Oberes Werk / Kerzenfabrik Schriesheim
Auf dem etwas versteckt liegenden, ca. 10.000 m² großen Gelände oberhalb des Waldschwimmbads befinden sich die letzten Zeugen einer sehr wechselhaften Wirtschaftsgeschichte. Sandsteingefaßte Fenster sind z.T. als Rundbögen ausgebildet, jedoch mit grauer Farbe behandelt. Die Reste einer mehrfach umgenutzten Mühle sehen 2008 einer erneuten Umnutzung und Sanierung entgegen. Ein Teilabriss ist zugunsten neuer sozialer Nutzungen vorgesehen.
Papiermühle
Leerstand, Lagerräume und Wohnungen
Das versteckt liegende Gelände oberhalb des Waldschwimmbads ist Teil einer interessanten überörtlichen Wirtschaftsgeschichte. Im Schriesheimer Tal gab es im 19.Jahrhundert sicher über 12 Mühlen. Drei davon gehörten zur Ehrmnannschen Papier-Fabrik, von denen das "Obere Werk" um 1835 auf dem Gelände der heutigen "Kerzenfabrik" entstand. Zahlreiche Eigentümerwechsel einzelner Mühlen und Mühlengruppen sowie Eigentümergemeinschaften stehen in den Quellen. Nur im "Unteren Werk", wo sich heute die Malzfabrik Kling befindet, wurde 1836 eine Dampfmaschine aufgestellt. Im Oberen Werk wurde der Bach durch ein Gewölbe überdeckt. Das Wasser wurde über ein Aquädukt von der nördlichen (?) Talseite herbeigeleitet.
Die Folgen der Dampfkraft-Nutzung waren in Schriesheim ähnlich wie im Weinheimer Sechs-Mühlen-Tal . Wie alle im oder am Rand von Gebirgen liegenden Mühlen waren sie der Konkurrenz der Großmühlen unterlegen, denn diese entstanden an den mit Dampfern befahrbaren Flüssen oder mit Dampflokomotiven erreichbaren Standorten. Im Unterschied zur Weinheimer Hildebrand-Mühle waren die Schriesheimer nicht einmal an das Eisenbahnnetz angebunden.
Bei einem Brand wurde ein Teil der Gebäude zerstört und nicht mehr aufgebaut. 1866 wurde die Papiermühle in eine Mahlmühle umgenutzt. Nach z.T. spekulativem Grundstückshandel und mehrfachen Eigentümerwechseln erwarb 1875 für 18.000 Gulden die Mannheimer Firma Eduard Kauffmann Söhne die Mühle des Oberen Werks samt Einrichtung und zusätzlich das Mittlere Werk, das sie in Stammberg umbenannte. Der ursprüngliche Name Stampfwerk leitete sich von der Papier-Produktion ab. Genutzt wurde v.a. das Mittlere Werk für die Erbsenschälerei und die Produktion von Rollgerste (Graupen). 1879 wurde das Obere Werk, 1884 nach Fertigstellung der Großmühle am Mannheimer Verbindungskanal das Mittlere Werk verkauft.
Der Fotograf Emil Bühler erwarb 1894 die Mahlmühle und nahm die Tradition der Papiermühle wieder auf: Produziert wurden photographische Papiere. Durch Aufstockungen und Gebäudeverlängerungen nach Osten entstand die Mitte 2008 sichtbare Gebäudeanordnung. In wasserarmen Zeiten nutzte er Petroleum- und Elektromotoren. Barytpapier wurde auch ins Ausland verkauft. Das neu entwickelte „direktkopierende Kohlepapier” wurde mehrfach mit Preisen bedacht.
1936 war auch die Papier-Produktion unwiderruflich zu Ende. Die Firma Max Högg übernahm die Gebäude, renovierte und begann mit der Herstellung von Kerzen und Metallwaren für den kirchlichen Bedarf. Die Weinheimer Firma Freudenberg produzierte zeitweise im oberen Stockwerk, das die Heeresverwaltung beschlagnahmt hatte. Nach dem 2.Weltkrieg gab es weitere Nutzer auf Teilflächen: Hersteller von Lüftungsanlagen und fleischverarbeitenden Maschinen.
2008 stellte die Manfred-Lautenschläger-Stiftung als neuer Eigentümer ihr neues Öko-Projekt "Mühlenhof" vor. Die Evangelische Stadtmission Heidelberg bzw. deren Wohnsitzlosenhilfe wird Betreiberin sein. Im Mittelpunkt steht die Landschaftspflege.
- Hermann Brunn: Schriesheimer Mühlen in Vergangenheit und Gegenwart, S.VII, XXVII, 172-186, Reprint der ersten Auflage von 1947 Verlag Wilhelm Burger 1989, 2. Auflage Stadt Schriesheim
- Rhein-Neckar-Zeitung 4.Juli 2008: Neues Licht in der „Kerzenfabrik”
- Rhein-Neckar-Zeitung 4.Juli 2008: „Das wird einmalig in der ganzen Region”