Weltbekannte Designerin macht Mode im Hafen
Dorothee Schumacher hat ein altes Industriegebäude umgebaut. Von Veit Lennartz.
Der Mannheimer Industriehafen ist ja einiges gewöhnt. Bauteile nach Afrika, Reis, Nudeln und Mehl für die ganze Welt, Bio-Diesel für die Autos. Namen wie Rama, Biskin, Livio, Becel und Aurora stammen von hier. Es scheint nichts zu geben was nicht mit diesem Hafen zusammenhängt. Aber Mode? Wer vor der Industriestraße 47 steht, der ahnt, dass sich am ehemaligen Russenkai ungewöhnliches tut. Und das seit mehr als 20 Jahren. Schumacher. Dorothee Schumacher. Internationales Modelabel, weltweit bekannte Designerin, rund 90 Mitarbeiter, hauptsächlich Frauen.
Voriges Jahr hat Dorothee Schumacher mit ihrer Sommerkollektion die Berliner Fashion Week eröffnet. 2006 ging der Name sogar um die ganze Welt. Im Film „Der Teufel trägt Prada“ machte sich Schumacher neben Ausstattern wie Chanel und Prada einen Namen. Und warum ausgerechnet Mannheim? Nun, die Liebe hat sie hierher gebracht, sagt sie, Ende der 90er Jahre. Und die ehemalige Kartonagenfabrik im Industriehafen war für sie offensichtlich auch eine Liebe, zumindest auf den zweiten Blick. Mit dem Pariser Stararchitekten Yves Bayard hat sie das alte Fabrikgebäude in moderne Ateliers, Showrooms und Büros umgewandelt. Mit dem wunderbaren Blick auf das breite Becken des Hafens. Es war das erste Start-up-Unternehmen des Industriehafens und es ist bis heute das erfolgreichste.
Als der Hafen ab 1889 gebaut wurde, kaufte Friedrich Brenneis das Grundstück für eine Fenster- und Türenfabrik. Doch schon 1908 erwarb Alfred Hirschland das Anwesen für seine „Oberrheinische Cartonagenfabrik“, hervorgegangen aus der Verpackungsabteilung der Korsett- und Miederfabrik „Felina“. Die Nazis zwangen den jüdischen Mitbürger Hirschland 1938, seine Fabrik zu verkaufen, besser gesagt zu verschleudern. Der neue Besitzer war die „Kartonagenfabrik Annweiler Fr. Baumann KG“. In der Nachkriegszeit siedelten sich noch weitere Betriebe an, wie die Fischräucherei von August Engel und Dr. Brenner mit seiner Kittfabrik und chemischen Erzeugnissen. Schließlich hat die Kartonagenfabrik Annweiler ihre Produktion in Mannheim geschlossen – und dann kam Dorothee Schumacher.
Anthrazitfarbene Eisentore führen in einen Hof mit kleinen Rasenflächen, getrimmten Hecken und Bäumchen. Die Lettern „Schumacher“ prangen auf Schildern, die den Hof wie eine spanische Wand teilen. Die alte historische Halle aus gelben Backsteinen hat der Architekt neu gestaltet, das Betonskelett, das die ganze Halle trägt, ist sichtbar und durch den hellen Anstrich noch betont. Die Fenster führen wie lange Bänder um das Gebäude herum. Der weiße, kubische Anbau erschließt mit einem großzügigen Entree und breiter Treppe den oberen Stock. Durch die Fenster kann man die hölzerneDachkonstruktion erkennen. Bei Nacht ist die Halle an beiden Giebeln beleuchtet, eine der Stationen beim Hafenlicht 1 in der langen Nacht der Museen, als tausende Mannheimer ihren illuminierten Industriehafen als moderne Märchenkulisse auf sich wirken ließen.
Im nächsten Hof steht im merkwürdigen Gegensatz ein fünfstöckiges Glas-Beton-Gebäude auf Stelzen. Der Architekturmix ist gewagt, aber was ist im Mannheim der Nachkriegsjahre nicht alles gewagt, abgerissen, umgebaut, verschandelt, verschönert, verfallen. Dorothee Schumacher hat den Industriehafen ohne Frage aufgewertet, sie zeigt, wie Industriekultur mit moderner Produktion eine fruchtbare Symbiose eingehen kann, wie eine Brücke von damals zu heute geschlagen werden kann. Und dass sie zu einer der großen Arbeitgeberinnen im Hafen geworden ist.