Wo der Kurfürst zur Linken der Gattin liegt

Rhein-Neckar-Zeitung

von Harald Berlinghof

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Die imposanten Ziegelgebäude der GEG aus den 1930er Jahren zählen zu den imposantesten Industriebauten Mannheims. Erstmals waren sie im Rahmen eines 'Tages des offenen Denkmals' zu sehen. Foto: vaf

Kurfürst Carl-Philipp liegt in der Gruft der Mannheimer Schlosskirche neben seiner Gattin "zur linken Hand" der Reichsgräfin Jolantha Theresia in verschlossenen Zinnsärgen. Normalerweise ist die Gruft verschlossen und niemandem zugänglich. Am gestrigen Sonntag, dem „Tag des offenen Denkmals”, war die Gruft mit ihren barocken Särgen für die Öffentlichkeit zu besichtigen. Im Mannheimer Industriehafen öffnete eine komplett anders geartetes Denkmal seine Pforten für Interessierte.

Die „genossenschaftliche Burg” aus rotem Ziegelstein, errichtet in den 1930er Jahren zählt zu den imposantesten Industriebauten Mannheims. Das Ensemble aus Kaffeefabrik, wo Zichorien- und Malz-Muckefuck produziert wurde, der Teigwarenfabrik, dem Mühlengebäude am Wasser und einem Wohnhaus für die leitenden Angestellten wird heute von einer Logistikfirma genutzt.

Die GEG-Gebäude (Groß-Einkaufs-Gesellschaft) nahmen in diesem Jahr zum ersten mal am Tag des offenen Denkmals teil, bei dem 21 historische Baudenkmäler in Mannheim für die Öffentlichkeit geöffnet wurden. Bis zu 200 Zuhörer kamen zu den Führungen am Sonntag. Die Gebäude der ehemaligen GEG-Mühlen des Deutschen Konsumvereins sind im Stil der Neuen Sachlichkeit gebaut, wie Hilde Seibert vom Verein Rhein-Neckar-Industriekultur den Besuchern erläutert. Der wesentlich bekanntere Begriff des Bauhaus-Stils darf hier nur deshalb nicht angewendet werden, weil die Architekten keine Bauhaus-Lehrer waren, wohl aber vom damaligen Zeitgeist und Architekturstil beeinflusst waren.

Bis zu 500 Menschen arbeiteten auf dem 3,1 Hektar großen Fabrikgelände, auf dem noch heute einer der letzten gemauerten Industrieschornsteine Mannheims steht – 55 Meter hoch. Das gesamte Gelände steht unter Denkmalschutz, im Norden angrenzend die „Birkel- und Drei-Glocken-Nudeln”, im Süden „Aurora (mit dem Sonnenstern)”.

Ganz anderer Natur waren die Informationen, welche die Besucher der Mannheimer Schlosskirche von Johannes Theil, dem Dekan der alt-katholischen Gemeinde Mannheims, vermittelt bekamen. Zum Beispiel, dass die 1720 begonnene und 1731 eingeweihte kurfürstliche Schlosskirche heute nur noch wenig mit dem ursprünglichen Bau zu tun hat. Zu schwer war sie im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden. „Die Decke war runtergekommen, das war hier früher alles Barock vom Feinsten”, führt der Dekan aus. Täglich seien Messen in der Kirche gefeiert worden. Nur die Kurfürstenfamilie und der obere Hofstaat durften teilnehmen. Und das Hoforchester natürlich. Das saß - immerhin rund 70 Mitglieder stark - auf einer erhöhten Ebene hinter dem Altar. Dort, wo heute die Altarwand ist, ging die „Chapelle electorale” nämlich weiter und bot Raum für die damals europaweit bekannten Musiker der „Mannheimer Schule”.

Auch Mozart nahm gelegentlich während seines Aufenthalts in Mannheim an den Messen und Oratorien teil. Am 9. November 1777 notiert er: „Da spielte ich aus Spaß die Orgel. Dan und wan gab es pizzicato. Da gab ich den Tasten bazln, ich war in meinem besten Humor”.