Reich an Fabriken, reich an Geschichte
Verein „Rhein-Neckar-Industriekultur“ stellt auf 31 Tafeln Sehenswürdigkeiten im Industriehafen vor / Feierliche Eröffnung am Sonntag
Von unserem Redaktionsmitglied Fabian Busch
Ein Blick auf den Industriehafen in den 1930er Jahren. Die Gründung des Hafens bedeutete einen großen Schub für die Entwicklung der Stadt. © Stadtarchiv Mannheim
Neue Sachlichkeit und Jugendstil, Fachwerkhäuser und "ziemlich banale Funktionsbauten": Ein Streifzug durch den Industriehafen kann zu einem Gang durch die Architekturgeschichte werden. Und trotzdem lassen die Mannheimer - und ihre Gäste erst recht - das Areal in der Regel links liegen, wenn sie ihren Wochenendausflug machen. "Stadtnah, aber mental weit weg" sei der Hafen, sagt Barbara Ritter, Vorsitzende des Vereins "Rhein-Neckar-Industriekultur". Ein Befund, den Ritter und ihre Mitstreiter gerne ändern würden. In mühevoller Arbeit haben sie in den vergangenen Jahren recherchiert, geschrieben und organisiert. Das Ergebnis: 31 Tafeln mit Bildern und Informationen über die Sehenswürdigkeiten im Industriehafen. Sie stecken den laut Ritter ersten Rundweg zur Industriekultur in Baden-Württemberg ab.
Am kommenden Sonntag werden die Informationstafeln offiziell eingeweiht (siehe Infobox). Wer schon jetzt auf Entdeckungstour gehen möchte, hat dazu aber ebenfalls die Möglichkeit: Die meisten der Schilder stehen schon.
„Adrenalinstoß” für die Stadt
Zu finden sind sie einerseits an Bauwerken, die jeder Mannheimer kennt. Die Diffenébrücke ist beispielsweise ebenso Teil des sieben Kilometer langen Rundwegs wie die großen Mühlen oder das Gelände von Fuchs Petrolub auf der Friesenheimer Insel. Doch da ist auch die alte Fachwerkvilla, die der Zimmermann Peter Dorstmann 1901 errichtete. Oder der Polat-Bau, ein unverputztes Backsteingebäude mit Ornamenten aus farbigen Ziegelsteinen in der Industriestraße.
Als der Industriehafen Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, sei das ein "Adrenalinstoß" für die Stadt gewesen, erklärt der ehemalige ARD-Journalist Veit Lennartz, ebenfalls Mitglied im Verein Rhein-Neckar-Industriekultur. Den Unternehmen, die sich rund um das Hafenbecken ansiedelten, verdankt die Stadt zu einem großen Teil ihren wirtschaftlichen Aufstieg - und trotzdem drehten ihm viele Mannheimer lieber den Rücken zu.
Der von den Informationstafeln abgesteckte Rundweg soll nicht nur die Bauwerke wieder stärker ins Bewusstsein der Bürger rücken, sondern auch die Geschichten, die sich dort abgespielt haben. Das Stadtarchiv half bei der Recherche und steuerte Bilder bei. "Wir haben von Anfang an erkannt, dass eine große Chance in diesem Projekt steckt", erklärt Dr. Andreas Schenk.
Die Gebäude auch von innen zu besichtigen, ist in der Regel nicht möglich - schließlich wird vielerorts noch produziert. Von den ursprünglich sieben großen Mühlen im Industriehafen gebe es immerhin noch vier, betont Barbara Ritter. Dazwischen haben sich gleichzeitig aber auch Kreative und Start-up-Unternehmen angesiedelt, gibt es Hotels, Ateliers und eine Kletterhalle. Eine Entwicklung, die auch die Informationstafeln sichtbar machen.
Der Gemeinderat hatte das Projekt von Beginn an einstimmig unterstützt. Das Vertrauen der Betriebe zu gewinnen, sei dagegen teilweise eine schwierigere, aber ebenfalls sehr wichtige Arbeit gewesen, erzählt Veit Lennartz. Doch in den meisten Fällen lohnte es sich. Da viele Firmengebäude in den vergangenen Jahrzehnten den Besitzer gewechselt haben, sind die Tafeln auch für manchen Chef und seine Mitarbeiter zu einem Blick in die zuvor unbekannte Geschichte geworden.
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 03.09.2014
Eröffnung und Ausstellung
Offiziell eröffnet wird der Rundweg am Sonntag, 7. September, ab 14 Uhr in der Kletterhalle "Boulder Island" (Industriestraße 39), unter anderem mit Oberbürgermeister Peter Kurz. Von 15 bis 17 Uhr fahren Busse zu den verschiedenen Informationstafeln.
Eine Fotoausstellung zum Industriehafen ist vom 25. September bis zum 24. Oktober im Technoseum zu sehen.