Mehl, Makkaroni, Malzkaffee
Als die Mannheimer beim Konsum einkauften – 110 Jahre Genossenschaften. Von Veith Lennartz.
Heute heißen die Billigketten Aldi, Lidl und Penny. Früher ging man zum Konsum und war Mitglied in der Konsumgenossenschaft, um günstig einzukaufen und sich vor überteuerten und schlechten Waren zu schützen.
„Lieferung unverfälschter Waren mit vollem Gewicht, Mitgliedschaft für Jedermann, Barzahlung, Rückvergütung, politische und religiöse Neutralität”, so hießen die Leitlinien damals. Riesengewinne wie heute waren nicht das Ziel. 1894 gründen die ersten Konsumgenossenschaften in Hamburg die Großeinkaufsgenossenschaft deutscher Konsumvereine, die GEG. Das war eine Art Notwehrreaktion, denn Handel und Industrie begannen mit Lieferboykotten gegen die Konsumvereine vorzugehen, weil sie um ihre Profite fürchteten.
1900 geht es auch in Mannheim los. Am 16. Dezember wird der Mannheimer Konsumverein gegründet, der nach einem Jahr schon 688 Mitglieder und vier Verkaufsstellen hat. Ein Jahr später schnellt die Zahl auf 1500 Mitglieder hoch. Prompt droht die Mannheimer Bäckerinnung: „Die unterzeichneten Bäckermeister verpflichten sich gegen Ehrenwort und Konventionalstrafe von 300 Mark, an den Konsumverein keine Waren zu liefern.” Doch die Bewegung lässt sich nicht mehr bremsen. In der Böckstraße wird eine Bierabfüllerei installiert. Es folgen eine Sauerkrautschneiderei, eine Limonadenfabrik, eine Dampfbäckerei und eine Kaffeerösterei. 1910 erwirbt die GEG die Hockenheimer Zigarrenfabrik und sieben Jahre später die Weinkellerei Schloss Ruppertsberg. Bei so viel Wachstum braucht der Konsumverein dringend eine zentrale Niederlassung und die findet er in der Industriestrasse im Industriehafengebiet. Dort werden alle Aktivitäten konzentriert und bis 1981 ist dort der Sitz von Verwaltung, Zentrallager, Großmetzgerei und Backbetrieb. Noch heute steht dort das große Gebäude im Stil der Neorenaissance, denkmalgeschützt. Der Mannheimer Konsumverein wächst und wächst. Bis Ende 1925 sind fast 25.000 Mitglieder eingeschrieben und 53 Verkaufsstellen in Mannheim und Umgebung eröffnet worden.
Auch die Leistungen werden erweitert: es gibt Sterbegeld und Unterstützung von Kriegerwitwen. Und dann wird 1927 in der Friesenheimer Straße ein Bauwerk errichtet, das mit dem Namen „genossenschaftliche Burg” eher niedlich umschrieben ist. Es ist die größte genossenschaftliche Produktionsstätte Süddeutschlands, ein Riesenkomplex mit Malzfabrik, Mehlmühle, Teig- und Papierwarenfabrik, mit Wohnungen, Speisesälen und Arbeiterbädern. Dieser enorme Bau, errichtet im Bauhaus-Stil der Neuen Sachlichkeit ist bis heute erhalten und steht unter Denkmalschutz. 1939 übernimmt die „Deutsche Arbeitsfront” Organisation und Vermögen, die Nazis bereiten den Konsumvereinen und ihren Fabriken ein gewalttätiges Ende.
Aber der Genossenschaftsgedanke ist nicht tot. Nach dem Krieg eröffnen die Konsum-Läden mit dem gleichen Konzept. Aus dem Konsum wird 1968 co-op, es kommen die Selbstbedienungsläden und 1970, auf dem Höhepunkt, ist co-op Kurpfalz mit 163 Läden und 150 Millionen Mark Jahresumsatz das größte Einzelhandelsunternehmen im Raum Mannheim-Ludwigshafen. 20 Jahre später endet die Genossenschaftsgeschichte in der Kurpfalz im Strudel der Rationalisierung und durch Managementfehler.