstern lösen die geschlossene gelbe Fassade fast spielerisch auf. Alle von den Straßen sichtbaren Gebäude haben ein Flachdach.
Das gesamte Betriebsgelände, das sich in die Tiefe bis zum Bahndamm zieht, ist eng bebaut. Von den bauzeitlichen Hallen ist fast nichts mehr erkennbar. Der Schonstein wurde im Jahr 2000 abgebrochen.
Die Produktion
Pulverförmige Rohstoffe wie Pigmente und Füllstoffe werden mit flüssigen Rohstoffen wie Bindemittel, Wasser und Lösemittel gewogen und gemischt. Im zweiten Schritt wird diese Mischung in Kugelmühlen nass vermahlen. Im dritten Schritt anschließend komplettiert. Darunter versteht man die Ergänzung des Mahlgutes mit weiteren Rohstoffen und Halbfabrikaten (z. B. Additive, Lösemittel usw.). Die chargenweise hergestellten Produkte werden abgefüllt, z.B. Großchargen bis zu 10 Tonnen in Tanks und Containern, kleinere in Fässern und Dosen. Im gesamten Fertigungsprozess ist eine permanente Qualitätskontrolle erforderlich. Bis zur Auslieferung lagert G&P die fertige Ware in Hallen. Produziert wird sowohl auf Bestellung, wie auch als Fertigware.
Das Ganze hört sich nach einer chemischen Fabrik an. Eine Stoffumwandlung in Form chemischer Umsetzungen findet jedoch bei der Lackherstellung nicht statt. Allerdings hantieren die rund 100 Mitarbeiter*innen – überwiegend Chemie-Facharbeiter*innen und Ingenieur*innen mit lacktechnischem Hintergrund – auch mit brisanten Chemikalien und Gefahrstoffen.
Einsatz der Lacke
Die Lacke und Funktionsbeschichtungen werden vor allem im Bereich der Automobil-, Landmaschinen-, Traktoren- und Nutzfahrzeugindustrie verwendet. Dabei können die Produkte mehr als „schön bunt glänzen“. So zeichnen sich spezielle Beschichtungen durch sehr gute Körperschalldämmung, extreme Verschleißfestigkeit, kälteelastisches Verhalten und eine fugenlose Oberfläche aus. Für Busse und Nutzfahrzeuge stellt Gross und Perthun einen speziellen Innenbodenaufbau her, der wasserdicht und leicht zu reinigen ist und hohen Beanspruchungen Stand hält. Viele Produkte sind Lösungsmittelfrei und umweltfreundlich.
Bei der Landmaschinenindustrie kommt es nicht nur auf die richtige „Marken-Farbe“ an, sondern auch auf Beständigkeit des Lacks gegen Hagel, Sonne, chemische Belastung und mechanische Einflüsse wie Steinschlag. Für kleine Steinschläge gibt es natürlich auch „Spot-Repair-Artikel“ in der passenden Farbe. Auch Gießereien bestellen bei Gross und Perthun Oberflächenbeschichtungen zum Schutz von frischen Gussteilen. Anti-Graffiti-Beschichtung, der Strukturlack, Rohrbeschichtung oder der Haftvermittler sind weitere Produkte der Firma.
Industrielackfabrik
Industrielackfabrik
Gross & Perthun wird 1918 von zwei jungen Mannheimern, die sich im 1. Weltkrieg in Frankreich kennen gelernt hatten, gegründet: Peter Gross, 34 Jahre, und Paul Perthun, 29 Jahre. Peter Gross hatte vor dem Krieg bereits ein Malergeschäft.
Die junge Firma lässt ich im Industriehafen in der Industriestraße 12-14 nieder. Auf beiden Flurstücken waren bereits von 1900 bis 1917 andere Firmen ansässig (Bopp & Cie, Moritz Anson, Leopold Schneider & Söhne, Dietz & Röder). In der Hansa-Straße gegenüber befindet sich damals der Verwaltungsbau der Strebelwerke (heute ist hier eine Industriebrache mit Parkplätzen), Hutchinson ist schräg gegenüber und auf der anderen Seite der Industriestraße das Stationsamt.
Lanz-Blau
Die Produktion startet zunächst mit der Herstellung von Malerfarben. Ab 1923 beginnt die Herstellung von Industrielacken. Einer der ersten Großkunden ist die Heinrich Lanz AG in Mannheim. Sie hatte 1921 gerade den Ackerschlepper „Bulldog“ auf den Markt gebracht, dunkelblau lackiert mit „Grossol Lackfarbe LANZ-blau, S 198A“ und Felgenrot in Zinnober. Auch nach 1956 bleibt der Traktorenhersteller unter dem Namen John Deere ein Großkunde, jetzt für Farbtöne in grün und gelb.
1923 baut Gross und Perthun ein neues Tanklager für Bindemittel und Lösemittel. Rohstofflieferant ist die BASF. Auch heute noch werden Rohstoffe überwiegend aus Deutschland und Europa bezogen. Die Mannheimer Draiswerke liefern Maschinen. Sie hatten sich auf den Bau von Misch- und Knetmaschinen, Walzenreibmaschinen und Kugelmühlen für die chemische und Nahrungsmittelindustrie spezialisiert.
1930 erweitert G&P das Firmengelände erneut, doch schon 1931 wird aufgrund der Wirtschaftskrise der Betrieb einige Monate stillgelegt. In die NS-Kriegsproduktion wird G&P nicht einbezogen. Auch hat der Betrieb keine Zwangsarbeiter eingesetzt. 1943 wird bei einem Bombenangriff die Fabrikation zerstört. Das Verwaltungs- und Laborgebäude bleibt erhalten. Sofort wird schrittweise an den Wiederaufbau gegangen. Ab 1944 bis in die 1950er Jahre: Wiederaufbau und Erneuerung der Anlagen und Lagerhallen der Firma
Stetiger Ausbau
Ab den 1960er Jahren baut G&P eine neue Anlage zur Bindemittelkochung, mit der eine sehr hohe Qualität der Lacke erreicht werden kann. Neue Entwicklungslabors stellen sicher, dass der Umweltschutz bei G&P einen hohen Stellenwert erhält. Stetig werden bis in die Gegenwart neue Produktionshallen, Labore und Lager gebaut oder erweitert.
2006 wird ein Gebäudekomplex mit Sozialräumen, Kommissionierungshalle, Containerreinigungsanlage und Ladestationen für elektrisch betriebene Fördermittel gebaut. Die neue, architektonisch durchgestaltet Lackfabrik wird seit 2014 stufenweise in Betrieb genommen. Weitere Rohstofflager und eine Produktionsanlage für Kleinchargenfertigungen kommen 2018 hinzu.